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Eine satyrische Bilanz zur hundertsten Ausgabe des Magazin „Hanfblatt“

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In Opium-Nebeln und Bilsenkraut-Gewittern

Eine satyrische Bilanz zur hundertsten Ausgabe des Magazin „Hanfblatt“

Man bat mich, eine Bilanz zu ziehen. Dafür musste ich erst einmal in die finstren Wälder fliehen, raus aus dem Reich der Ratio, der Illusionen, Täuschungen und Trugschlüsse. Nun umweht Palo Santo-Duft mein welkes Haupt, das die Bruchstücke vergangener Träume zusammenklaubt. Der Wahrsagesalbei, Salvia divinorum, war im Ansatz großartig und versprach mehr: Da kommt noch was, am Besten die Reinsubstanz. Für die Einen dann ein Segen, für die Anderen die neueste „Horrordroge“ auf dem schier endlosen Highway to Hell, ein Grund mal wieder per Anhalter durch die Galaxis zu reisen.

Jenen an der chemischen Front möcht ich, auch, wenn sie mich nicht fragen, sagen: 1,4-Butandiol ist das wahre „Liquid Ecstasy“! Die offiziellen Kandidaten GHB (Natrium- oder Kalium-Gamma-Hydroxy-Butyrat) und GBL (Gamma-Butyro-Lacton), das sind nur Schattenkämpfe, Scheingefechte für die ewigen Prohibitionisten in ihren geistigen Zwangsjacken. Alkohol ist ein schlechter Witz dagegen. Nur noch etwas für Kontrollfreaks. Hier kommt eine Industriechemikalie, integraler Bestandteil eines allgemeinen Deliriums, eines Taumels um eine friedliche Gang-Bang-Party herum, die Droge zum Ringelpietz mit Anfassen. Von der darf man Niemandem erzählen, weil sonst Alle nur noch Willy wählen. Und von den Ketamin-Pforten, da sollst Du schweigen an vielen Orten. Rede dort lieber über Kirsch-Sahne-Torten.

Ayahuasca-Analoge, die sind wirklich heilig. Über die werde ich keine dummen Witze reißen, auch wenn man selbst auf Ayahuasca reichlich seinen Spaß haben kann. Alles so schön bunt hier, und das da unten, der Elfenmaschinen-Gesangsverein, der mir da so freundlich zuzwinkert, und die rosanen Delphine, die dort um die Wette kopulieren, das kann man durchaus kapieren: Das bin ja ich! Das ist ja mein Programm! Das ist mein La Pura Vida. Das ist mein Leben, und ich bin der Lebenslauf. Mann, ab sofort bin ich einfach nur noch gut drauf, mit ein bisschen Respekt für meine mich und Dich liebenden Freunde.

Ginseng ist ein Freund unter Freunden. Betel ist eine Option, die dich frech anlacht, eine Hand, die Dich hebt wie die von King Kong und sanft wieder am Boden absetzt, vollkommen unzerfetzt und natürlich unverletzt. Channa, Kratom und Pituri, am Abend dann noch Besuch von Huri. Nein, keine Angst, so schnell wird es da schon keine Meute von Friedensaposteln zu bunt treiben. Dem kann man gelassen ins Auge sehen.

Der prächtige relativ schnell wachsende Säulenkaktus San Pedro, ein mühseliges Unterfangen, sich den göttlichen Phallus einzuverleiben, das die Spreu vom Weizen trennt. Hot Stuff for Lovers. Mehr davon später, sprach der Attentäter. Peyote, replant the desert with the sacred dessert. Packe die Gelegenheit am Schopfe und beobachte den Kopfe beim Blühen und schau ihm dabei zu, wie sich seine prallen rosanen Früchte mit den niedlichen kleinen schwarzen Samen zur Reife entwickeln. Synthetischer Geheimtip aus dem Shulgin´schen -IHKAL-Universum: 4-Acetoxy-DIPT, die schmelzige Liebesdroge ohne großen Ego-Verlust: I love to love every body and my body feels so sexy! Argyreia nervosa, was für eine Pflanze! Hast Du Dir mal die Stämme angesehen, wie sie sich in den Bungalowanlagen von Koh Chang an den Wänden hochwinden? Das ist die pure Windenpower. Da müsste manche Ayahuasca-Liane vor Neid erblassen, zumindest ein wenig beim Fluoreszeieren nachlassen, wenn sie nicht zugegebenermaßen begründeterweise so verdammt stolz wäre.

Was schreibe ich mir hier wieder zusammen?! Das drucken die doch nie, diese liebenswerten Schisser. Gut, dass meine Leser, diese Tollen, gerne auch mal etwas von meiner anarchischen künstlerischen Arbeit lesen wollen. Das zeigt mir doch, dass es noch immer reichlich aufgeschlossene Menschen gibt, die nicht bereit sind, den Status quo von Ungerechtigkeit und Gewalt, die mangelnde Bereitschaft, Verantwortung für das Leben zu übernehmen, als für immer und ewig gegeben hinzunehmen. Und die sich keineswegs öffentlich für ihr tragi-komisches Dasein als hoffnungslose Romantiker vom Kaliber einer Anhäufung lokaler Geniusse a la Rammstein und Konsorten oder etwa ihre Zwiesprache mit den Pflanzengeistern schämen, in meinen Augen ein wahrhaft fürstliches Benehmen.

Und ewig lockt das Opium den Musterbürger, das ideale Sakrament für die Zeit des Wartens auf den Aufschwung. Bis zum großen Wunder, den grandiosen Ideen für neuen Plunder, bringen wir uns in Schwung mit Opium aus heimischem Mohn, mit dem wir die Ostzone neu begrünen, paradiesische Landschaften. Danke dem unverzichtbaren Hauptbestandteil eines jeden Original-Ostzonensuppenwürfels. Wer dann um halb Acht abends noch aufrecht steht, der kriegt ne Flasche Fliegenpilz-Met. Überhaupt ist die Zeit reif für den Glücks- und Duselpilz, die Berserker-Disco-Coolness, den Marathon in Strapsen und High-Heels. Going deeper to the ground mit unterirdischem Sound. Immer wieder beugen sich über mich die Schatten der Nacht, was habt ihr mit mir gemacht, habt mich ausgelacht, unter der Erde zu Bett gebracht, machtet mich heilig, weil nur mehr drollig und nicht überzeugend rollig in einer lauen November-Vollmond-Nacht. Hört ihr die Engelstrompeten von ALDI?! Wie sie schallen, wie sie wallen, wenn wir aus unseren Kinderzimmern in den zugefrorenen Pool vor der Prunkvilla unserer Eltern knallen, in Wirklichkeit aber nur unterm Bett in eine Art Totenstarre verfallen und von blauen Kühen und totaler Freiheit lallen. Der Kahlkopf ist mit Euch! Sowieso. Dazu brauch ich wohl nichts mehr zu sagen.

Wenn Einer den allergrößten Respekt verdient, dann der Spitzkegelige! Die Bauern müssten verpflichtet werden, seinen Bestand zu pflegen, zu hegen und zu vermehren, so dass es einmal heißen kann: Das größte Lebewesen der Welt ist ein Pilz: Psilocybe semilanceata! Sein Mycel heißt Germany. Auf seiner Oberfläche leben eigenartige parasitäre Wesen, die sich ausschließlich vom Mycel ernähren und nach jedem Bissen Freudensprünge in die Luft machen und dabei so komisch kiechern, als hätten sie tagelang nur Christian Rätsch gelesen. Dafür hab ich nen Riecher. Das war auch mal so eine Macke: Sie sind doch jetzt son Experte, nun gebn se mal ne Prognose ab: Wie wird das so in der Zukunft? Was pfeifen wir uns da rein? Sie müssen es doch wissen! Wenn nicht Sie, wer dann?! Da nützt auch kein, ach hab keine Philosophie und auch keine Juristerei studiert, hab die ökonomischen Zusammenhänge nur beim Lesen von Max Stirner kapiert. Da nützt kein Fluchen und kein Schreien, Bilanzen und Zukunftsprognosen, das muss jetzt nun mal sein. Der Spökenkieker sagt Dir nur ein Wort: Speed! Was, die olle Kamelle? Die macht doch nur schnelle und täuscht dir vor, du seist besonders helle! Dabei bist du einfach nur wach, und dein Spirit sagte dir ohnehin schon vor langer Zeit „Gute Nacht, ich muss erst einmal eine Runde puffeln“. Ephedra ist da die harmlose Lösung und Kokatee eine glorreiche Alternative zur Nervosität des Grünen Tees, wenn man ihn ganz allein für sich trinkt, dann kann man sie erschauen, die Grüne Fee, wie sie kokabekränzt vom Schloss Neuschwanstein winkt.

Kath-Gebrauch zu kriminalisieren war rassistisch. Wir sollten es eigentlich besser wissen und Niemandem sein geliebtes Genußmittel verbieten. Jeden Tag immer Koffein, Nikotin, Alkohol und vom Onkel Doktor Benzos und Tramal, das ist für freie Menschen keine vernünftige Wahl. Das ist eine traurige Kombination. Kein Wunder, dass alle nur jammern und so fürchterlich depressiv sind. Vielleicht sollte man es mal aus einer anderen Perspektive betrachten, alles nicht so verbissen. Wir sind hier, um uns gegenseitig das Leben so angenehm wie möglich zu gestalten. Das Gegenteil ist glatt gelogen. Man wittert geradezu Südsee-Idyllen aus prä-missionarischer Zeit. Gestern hoams die Kawa verboten, diese Vollidioten. Wer an Kawa krepiert, der hat in seinem Leben wirklich schon alles ausprobiert, um zu vermeiden, dass er einmal in einem Anfall der Selbsterkenntnis vor Einsamkeit und Ehrfurcht friert, oder eben Pech gehabt, kann vorkommen. Das ätherische Muskatnußöl und Krähenaugen, das sind definitv Ressourcen für Notzeiten oder Zeiten der langsamen Gangart. Welcher Wahnsinnige will dies Alles im Zeitalter der Internet-Aufklärung verbieten? Kein Lebewesen ist illegal! Ihr Narren an der Macht, kümmert Euch lieber um die Menschen, die auch gerne bei der Konsumorgie dabei wären, aber draußen bleiben müssen, weil sie über den Stacheldraht nicht rüber und an den Bluthunden nicht vorbei kommen. Die beschränkte Sichtweise zu überwinden und wenigstens für Augenblicke bewußt zu werden, darum geht es, nicht um den Nebel der Betäubung. Es geht um die Kontraste, um Reisen zum Baum der Erkenntnis inklusive Verkostung und feuchten Küssen von den Lippen der Brillenschlange. Im Weinen liegt Wahrheit, im Wein allein ist sie nicht mehr drin. Alles andere wäre Etikettenschwindel.

Aber der Hanf hat gesiegt. Heute manipuliert er auf Wunsch gerne die Gene. Anbauwissen ist praktisch Allgemeingut geworden. Damit kann man sich überall auf diesem Planeten selbst versorgen, ob im U-Boot in internationalen Gewässern, in Polarstationen oder im Seitenflügel des Space-Labs neben der MDMA-Tabletten-Presse. MDMA ist das Spirit-Molekül, das seinen Missbrauch mit Bad Vibrations und Visionen von Lochfraß bestraft und den respektvollen Umgang mit göttlicher Gnade und Wellen verliebter Dankbarkeit belohnt. Und Kokain, das ist viel heiße Luft in Dosen, ja, ja, du gehörst zu den ganz, ganz Großen – Maulhelden. Und das Mutterkorn breitet sich immer weiter aus, oh dieser Klimawandel, all diese Feuchtigkeit und die geilen neuen Roggenhybriden der Globalisierungsfanatiker und da drüben in den Brachen bei den verfraggelten Öko-Bauern, da kann man Urlaub machen und als himmlische Sporen auf günstige Gelegenheiten lauern. 100stes Hanfblatt und 100 Jahre Albert Hofmann, das ist mehr als nur Zufall. Das war von Anfang an geplant. Der Chemiker gehört aufs Titelblatt, mit Sprechblase und Schlagzeile: Albert zum 100sten Geburtstag fordert: „Legalize it! Fools, please, don´t critizise it!“ In diesem Sinne blühen die Gedanken, denn die sind frei, und gedeiht es, das neue Zeitalter, das Zeitalter nach Jetzt, bevölkert von illustren Gestalten, die sich weigern ständig, die Luft anzuhalten. Aber, das ist doch Humbug – das ist doch fiktiv?! Na, dann werd doch aktiv!

 

 

Von Jörg Auf dem Hövel

Jörg Auf dem Hövel (* 7. Dezember 1965) ist Politikwissenschaftler und arbeitet als freier Journalist u. a. für die Telepolis, den Spiegel und Der Freitag.

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