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Interview mit Charles Grob

Interview, Charles Grob, MDMA, Psilocybin, Ayahuasca /

HanfBlatt Nr. 102

Halluzinogene und höhere Weisheit

Interview mit dem Psychiater Charles S. Grob

adh/az

Charles S. Grob ist Professor für Psychiatrie und Kinderheilkunde am Harbor-UCLA Medical Center in Los Angeles. Er gehört zu den wenigen Wissenschaftlern, die in den letzten Jahren in den USA die Wirkungen empathogener und entheogener Substanzen an Freiwilligen legal beforschen durften. In seinem Falle waren dies MDMA, volkstümlich als „Ecstasy“ bekannt, und Psilocybin, dem Wirkstoff der sogenannten „Zauberpilze“. In Brasilien untersuchte er die Rolle des halluzinogen Pflanzencocktails Ayahuasca als Sakrament in der Religionsgemeinschaft UDV (Uniao do Vegetal). Dabei handelt es sich um eine der drei Gruppen, denen dort der Gebrauch von Ayahuasca erlaubt ist.

Grob hat neben diversen wissenschaftlichen Aufsätzen zwei Bücher („Hallucinogens“ und „Higher Wisdom“) herausgebracht, in denen er wichtige Schriften bedeutender Persönlichkeiten zur Thematik und Problematik der Halluzinogene (Psychedelika bzw. Entheogene) und Empathogene (Entaktogene) versammelt. Wir interviewten ihn auf dem LSD-Symposium anläßlich des 100sten Geburtstages von Albert Hofmann in Basel. Grob ist als Interviewpartner heiß begehrt, gleichwohl nimmt er sich viel Zeit für uns.

Charles Grob Hb: Professor Grob, welche Art von Studien haben Sie mit MDMA durchgeführt?

Charles S. Grob: Ich führte in den Jahren 1994 und 1995 mit 18 normalen Freiwilligen eine Sicherheitsstudie durch. Wir beobachteten die psychischen und physiologischen Reaktionen und machten einige Gehirnscans vor und nach Einnahme von MDMA. Das war unsere einzige Studie mit MDMA. Danach führten wir eine Studie mit Ayahuasca und eine weitere mit Psilocybin durch. Dabei darf man nicht vergessen, dass diese beiden Studien sehr unterschiedlich waren.

Hb: Was war der Grund dafür, von MDMA zum Psilocybin zu wechseln?

CG: Wir hatten mehrere Jahre gebraucht, bis man uns erlaubte, an gesunden Freiwilligen die Studie mit MDMA durchzuführen. Zu dem Zeitpunkt als wir schließlich die Erlaubnis für eine weitere Studie mit Krebspatienten im fortgeschrittenen Stadium beantragten, war das Thema MDMA mittlerweile sehr dramatisiert worden. Auch der Freizeitgebrauch von „Ecstasy“ unter Jugendlichen in den U.S.A. hatte sich weiter verbreitet. Die Neurotoxizitäts-Problematik war stark politisiert worden. Aus diesem Grunde, und weil wir der Auffassung waren, dass Psilocybin bei Patienten mit schweren Erkrankungen physiologisch sanfter und sicherer als MDMA sein würde, beschlossen wir unseren Antrag von MDMA auf Psilocybin umzustellen.

Hb: Haben Sie sich über die Neurotoxizitäts-Diskussion auf dem Laufenden gehalten?

CG: Ja. Die Neurotoxizitäts-Thematik wurde verfälscht durch sehr schwache Methoden, statistische Fehler, Manipulationen der Daten und Schlussfolgerungen, die nicht berechtigt waren. Die umstrittene Studie von George Ricaurte weist eine Reihe von Fehlern auf.

Hb: Gibt es in der wissenschaftlichen Gemeinschaft eine Diskussion der Ergebnisse von Rainer Thomasius, der in Deutschland für seine „Ecstasy“-Studien bekannt ist?

CG: Sie sagen, dass er dasselbe macht, was George Ricaurte getan hat: Manipulieren der Daten. Einige Wissenschaftler suchen nach negativen Daten, weil sie auf diese Weise finanziert werden.

Hb: Wie hoch sind die Psilocybin-Dosen, die Sie in ihrer Studie verwenden? Und welches psychotherapeutische Modell verwenden Sie?

CG: Wir erhielten die Erlaubnis für eine maßvolle Dosis von 0,2 mg pro Kilogramm Körpergewicht (entsprechend einer Dosis von 14 mg bei einer 70 kg-Person). Später hoffe ich auf bis zu 0,3 mg (entsprechend 21 mg bei einer 70 kg-Person) steigen zu können. Zur Vorbereitung klären wir die Patienten über die Studie auf. Wir kennen sie, und sie kennen uns. Die Sitzung selbst basiert auf dem Modell von Stanislav Grof, im Wesentlichen heißt das einfach den Patienten durch die Erfahrung zu geleiten. Sie legen sich hin und setzen Augenklappen und an einen CD-Spieler angeschlossene Kopfhörer auf. Ich halte sie dazu an, tief in die Erfahrung einzusteigen. Stündlich schalte ich mich ein, kontrolliere den Blutdruck und frage nach, wie es ihnen geht. Einige Leute möchten sich aufrichten und über die Erfahrung sprechen, aber nach einer Weile rege ich sie dazu an, sich wieder hinzulegen. Nach der Sitzung ist reichlich Zeit zum Reden vorhanden.

Hb: So ist es immer noch die nun mehr fast 40 Jahre alte Arbeit von Grof, die den Psychedelika einsetzenden Therapeuten als Anleitung dient?

CG: Ja, er schrieb und lehrte effektiver als irgend jemand sonst, der mir bekannt ist.

Hb: Sie haben die UDV (Uniao do Vegetal) in Brasilien untersucht, eine von drei religiösen Gemeinschaften, denen es erlaubt ist, das DMT-haltige Ayahuasca als sakramentale Droge zu nutzen.

CG: Ja, und ich war überrascht, wie gut sich die Menschen dort entwickeln. Ihre psychologischen Testergebnisse waren sehr gut. Tatsächlich schnitten sie in bestimmten Kategorien besser ab als die Kontrollgruppe. Ihre Persönlichkeitsstrukturen sahen sehr gesund aus. Einige von ihnen hatten in ihrer Vergangenheit verschiedene Pathologien gehabt, wie Alkoholismus, Drogenabhängigkeit, schwere Stimmungsregulationsstörungen, und der aktuelle Befund war ziemlich gesund. Und all diese Konditionen scheinen in Remission zu bleiben. Ich würde gerne eine Studie machen, die den Gebrauch von Ayahuasca in der Behandlung von Alkoholikern und Drogenabhängigen analysiert.

Hb: Glauben Sie, dass die Methoden der UDV ein Beispiel für den vernünftigen Umgang mit Entheogenen sein können?

CG: Einige Aspekte dieser religiösen Gruppe sind ziemlich einzigartig für Brasilien. Für die brasilianische Kultur funktioniert sie sehr, sehr gut. Es gibt Bestrebungen, sie in die U.S.A. zu verpflanzen, und es ist hier kontroverser, aber ich glaube, dass am Ende zählt, was dabei rauskommt. Viele der Menschen verändern ihr Leben in einer positiven Richtung. In unserer Kultur besteht ein großes Potential darin zu untersuchen, wie sie religiöse Strukturen, die psychoaktive Sakramente benutzen, inkorporieren kann. Man braucht einen rituellen Kontext um gute Ergebnisse zu erhalten. Die Bestandteile des Ayahuascas allein dürften nicht genügen. Mehr als jedes andere Psychedelikum ist Ayahuasca Gruppenarbeits-Medizin.

Hb: Wie weit sollte man im Gebrauch von Psychedelika oder Entheogenen gehen? Sind sie für unsere Gesellschaft wirklich notwendig?

CG: Unsere Kulturen sind in sozialer, ökonomischer und ökologischer Hinsicht in einer großen Krise. Schreckliche Kriege finden statt, wir leben in einer sehr problembelasteten Welt. Psychedelika bieten das Potential etwas Klarheit zu bringen und den Heilungsprozess zu fördern. Sie haben das Potential in der Zukunft eine wichtige Rolle dabei zu spielen, uns wieder an die planetarischen Wurzeln zu führen, die seit Jahrhunderten beschädigt werden. Diese Arbeit ist anstrengend, aber eine Grundlage für die Generationen, die nach uns kommen. Für dieses Potential akzeptierende, offene, legal geschützte Bedingungen zu schaffen ist wichtig. Vielleicht bietet da das schamanische Modell eine gute Grundlage für die Psychedelika.

Hb: Das schamanische Modell und das rituelle Modell von Gruppen wie der UDV hängt von der Verantwortlichkeit ihres Führers oder ihrer Führer ab.

CG: Ja, das ist ein Problem. Seine Ethik muss auf dem höchsten Niveau sein. Da besteht immer ein Risiko für die Menschen, sich selbst als allwissendende, allweise Gurus aufzuspielen, die ihre Patienten und Anhänger missbrauchen und erniedrigen. Im Regenwald Südamerikas sind eine Menge verrufener Ayahuasceros nur des Geldes wegen bei der Sache. Und in der westlichen Gesellschaft wird das Problem auf Grund der Versuchungen der modernen Kultur noch schlimmer werden.

Hb: Sie haben gerade ein Buch herausgebracht mit dem Titel „Higher Wisdom. Eminent Elders Explore the Continuing Impact of Psychedelics“. Was können die Alten den psychedelischen Greenhorns lehren?

CG: Erstens haben die Altvorderen der psychedelischen Bewegung großartige Geschichten zu erzählen, weil sie Pioniere in einer faszinierenden Zeit der Geschichte waren. Zweitens müssen die Menschen von einer Generation zur Nächsten nicht das Rad neu erfinden. Jeder sollte von den Lektionen der Vergangenheit lernen. Das ist ein Problem unserer Kultur, dass man die Lektionen der Vergangenheit vergisst und die gleichen Fehler in der Zukunft wiederholt.

Hb: Was uns zu den Fehlern der Sechziger führt.

CG: Sicher gab es da Fehler. Ziemlich wild, ziemlich außer Kontrolle. Bemühungen sichere geschützte Strukturen zu schaffen scheiterten, teilweise, weil die Kultur dafür nicht bereit war. Dinge wurden abgedreht und entglitten. Es gab Fälle, in denen unvorbereitete Leute sehr machtvolle Drogen in unangemessenen Kontexten einnahmen, ohne Menschen, die sie unterstützten, vielleicht auch noch gemischt mit Alkohol oder anderen Drogen. Die Leute verstanden nicht wirklich, die Erfahrung zu schützen. Sie betrachteten sie als Freizeitdrogen, was LSD und andere Psychedelika nicht sind. Es handelt sich dabei um mächtige therapeutische Hilfsmittel, mächtige transformierende Werkzeuge, mächtige Förderer religiöser Erfahrungen.

Hb: Ist Timothy Leary noch ein kultureller Held für Sie?

CG: Für mich persönlich? Nun ja, er ist eine faszinierende Figur. Ich traf ihn bei verschiedenen Gelegenheiten und war von seiner Intelligenz und seinem Sinn für Humor beeindruckt. Und er artikulierte sehr früh das Konzept von Set und Setting. Aber Tim Leary hatte auch ein enormes Bedürfnis im Licht der Öffentlichkeit zu stehen, Aufmerksamkeit zu bekommen. Obendrein war er ein Provokateur und hatte eine Abneigung gegenüber dem Establishment. Das verschreckte vielleicht unnötigerweise Teile der Kultur, die potentielle Verbündete hätten sein können. Er wollte alles so schnell wie möglich und für alle Menschen. Unabhängig davon, wenn nicht Tim Leary, dann hätte jemand anderes diese Rolle eingenommen. Er ist eine tragische Figur.

Hb: Aldous Huxley bevorzugte es anders rum.

CG: Ja, sein Konzept war es, diese Drogen ruhig und langsam den Führenden der Gesellschaft nahe zu bringen, dann würden die positiven Auswirkungen nach unten durchrieseln. Leary war der Auffassung, jeder sollte diese Erfahrung haben.

Hb: Wie würden Sie das definieren, was man die „psychedelische Bewegung“ nennt?

CG: Es gibt junge und alte Menschen, die sich stark mit der Gegenkultur der Sechziger identifizieren oder den Erfahrungen, die sie mit Psychedelika machten. Aus ihrer Perspektive ist es notwendig zusammen zu halten und so etwas wie eine Gemeinschaft mit analogen Werten zu bilden. Die psychedelischen Gemeinschaften der Sechziger sind nicht ausgestorben, und die Rave- und Techno-Szene ist auch ein Spross der psychedelischen Bewegung.

Von Jörg Auf dem Hövel

Jörg Auf dem Hövel (* 7. Dezember 1965) ist Politikwissenschaftler und arbeitet als freier Journalist u. a. für die Telepolis, den Spiegel und Der Freitag.

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