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Kiffer Typen: Der Künstler

Kiffer-Typen VIII

Der Künstler

Eine gewisse Lust am Leiden ist ihm in die Wiege gelegt worden. Nur aus dem Hadern und der Verzweifelung heraus schafft dieser Kiffer-Typ seine Taten, die nie Arbeit sind, sondern immer Berufung. Sensibel, bisweilen dünnhäutig bewegt er sich durch die Welt und staunt. Ist er arrogant, staunt er über die Drohnen unserer Gesellschaft, die nicht auf dem Trip der Selbstverwirklichung hängen geblieben sind, ist er klaräugig, staunt er über die täglichen Wunder der Welt, ist er barmherzig, staunt er über sich selbst, denn welche freie Geist verknüpft sich schon gern mit dem Netz sozialer Verantwortung. Vor allem aber staunt er über Cannabis, das heilige Kraut, welches ihm die nötige Inspiration gibt. Er ist ein kiffender Künstler.

Joint reinpfeifen, zwei bis drei geile Mädels kommen lassen, diese und sich selbst mit Farbe voll schmieren und anschließend auf der Leinwand ekstatisch rumwälzen. So sieht der Alltag eines Künstlers aus. Oder etwa nicht? Wohl eher nicht, denn der wahre Künstler zerfleischt erst mal sich selbst, bevor er Kontakt mit Fleisch aufnimmt. Der kiffende Künstler dagegen, das ist eine Spezies der besonderen Art. Im günstigsten Fall hat er schon in früher Kindheit mit dem Kiffen angefangen und so überhaupt die Kunst entdeckt. Seither ist er fähig, die wilden Assoziationen, die Bilderfluten und abstrakten Symbole, halt alles das, was den Rausch ausmacht, kaum durch seinen Alltagsfilter laufen zu lassen. Vielmehr ist er in der Lage, die visionären Eingebungen in die Normalsicht einzubringen und dort zu verwursten. So kommt er der originären Aufgabe des Künstlers nach und tummelt sich im Bereich zwischen Welt und Himmel. Der Künstler hat einen guten Draht zu der Domäne, die nicht dem Siegeszug des Rationalismus unterworfen ist. Dort lauscht er hinein, spürt nach – und das Inhalieren von Cannabisrauch stärkt diese Verbindung.

Aber was soll das glorifizierende Gerede? Oft ist der kiffende Künstler nur ein eitler Fatzke, der jeden Furz von sich in Dosen konserviert und an das „Museum of Modern Art“ schickt. Er will seine Werke ständig gelobt sehen, selbst wenn sie flach sind. Kunst will Gunst, heißt es. In einer anderen Variante verfällt er durch übermäßigen Mischkonsum dem künstlerischen Größenwahn, vom Artifex zum Pontifex, sozusagen. Nur seine ignorante Umwelt begreift dann einfach nicht die Tiefe seiner Akte. Man betrachte bitte hingebungsvoll Malewitschs „Weißes Viereck auf weißem Grund.“ Zur Ehrenrettung muss hier aber deutlich gesagt werden, dass selten eine gesellschaftliches Klima herrscht, in dem sich Schauspieler, Maler, Poeten, Bildhauer, und wie die hehren Schöpfer alle heißen, austoben können. Allenfalls die Romantik hat angetörnten Künstlern ein Ohr geschenkt. „Brotlose Kunst“, dass steht ja in Deutschland fast für das gesamte Terrain der Künste überhaupt, sieht man einmal von der soliden, aber auch kaufmännisch orientierten Handwerkskunst ab, die bekannterweise goldenen Boden hat. Vielleicht ist es eher die Verzweiflung über diesen Umstand, auf der das enge Verhältnis von Künstlern und Drogen basiert und nicht, wie gemeinhin angenommen, die substanzinduzierte Ästhetik des Traums. Nur allzu oft ist die Ächtung durch die Gesellschaft allerdings bewusst selbst hervor gerufen, denn unverstanden leidet sich halt besser. Der Rückzug in die mit sich selbst beschäftigte Innerlichkeit wird dann zum Akt des Stolzes: Die Ächtung meldet sich als Anspruch auf Überlegenheit. Profan ausgedrückt: Läuft alles gut für den Künstler, überflügelt seine Kunst die Wirklichkeit, die von ihm geschaffenen, surrealen Welten werden Realität.

Genie und Wahnsinn, um ein weiteres Sprichwort zu bemühen, liegen eng beieinander. Spinnt man diesen Faden weiter, lässt erst die pathologische Intuition den Künstler am (geistigen) Bettelstab gehen. Und krank ist der Künstler dann, wenn er selbst vollständig durch den Kanal mit Namen Intuition den Weg ins Reich der Phantasie nimmt. Manie bezeichnet schon beim Platon den Zustand, in welchem der Mensch seiner selbst enthoben ist. Generationen von Dichtern wollte die göttliche Inspiration, die himmlische Euphorie, nicht mehr von Gott selbst, sondern von einer anderen Macht empfangen: Der Droge.

Ganz so schlimm läuft es aber meist nicht ab. Vielmehr kristallisieren sich in der Lebenswelt drei Künstler-Typen heraus: Da sind zum Einen diejenigen Skandalnudeln, die durch ihr Kiffen berühmt geworden sind, wie beispielsweise Martin Semmelrogge oder Hans-Georg Behr. Dann gibt es diejenigen Leisetreter, die es immer geheim gehalten haben, weil es der Karriere schaden konnte. Und zu guter letzt sei die größte Gruppe genannt, nämlich die Künstler, die zwar kiffen, aber trotzdem immer Sozialhilfeempfänger bleiben. Aber vielleicht sind das die Glücklichsten.

 

 

 

 

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Kiffer Typen: Der Paranoiker

Kiffer-Typen VII

Der Paranoiker

Vor Jahren hat er eine Ausbildung zum Grossstadt-Guerillo bei einer israelischen Kiffer-Elite-Einheit genossen, seither nutzt er geschickt jede Deckung beim Gang zum örtlichen Dealer. Keine Garageneinfahrt, keine Buchsbaum-Hecke bleibt ungenutzt, bevor er über den Balkon bei seiner Hasch-Connection auftaucht. Dieser kennt das tagtägliche Theater schon und hat auf Wunsch seines Freundes die Zimmer abgedunkelt. Keine Frage, bei diesem Kiffer Typen haben wir es mit einem sehr speziellen Menschen zu tun: Er ist ein Paranoiker.

Vieles spricht dafür, eine gewisse Vorsicht walten zu lassen, wenn man als passionierter Kiffer durch die Welt rennt. Spiessbürger und andere Feinde der rauschhaften Sinnesfreuden haben oft nix besseres zu tun, als anderen das Leben schwer zu machen. Aber wie so oft bestimmt die Dosis das Gift und unser Freund hat einen etwas zu kräftigen Schluck aus der Schizo-Pulle genommen – und so wurde aus Vorsicht plötzlich Angst. Dabei fing alles ganz harmlos an: Um Häschern zu entgehen, parkte er sein Auto immer zwei Strassen von seinem Dealer entfernt. Irgendwann reichte ihm das aber nicht mehr und er kam mit der Bahn. Bald vermutete er aber, dass die Polizei aus seinen Bahnfahrkarten ein Bewegungsprofil zeichnen konnte und er fuhr die Strecke mit dem Fahrrad. Irgendwann verdächtigte er seinen Fahrradhändler aber gemeinsame Sache mit den Ordnungshütern zu machen, indem dieser anhand des Hundekots im Reifenprofil ermittelte, in welchen Stadtteil er sich aufgehalten hatte.

Die dunklen Wolken des inneren Kesseltreibens schoben sich zunehmend vor das sonnige Gemüt. Zu diesem Zeitpunkt war ihm schon sonnenklar, dass die gesamte Staatsmacht der Bundesrepublik alles tut, um seiner habhaft zu werden. Und so zurrten sich die seinen Geist einengenden Schnüre immer fester. Um vor schnüffelnden Nachbarn sicher zu sein, installierte er eines Tages eine Filteranlage in jedem Raum, obwohl er maximal zwei Gramm Dope im Haus hortete und das Hasch ohnehin nur oral konsumierte. Modem und PC stöpselte er ab, um nicht über das Internet ausgehorcht zu werden. Am Telefon durfte nicht mal mehr von Alkohol gesprochen werden. Aus Tarnungsgründen trat er der Heilsarmee und dem Guttempler-Orden bei. Der Gipfel war schließlich erreicht, als er im Freien nicht mehr den Mund aufmachte, weil Satelliten ihn anhand seiner Zahnplomben orten könnten.

Ein Ausweg aus diesem Dilemma schien es nicht zu geben, denn alles passte zusammen: Tuschelnde Nachbarn, verirrte Telefonanrufer, ominöse Berichte im Fernsehen, magische Zahlen auf Nummernschildern. Von hier aus war es nicht mehr weit bis zu den gängigen Verschwörungstheorien: Neben Polizei und BND hatten mittlerweile auch die Illuminaten ein Auge auf ihn geworfen und die Scientologen versuchten ihn mittels riesiger Orgon-Strahlern zu manipulieren.

Hätte unser Freund sich die Mühe gemacht, mal einen Schulpsychologen zu fragen, hätte dieser ihm vielleicht erzählt, dass dies die handfesten Anzeichen einer Verfolgungs-Paranoia sind: Ein System von Wahnvorstellungen. Hätte er sogar seinen dealenden Freund gefragt, hätte dieser ihm vielleicht dazu geraten, an einer etwas positiveren Konstruktion der Wirklichkeit zu basteln.

Ein interessante Frage ist natürlich, ob sein Verfolgungswahn durch den Genuss von Cannabis noch gesteigert oder eher gemildert wurde. Beides stimmt: Der Joint am Abend gab ihm nach einem gehetzten Tag endlich ein Stück innerer Ruhe und plötzlich waren auch die Stimmen nicht mehr da. Gleichwohl sah er sich ausserstande in größerer Runde einen durchzuziehen, weil darunter ein Verräter sein konnte. Dass die Frucht seines Geschmacks zudem verboten ist, schürt natürlich das Feuer der Angst. Letztlich steht der Paranoiker für eine ganze Reihe von Kiffern, die nicht nur inneren Zwängen unterlegen sind. In einer sozialen Umwelt, welche in die Vergangenheit mit Schuld und in die Zukunft mit Angst schaut und welche gerne im Ungewöhnlichem das Abnorme festmacht, lässt sich nicht immer einfach leben. Gerade deswegen heisst es die Selbstverantwortung ständig zu trainieren. Und darum liegt auch die Entscheidung, ob das Rauchen des Hanfs hilfreich oder hinderlich bei einer glücklichen Lebensführung ist, ganz bei ihm. Amen.