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Bayerischer Haschisch – eine wahre Geschichte

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HanfBlatt

Als die Bayern auszogen den Weltmarkt mit Haschisch zu überfluten

Eine wahre Geschichte

Es begab sich einst im Jahre 1925, daß die Versuchsstation für technischen und offizinellen Pflanzenbau GmbH Happing bei Rosenheim in Oberbayern (wo sonst?) in der Fachzeitschrift „Heil- und Gewürzpflanzen“ (VIII. Bd., S. 73-82) vollmundig verkündete: Cannabis indica kann „in Deutschland überall, wo guter Weizen gedeiht, mit Erfolg gebaut werden. Unser Anbau ist längst aus dem Versuchstadium herausgekommen und zum Anbau im Großen geworden. In den letzten Jahren lieferten wir dem deutschen Großdrogenhandel 3000 Kilo und sagen deshalb…für Cannabis indica: Das englische Welthandelsmonopol wird in Kurzem der Geschichte angehören. Voraussetzung ist der Anbau einer hochwertigen, akklimatisierten Saat. Daß von uns nach den acht Jahren Auslese und Dutzenden von Analysen die Hochhaltung im Auge behalten wird, ist selbstverständlich. Im Herbste werden wir an Interessenten Samen abgeben können.“

Diese glückverheissenden Zukunftsperspektiven konnten natürlich in der etablierten Fachwelt nicht unwidersprochen bleiben. Schon damals waren die medizinischen Wirkungen des Indischen Hanfes und seiner psychoaktiven Zubereitungen, die man ganz allgemein unter dem schwammig verwendeten Begriff Haschisch zusammenfasste, umstritten. Die praktische Anwendung beschränkte sich auf einige wenige Präparate. Die Firma „Fresenius“ in Frankfurt am Main stellte beispielsweise eine Kombination des Barbiturat-Schlafmittels „Veronal“ mit dem Extrakt des Indischen Hanfes her, das „Indonal“. Diese die notwendige Dosis und die unerwünschten Nebenwirkungen des Veronals angeblich senkende Kombination fand ihren Fürsprecher in einem Wissenschaftler namens Emil Bürgi (Dtsch. Med. Wschr. 7.11.1924), vielleicht einem Ahnen des bekannten Lochfraß-Experten der Gegenwart. Vor allem landete aber der Großteil des produzierten Hanfextraktes in Deutschland als Zusatz in Einpinselungen und Pflastern auf Salicylkollodium-Basis zur Entfernung von Hühneraugen, einem Leiden über das heutzutage nur noch hinter vorgehaltener Hand gesprochen wird und das auch nicht durch engagierte Hühneraugenstiftungen oder Benefiz-Veranstaltungen vom Typ Life-Hühneraugen-Ball von sich Reden macht. Dr. Th Sabalitschka aus Berlin, der die Happinger Anbauversuche kontrollierte und die Ergebnisse publizierte, bemühte sich aber an weitere zurückliegende therapeutische Anwendungen zu erinnern. Die bereits erfolgreiche Verwendung von Cannabis bei Starrkrampf, bei Lyssa, Cholera, chronischen Rheumatismen, Delirium tremens, Husten, Strychninvergiftung und als wehenförderndes Mittel sei wissenschaftlich zu überprüfen. Es bestünde „in der Therapie für Cannabis eine vielseitige Anwendungsmöglichkeit, die aber erst richtig ausgenutzt werden kann, wenn Drogen und Präparate von bekannter und sicherer Wirksamkeit zur Verfügung stehen.“ Die Bewertung des medizinisch einzusetzenden Hanfkrautes war damals allerdings schwierig, da man die wirksamen Inhaltsstoffe noch nicht kannte. Man wußte lediglich, daß es sich bei den psychoaktiven Wirkstoffen um harzige Bestandteile handeln mußte.

Dieser Einschätzung der medizinischen Möglichkeiten widersprach Dr. Ernst Joel vom Gesundheitsamt des Bezirks Berlin-Tiergarten aufs Heftigste (Klin. Wschr. 26.2.1926). Alle genannten Indikationen seien praktisch obsolet. Er formulierte eine klassische Position der Rauschhanf-Prohibitionisten: „Wir sehen im indischen Hanf kein aussichtsreiches Heilmittel, sondern ein Rauschgift ersten Ranges, ein Genußmittel, dem im Orient Millionen von Menschen süchtig verfallen sind, ein Mittel, das nicht anders als das Opium und das Cocain seelische Alterationen bis zu psychotischen Krankheitsbildern hervorruft. Bis jetzt kennen wir in Deutschland noch keinen Haschischgenuß. Und zwar deshalb nicht, weil, wie die Geschichte der Rauschgifte lehrt, der genußsüchtige Mißbrauch an den therapeutischen Gebrauch anzuknüpfen pflegt. Es gab bei uns erst dann einen Cocainismus, als das Medikament Cocain eingeführt worden war, und es gibt weiter Cocainismus, nachdem schon das Cocain die Therapie fast verlassen hat. Es gibt keinen Haschischismus, weil der Hanf therapeutisch keine Rolle spielt. Wir werden ihn haben, wenn man den indischen Hanf popularisiert, und wir werden ihn haben, auch wenn er sich dabei therapeutisch nicht besser bewähren wird als bisher.“ Daraufhin fordert er Maßnahmen, „durch die das wissenschaftliche Arbeiten mit einheimisch wachsendem indischen Hanf unangetastet bleibt, aber sein Verkehr und seine Verbreitung schärfstens überwacht und nach Gesichtspunkten des medizinalen Bedarfs geregelt werden.“ Das „englische Welthandelsmonopol“ könnte man „leicht dadurch gegenstandslos machen, daß man – ohne Schaden – bei den Hühneraugenmitteln Cannabis indica fortläßt.“

Die so ins Rollen gebrachte Diskussion über die Notwendigkeit eines Anbaus von Indischem Hanf in Deutschland fand ihre Fortsetzung in der Antwort von Sabalitschka (Klin. Wschr. 9.7.1926), in der er einen totalen Rückzieher machte und die Versuche nur noch aus einer Bedarfssituation heraus verteidigte: Es „bestand und besteht heute noch in Deutschland ein Bedarf nach Herba Cannabis Indicae und dem daraus bereiteten Extrakt, wenn dieser Bedarf auch nicht erheblich ist. Der Bedarf Deutschlands konnte in der Kriegs- und Nachkriegszeit nicht mehr durch Import gedeckt werden.““Es war somit wirtschaftlich angezeigt oder notwendig, die Erzeugung einer dem echten indischen Hanf nahekommenden Droge in Deutschland zu versuchen.“ „Selbstverständlich soll der Anbau sich nur in den Grenzen dieses Bedarfes halten, soweit nicht auch Ausfuhr möglich ist. Der Anbau muß auch so durchgeführt werden, daß er nicht zu einer Verwendung der Droge als Genußmittel in Deutschland führt.“ „Eine Popularisierung ist wegen der damit verbundenen Gefahr des Haschischismus und einer Überproduktion zu vermeiden.“ Und zaghaft: „Durch sachgemäße Kultur unter Kontrolle durch Pharmakologen und Chemiker erscheint es möglich, zu gleichmäßiger Droge und gleichmäßigen Präparaten zu kommen, wodurch die pharmakologischen und klinischen Versuche über die Wirkung dieser Pflanze und ihrer Inhaltsstoffe unterstützt würden. Von dem Ergebnis dieser Untersuchungen wird dann die Entscheidung abhängen, ob der indische Hanf weiterhin in der Therapie irgendwie verwendet werden oder ob er allgemein aus der Therapie und den Arzneibüchern verschwinden soll.“

Joel setzt in einer „Erwiderung“ noch einen drauf, indem er eine eigene Untersuchung vorlegt, die den Einsatz von Cannabis indica-Extrakt als lokalanästhetischen Zusatz bei der Behandlung von Hühneraugen, wie dies ein Mann namens Unna Ende des 19. Jahrhunderts empfohlen und eingeführt hatte, auf Grund einer mehrere Tage anhaltenden hautreizenden Wirkung sogar als kontraindiziert erscheinen läßt. „Man bemüht sich gegenwärtig vielfach, unnütze und verteuernde Ballastbestandteile aus der Therapie zu entfernen. Hier liegt ein geeigneter Fall vor. Wir brauchen weder Einfuhr noch Anbau von indischem Hanf und sollten froh sein, mit einem zwar wissenschaftlich interessanten, sonst aber ebenso überflüssigen wie gefährlichen Mittel nichts zu tun zu haben.“

Aber zurück zu den jahrelangen Anbauversuchen: Wie bereits erwähnt, begann man, als sich während und nach dem Ersten Weltkrieges Schwierigkeiten bei der Einfuhr von Herba Cannabis Indicae (Indischem Hanfkraut) ergaben, mit den besagten Versuchen, „in Deutschland indischen Hanf anzubauen und eine hochwertige Droge zu erzielen“. Der Versuchsstation in Happing war es „gelungen, die Samen der echten Cannabis indica „Gunjah“ nach Deutschland zu bringen, mit welchem die Versuche angestellt wurden. Bei der Selektion strebte die Versuchsstation nicht nur nach einer Pflanze von hohem Harzgehalt, sondern auch von einem typischen, von der gewöhnlichen Cannabis sativa möglichst verschiedenen Aussehen.“ Es war schließlich „tatsächlich eine typische Form erreicht worden; sie ist schwächer und graziöser als die gewöhnliche Form  und entspricht dem Habitus des indischen Hanfes. Sie unterscheidet sich von der gewöhnlichen Form noch charakteristisch durch die tiefdunkle Färbung der Stengel und Stiele…

Die Züchtung dieser Form bot den Vorteil, schon aus dem äußeren Habitus Rückschlüsse auf den Harzgehalt der Pflanze ziehen zu können, während man sonst den Harzgehalt nur aus der größeren oder kleineren Klebkraft der Pflanzen beim Anfassen schätzen kann.“ Es gelang auch den Harzgehalt des geernteten Hanfkrautes erheblich zu erhöhen. Liessen sich aus dem „Ersten Nachbau aus indischen Originalsamen“ im Jahre 1917 noch nur 8,7 % Extrakt gewinnen, waren es 1918 bereits 12,4 %, 1919 17,3 %, 1920 19,8 % und 1921 20 %. In den folgenden drei Jahren pendelte sich der Wert bei knapp 19 % ein. Es wird allerdings eingeräumt, daß es sich hierbei um Werte einer besonders guten hochwertigen Droge handle. „Für die durchschnittlich geerntete Droge lagen die Werte um 1-2 % niedriger.“ Zur Extraktion verwendete man 90 %igen  Alkohol. Das nach Verdampfung des Extraktionsmittels erhaltene Produkt würde man heute „Grasöl“ nennen. Interessant auch die Schlußfolgerung der Anbauversuche: „Daraus ergibt sich, daß auch in Deutschland die Gewinnung eines Hanfes mit hohem Harzgehalt möglich ist und daß der Harzgehalt weniger vom Klima abhängt, sondern vielmehr von der Hanfrasse. Der gewöhnliche Hanf erzeugt in Deutschland ebensowenig größere Harzmengen, wie in Indien.“ Damit erklärten sich auch die früheren gescheiterten Versuche aus dem gängigen Faserhanf ein psychoaktives Präparat zu gewinnen. Obendrein zeigte sich bei den Happinger Anbauversuchen noch, „daß der indische Hanf durchaus nicht so kälteempfindlich ist“. Dennoch sollte sich vor allem der Mythos, von der klimatischen Abhängigkeit der Hanfpotenz, von zahllosen Publikationen wiedergekäut, noch über Jahrzehnte halten, ganz im Sinne der Hanfprohibition, der eine unabhängige Selbstversorgung der Konsumenten durch einen einfachen und unproblematischen Anbau in Haus, Garten und weiter Flur natürlich ein Greuel ist, wie ja jüngst das absurde Hanfsamenverbot und die Hatz auf Homegrower deutlich belegen.

1920 kam das Deutsche Cannabis Indica-Kraut erstmals auf den Markt. Der Handel in Deutschland unterlag damals noch keinen Reglementierungen. Erst 1929 wurde der Indische Hanf durch Aufnahme in das internationalen Abmachungen von 1925 folgende Opiumgesetz verboten und verschwand aus dem freien Drogenhandel. Die Indische Ware wurde Mitte der Zwanziger Jahre teurer und schwerer erhältlich, und schließlich durch als weniger ergiebig geltendes Hanfkraut aus Zansibar (Ostafrika) verdrängt. (W. Wiechowski in Prag gewann mit Petroläther aus der Indischen Droge 20 %, aus der Afrikanischen 8 % und aus der Deutschen 5 % harzigen Extrakt, wobei hier nichts über den wahren Gehalt der damals noch unbekannten Wirkstoffe gesagt war. Arch. f. Exp. Path. u. Pharm. 119. Bd. 1927) So kostete beispielsweise bei dem Hamburger Drogen- und Chemikalienhändler „Krenzin & Seifert“ Indisches Hanfkraut 1924 noch pro Kilo 15 Mark. 100 Kilogramm waren für 1450 Mark zu haben. 1925 kostete es aber bereits 35 Mark pro Kilo. Die afrikanische Ware war dagegen für 12 Mark das Kilo erhältlich. Die Drogengroßhändler „Caesar und Loretz“ in Halle, die auch eigene Anbauversuche mit Cannabis indica unternahmen und sich der in Happing produzierten Ware annahmen, hielten diese „im allgemeinen noch für besser als die afrikanische, so daß man sich mit ihr als Ersatz für die nicht zu beschaffende, echte, indische voll begnügen könne.“

Um die psychoaktive Wirkung des oberbayrischen Hanfkrautes zu belegen, konnte man letztlich auf Menschenversuche nicht verzichten. Zunächst mußte ein starker Tabakraucher ran. Während die erste Pfeife mit 2 Kubikzentimeter Inhalt keine Wirkung zeigte, hatte er nach der zweiten Pfeife „ein merkwürdiges Gefühl von Frohsein, ohne es einer Berauschung vergleichen zu können. Es war ungefähr so, wie morgens 11 Uhr ein Glas guter Weißwein wirkt.“ „Eine dritte Pfeife erzeugte nach Ablauf von ungefähr einer Stunde Ermüdung und ich schlief häufig 4-5 Stunden länger als sonst.““Nachwehen des Hanfrauchens verspürte ich nie, obwohl ich schon in einer Woche viermal je drei bis vier Pfeifen rauchte. Der Rauch des Hanfes ist nicht angenehm und erzeugt im Anfang etwas Übelkeit.“

Mit soetwas und ein paar Versuchen an Kaninchen und Hunden konnten sich die Forscher nicht begnügen. So bildete das am Pharmakologischen Institut in München (Hermann Gayer, Arch. f. Exp. Path. u. Pharm., 129.Bd., 1928) mittels Petroläther zu 3 % aus dem „Herba Cannabis ind. Happings“ extrahierte Rohharz ab 1925 die Grundlage für Versuche am Menschen. Zum Vergleich wurde persisches Haschisch extrahiert, das einen Harzgehalt von 35 % aufwies. Das Happinger Harz erwies sich allerdings als gleichermaßen potent. Gayer stellte aus dem Extrakt Tabletten her und prüfte deren Wirkung zunächst „sowohl an mir selbst wie auch an mehreren Herren des Institutes, die sich freundlicherweise zu den Versuchen bereit erklärten. Dosen von 1 g Herba können als wirkungslos bezeichnet werden, auch bei 2 g Herba ist noch keine sichere Haschischwirkung zu bemerken, dagegen kann 3 g als bei allen sechs Versuchspersonen wirksam bezeichnet werden. Hier tritt nach etwa 1-2 Stunden jene oft beschriebene unüberwindliche lächerliche Heiterkeit ein, die anfallsweise sich wiederholt. Wehrlosigkeit gegen ideenflüchtige Assoziationen, aufmerksames Lesen ist nicht mehr möglich. In der 3. Stunde apathische Bewegungslosigkeit und Entschlußunfähigkeit, psychisch Halluzinationen und Illusionen, nach 5-6 Stunden übergroße Schläfrigkeit und Schlaf, aus dem man nach 2-4 Stunden in normalem Zustande aufwacht. Bei mehreren Versuchspersonen war auffallend ein in den ersten Stunden eintretender Heißhunger.“ „Dosen von 6 g Herba sind als sehr große zu bezeichnen, hier traten schon starke Rauscherscheinungen auf mit Exaltationen, so daß die Versuchspersonen unter dauernder Überwachung bleiben mußten.“

Von diesen Versuchen berichtete auch Professor Walther Straub („Bayerischer Haschisch“, M. Med. Wschr. 6.1.1928). Ihm zufolge bewirkten bereits 0,05 g des Extraktes oral eingenommen eine „charakteristische Ideenflucht“. „Eine sichere Haschischrauschwirkung“ wurde mit 0,1 Gramm, also entsprechend 3 Gramm des Krautes, erzielt. Es stellte sich ihm zufolge heraus, daß „die Gehirnwirkung, der Rausch nach Kulturherba“ „am Menschen der Qualität nach genau derselben Art“ ist „wie die „künstlichen Paradiese“ der Literatur über orientalischen Haschisch und am Mitteleuropäer wenigstens von derselben problematischen Güte.“ Die „Herren Dr. Kant und Dr. Krapf“, Assistenten der Psychiatrischen und Nervenklinik München wurden von Professor Straub schließlich gebeten, „eine methodische, psychopathologische Analyse der Haschischwirkung“, die „nur vom Fachmann geliefert werden“ könne, beizubringen. Die beiden unterzogen sich daraufhin heroischen Selbstversuchen (Arch, f. Exp. Path. u. Pharm. 129.Bd., 1928) mit dem „Bayerischen Haschisch“. „Der Selbstversuch mit Rauschgiften ist für den Psychiater deshalb von besonderer Bedeutung, weil er ihm am unmittelbarsten das Studium krankhafter seelischer Zustände ermöglicht.“ „Wir sind daher gern der Anregung von Prof. W. Straub gefolgt, die Wirkung von Haschisch am Menschen zu studieren, und haben aus den oben dargelegten Gründen die Form des Selbstversuches gewählt.“ Dabei wurden Dosen eingenommen, die 3 Gramm, 6 Gramm und 9 Gramm des Krautes entsprachen. Auch hier zeigte sich „daß der europäische Kulturhaschisch denselben Rausch erzeugen kann, den im Osten Millionen von Menschen als einzigen narkotischen Genuß des Daseins kennen, pflegen und schätzen.“ Der in Tablettenform eingenommene Extrakt hatte jedoch einen großen Nachteil: Da er nicht in Wasser löslich war, dauerte es Stunden, bis er seine volle Wirkung entfalten konnte und „das einigermaßen begehrenswerte Stadium des euphorischen Rausches eintrat, länger als ein beschäftigter Mitteleuropäer auf einen Genuß warten könnte.“ Mit einer massenhaften Verbreitung des Haschischkonsums in deutschen Landen infolge des Bayrischen Eigenanbaus rechnete Straub nicht. „In den Schilderungen der Europäer über ihren jeweiligen Haschischrausch ist eigentlich nichts enthalten, was so sehr begehrenswert erscheint, und wohl für alle Selbstversucher ist der Haschischrausch nur Episode geblieben.“

Eine interessante Anekdote handelt noch von einer Versuchsperson, die „ohne es zu wissen, eine leere Tablette bekam“ und sich wunderte, „daß die erwartete und bekannte Wirkung nicht auftrat.“ Sie wurde nun „aufgeklärt, daß nur ein Scheinversuch gemacht wurde“. Sie „billigte dies vom wissenschaftlichen Standpunkt völlig und bekam dann die Haschischtablette. Die nunmehrige Haschischwirkung stand nun völlig unter dem nachträglich aufgetretenen Aerger über die Täuschung mit der leeren Tablette, der Aerger steigerte sich bis zur Aggressivität, die Versuchsperson wurde direkt gefährlich!“ Aber war ja auch ne Gemeinheit!;)

Bemühungen , die „mit kleinen Dosen erzielbare Euphorie“ zu nutzen, um „vielleicht einen depressiven Melancholiker vergnügt“ zu „machen“ wurden „mit dem bayerischen Haschisch in Angriff genommen“, seien „aber noch nicht spruchreif.“

Kant verabreichte das „Bayerische Haschisch“ später auch noch einigen seiner Patientinnen, um deren Reaktionen zu beobachten (Arch. f. Psych. u. N, Bd.91, 1930). „Wir gaben in der Hälfte der Fälle die wirksamen Bestandteile von 6 g, in der anderen Hälfte von 9 g Herba cannabis indica. Unsere Versuchspersonen waren 9 manisch-depressive und 10 schizophrene Frauen, außerhalb einer Phase bzw. Schubes, jedenfalls frei von akuten psychotischen Erscheinungen.“ Man wollte mal sehen, welche Symptome sich durch die „exogene Noxe“ Haschisch auslösen lassen.

Und schliesslich geriet die ganze kuriose wissenschaftliche Episode in Folge des Opiumgesetzes von 1929 in Vergessenheit. Es war einmal in Bavaria…

Von Jörg Auf dem Hövel

Jörg Auf dem Hövel (* 7. Dezember 1965) ist Politikwissenschaftler und arbeitet als freier Journalist u. a. für die Telepolis, den Spiegel und Der Freitag.

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