Auf dem Weg nach Eleusis. Albert Hofmann und das LSD.
Der Schweizer Chemiker Albert Hofmann durfte am 11. Januar 2006 in Basel seinen 100. Geburtstag feiern. Weltberühmt ist er für seine zufällige Entdeckung der erstaunlichen Wirkungen des LSD (LysergSäure-Diäthylamid) im Jahre 1943. Er arbeitete damals für den Pharmakonzern Sandoz (heute Novartis) und hat später immer wieder ausgiebig von diesem Ereignis erzählt. In seinen Augen kam das LSD zu ihm. 1958 isolierte er aus den mexikanischen Zauberpilzen erstmals die Wirkstoffe Psilocybin und Psilocin und synthetisierte diese. 1960 fand er in den Samen der mexikanischen Zauberwinde Ololiuqui psychoaktive Lysergsäure-Alkaloide. Eine Sensation, hatte man derartige Alkaloide doch zuvor nur aus dem Mutterkorn-Pilz gewonnen. Die Entdeckung des Wirkstoffes des mexikanischen Wahrsagesalbeis, Salvia divinorum, den er auch untersuchte, blieb Anderen vorbehalten.
1963 fand er in den kleinen in Europa überall spriessenden Spitzkegeligen Kahlköpfen, Psilocybe semilanceata, ebenfalls den Wirkstoff der „Magic Mushrooms“ und öffnete damit die Pforten für den import- und zuchtunabhängigen Gebrauch hierzulande. Hofmann selbst nahm gelegentlich und gut vorbereitet gemeinsam mit anderen bürgerlichen Intellektuellen aus seinem Freundeskreis (u.a. dem Autoren Ernst Jünger, „Annäherungen“, und dem Orientalisten Rudolf Gelpke, „Der Rausch im Orient und Okzident“) LSD und Psilocybin und hat davon in seinem Standardwerk „LSD-Mein Sorgenkind“, dessen Titel Jünger übrigens zu mütterlich fand, berichtet. Ungewollt war er ein Wegbereiter der psychedelischen Welle der Sechziger. Von den messianischen Psychedelika-Aposteln vom Typus eines Timothy Leary hat er sich immer distanziert, ohne einen Dialog mit ihnen zu verweigern. Von einem massenhaften Gebrauch, der automatisch zu einer irgendwie besseren Welt führen würde, wie er in dieser Zeit propagiert wurde, hielt er nichts, sah er doch auch die psychischen Risiken, die derart potente Hilfsmittel unter falschen Voraussetzungen eingenommen, bergen.
Sympathisch war ihm dagegen ein sozial integrierter Gebrauch ähnlich dem des Kykeons der eleusinischen Mysterien. Fast 2000 Jahre lang wurde im antiken Griechenland im Tempel von Eleusis ein Gebräu serviert, dass den Adepten in diesem Rahmen eine Erfahrung der Einheit mit der Schöpfung und der Auflösung der Grenzen zwischen Leben und Tod bot, die prägende Wirkung auf das alltägliche Leben hatte. Gemeinsam mit dem Mykologen Gordon Wasson und dem Religionsgeschichtler Carl Ruck spekulierte Hofmann 1978 darüber („Der Weg nach Eleusis“), ob es sich bei dem Kykeon nicht um eine spezielle Zubereitung aus Mutterkörnern gehandelt habe, die LSD-ähnlich gewirkt haben könne. Sein naturmystisches Weltbild fand in der psychedelischen Erfahrung, die ihn an eine ähnliche Kindheitserfahrung in der Natur erinnerte, Bestätigung. Mystische Erfahrung und Naturwissenschaft schließen sich nicht einander aus, sondern ergänzen sich. Das Wunder der Schöpfung wird in Anbetracht naturwissenschaftlicher Beschreibung keineswegs kleiner, sondern größer. Und letztlich ist jeder Einzelne Schöpfer eines eigenen Universums, erwacht doch in ihm erst in einzigartiger Weise das ganze Wunder dessen, was ist. In Anbetracht der teilweisen
Wissenschaftsfeindlichkeit in den alternativen Szenen der 60er ist es schon eigenartig, dass gerade Albert Hofmann und seine bedeutende Stimme alle Irrungen und Wirrungen überdauert hat. Allerdings darf man auch nicht vergessen, dass er nun mal nicht zu den radikalen Psychonauten gehört, die exzessiv und hochdosiert konsumierend, verständlicherweise dementsprechend bizarre Botschaften aus dem Jenseits ihrer Erfahrungen mitbrachten und bringen, aber das ist auch gut so. So steht Albert Hofmann für das, was Psychedelika vernünftig eingesetzt in einer ideal(isiert?)en Gesellschaft sein könnten: Wissenschaftliche, therapeutische und sakramentale Hilfsmittel um ein glücklicheres Leben in Einklang mit der Natur zu führen. Tatsache ist aber, auch wenn man sich den sozusagen von einer weisen Elite kontrollierten Gebrauch wünschen mag, dass der psychedelische Geist längst aus der Flasche ist. Er steht den Menschen überall wild, frei und ungezwungen zur Verfügung. Was man daraus macht, obliegt letztlich jedem Einzelnen. Wer nun neugierig auf Albert Hofmann geworden ist, oder als Fan von seinem philosophischen Werk, insbesondere von „Einsichten Ausblicke“, nicht genug von ihm kriegen kann, dem schenken Roger Liggenstorfer (Nachtschatten-Verlag) und der Journalist Mathias Broeckers („Hanf“) mit „Albert Hofmann und die Entdeckung des LSD. Auf dem Weg nach Eleusis.“ einen schönen Band, der sieben Texte von Hofmann selbst enthält, obendrein ein aufschlussreiches Interview, das die Herausgeber im August 2005 mit ihm geführt haben, zahlreiche Fotos aus seinem Familienalbum, sowie Essays von Myron Stolaroff (Autor von dem Meisterwerk „Thanatos to Eros“!), Ralph Metzner (psychedelisches Urgestein), Günter Amendt (dem Erfrischenden), Wolf-Dieter Storl (dem Anregenden), Jonathan Ott (dem Visionären), Christian Rätsch (no comment;-) und Claudia Müller-Ebeling (über Künstler und LSD!) und der Herausgeber selbst. Ein Veröffentlichungsverzeichnis ergänzt das Ganze. Eine gelungene stimulierende und wertvolle Hommage.
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Mathias Broeckers/ Roger Liggenstorfer (Hrsg.)
„Albert Hofmann und die Entdeckung des LSD.
Auf dem Weg nach Eleusis.“
Lizenzausgabe für AT Verlag, Baden
Nachtschatten Verlag, Solothurn 2006
Geb.; 143 S., 18 SW-Foto-Seiten
ISBN 3-03800-276-3