Das sanfte Aphrodisiakum
Damiana. Allein der Name klingt schon nach zärtlicher Verführung, läßt Herzen höher schlagen. Der Tee zur liebevollen Vereinigung, der Likör der leidenschaftlichen Eroberung. Herr Doktor, bei mir hat sich aber nichts geregt. Im Bereich der Aphrodisiaka bewegt man sich schnell auf dem Glatteis. Nichts ist von so vielen Faktoren abhängig wie die Entfaltung der Sexualität. Meist denkt man bei Aphrodisiaka an Mittel, die praktisch automatisch eine dauerhafte Erektion erzeugen, mach mir den Hengst, oder aber instantmäßig den Geschlechtspartner willfährig machen sollen. Dem liegt wohl ein Mißverständnis zugrunde. So simpel wirken Aphrodisiaka in der Regel nicht. Erotik, sexuelles Erleben ist immer ans Gehirn gekoppelt. Deshalb können die stark psychoaktiven Substanzen auch die intensivste Steigerung der erotischen, sexuellen und sinnlichen Empfindungen induzieren. Der Absturz liegt dabei aber bisweilen nicht allzuweit entfernt, dann nämlich, wenn sich eigene innere und zwischenmenschliche Abgründe auftuen.
Bei gelegentlichem Damianakonsum gesunder Menschen geht es mehr um subtile Wirkungen auf den Eros, die man empfinden mag oder auch nicht. Ähnlich verhält es sich mit seinen nur schwach psychoaktiven Wirkungen. Der moderate Konsum von Damiana ist aber auch vergleichsweise unbedenklich. Regelmässig genossen soll es besonders bei bestehenden Funktionsschwächen und bestimmten Krankheiten, die sich negativ auf Potenz und Libido auswirken, der Gesundung förderlich sein und einen allgemein kräftigenden Effekt entfalten.
Damiana, botanisch Turnera diffusa (früher auch Turnera aphrodisiaca genannt), ist ein meist kleinbleibender gelbblühender Strauch, der in den trockenen warmen Regionen Amerikas vom Süden der USA, insbesondere Texas und Südkalifornien, über Mexiko, insbesondere Nordmexiko und Baja California, bis nach Südamerika verbreitet ist. Verwandte Turnera-Arten gedeihen übrigens sowohl in der Karibik und in Südamerika als auch in den tropischen Zonen Asiens und werden teilweise ähnlich wie Damiana genutzt. Hauptanbauland für Damiana ist Mexiko, wo es zudem reichlich von Wildbeständen gesammelt wird. Kurioserweise lautet dort die gängige Bezeichnung für das „echte“ (Turnera diffusa-)Damiana-Kraut „Damiana de California“. (Damiana werden in Mexiko nämlich auch noch andere ähnlich genutzte Kräuter genannt.)
Die kleinen gezackten Blätter werden getrocknet und galten schon bei den amerikanischen Ureinwohnern als Aphrodisiakum und wichtiges Heilmittel gegen asthmatische Beschwerden und Atemwegserkrankungen. Es wird außerdem zur Appetitsteigerung, zur Linderung von Rheuma und Migränekopfschmerzen, zur Entspannung bei Menstruationsbeschwerden, gegen Bauchschmerzen, Durchfall und Harnwegsleiden, bei Nervosität, als Kräftigungsmittel bei Schwächezuständen, sowie als mildes Hirntonikum, besonders im Alter, eingesetzt.
Bei uns kann man das aromatische getrocknete Damianakraut mit seinen vielen kleinen holzigen Zweigchen günstig im Kräuterhandel erwerben. Man sollte aber unbedingt darauf achten, daß es sich um das „echte“ Damianakraut, sprich Turnera diffusa, handelt. Auch andere Kräuter werden bisweilen als Damiana verkauft.
Wenn man etwa einen Teelöffel des Krautes pro Becher nimmt, mit siedendem Wasser überbrüht und vor dem Abseihen etwa fünf bis zehn Minuten ziehen läßt, läßt sich daraus ein ganz passabler aromatischer Alltagstee zubereiten, der mit Honig gesüßt noch besser schmeckt. Davon kann man täglich, besonders in den Abendstunden, ein paar Tassen trinken. Wer allerdings schnell spürbare Wirkungen erwartet, muß höher dosieren, was dem Geschmack des entstehenden Gebräus nicht unbedingt zugute kommt. Ein bis zwei gehäufte Eßlöffel oder etwa fünf Gramm Damiana dürften die Minimaldosis darstellen. Der Teeextrakt soll noch stärker (und vermutlich bitterer) werden, wenn man ihn durch bis zu einstündiges Auskochen zubereitet. Wer sensibel genug ist, wird eine leicht erhöhte Körperlichkeit und Sinnlichkeit empfinden. Besonders Frauen sollen sich etwa eine Stunde nach dem Genuß bisweilen entspannter und sexualisierter fühlen können. Alkoholische Extrakte gelten als wirkungsvoller. In Mexiko gibt es mit Damiana aromatisierte Liköre mit entsprechend verführerischem Image. Ein alkoholischer Auszug läßt sich einfach herstellen, indem man 30 bis 50 Gramm der Blätter mit etwa einem halben Liter Wodka übergießt und knapp eine Woche, nicht direkt in der Sonne, ziehen läßt, gelegentlich umschüttelt und den entstandenen alkoholischen Extrakt schließlich abfiltriert. Zur Likörherstellung wird das zurückgebliebene Damianakraut nochmal mit etwa 350 ml Wasser übergossen und ein paar weitere Tage ziehen gelassen, bevor man abfiltert. Die beiden Extrakte werden miteinander vermengt und eine halbe bis eine Tasse Honig, notfalls unter vorsichtigem Erwärmen, darin gelöst. Den entstandenen Likör läßt man, damit sich ein abgerundeter Geschmack bildet, mindestens ein paar Wochen, wenn nicht gar Monate, an einem dun klen Ort stehen.
Welche Stoffe für die Damianawirkung verantwortlich sind, ist noch nicht ganz klar. Ätherisches Öl, reichlich Harz, der Bitterstoff Damianin und die Gerbsäure Tannin gehören zu den bekannten Inhaltsstoffen. In den Stengeln soll gar Coffein nachgewiesen worden sein.
Damiana wirkt harntreibend. Zuviel kann möglicherweise leicht reizend auf die Harnwege und übelkeitserregend wirken. Wer Leberprobleme hat, sollte sich in Sachen Damiana zurückhalten. Vor hochdosiertem Dauergebrauch wird gewarnt.
Eine gewisse Berühmtheit hat das Rauchen von Damiana als „Legal High“ erlangt, zum Beispiel in einer Wasserpfeife beim Trinken des Tees. Möglicherweise entwickeln die Harze dabei eine psychoaktive Wirkung. Damiana gehört auf jeden Fall zur Garde der zahlreichen Kräuter, die geraucht einen mehr oder weniger starken „Effekt“ haben, ohne auch nur entfernt an so kräftig psychoaktiv wirksame Rau(s)chkräuter wie den Rauschhanf oder den Stechapfel zu erinnern. Aber wohl auch auf Grund seines exotischen und aphrodisischen Images und des wohlklingenden Namens findet sich Damiana in zahlreichen Kräutermischungen, die als rauchbare Marijuanaalternativen vermarktet wurden und werden. Zweifellos läßt es sich als nikotinfreie Grundlage für einen sinnlichen Kräuterjoint einsetzen. Ob einem der spezifische Geschmack des recht teerigen Rauches zusagt, muß man selbst entscheiden.
Zum Abschluß möchte ich einen männlichen Damiana-Probierer zu Wort kommen lassen:
„Bei einem bitteren Tee aus zwanzig Gramm Damianablättern habe ich eine gewisse träumerische körperliche Verinnerlichung erlebt und so eine Art Sedierung, nur etwa ein, höchstens zwei Stunden lang. Bei einem ziemlich ekligen Tee aus vierzig Gramm der Blätter war ich definitiv irgendwie breit, aber in keiner Weise halluzinogen oder psychedelisch oder wie auch immer, mehr gedämpft, insgesamt eher schwach. Wenn ich Damiana rauche, spüre ich eine nicht allzu lang anhaltende eigenartige wache Leichtigkeit. Damiana scheint sehr sanft zu sein oder schwach, besonders wenn man Stärkeres gewohnt ist oder unangemessene Erwartungen hat. Am besten gefällt es mir als normaldosierter Tee, ein gehäufter Teelöffel der Blätter pro Becher, in entspannter Atmosphäre. Dazu vielleicht noch ein kleiner Spliff und die Dinge sich entfalten lassen.“