Kategorien
Kiffer Typen

Kiffer Typen: Der Sexmuffel

Kiffer-Typen IV

Erschienen im HanfBlatt in den 1990er Jahren. Überarbeitete Version.

Der Sexmuffel

Arterhaltung steht ja bekanntlich auf der Prioritätenliste der Säugetiere ganz oben. Etwas Spaß beim Sex haben unseren nahen Verwandten aus dem Tierreich zwar, aber der Zweck steht, glaubt man den Biologen, dabei immer im Vordergrund. Das soll bei uns Humanoiden ja anders sein, wir bumsen auch zum Spaß, sagt man. Wohl evolutionär bedingt hat sich dagegen beim Freund, dessen Betrachtung uns heute Kurzweil bringt, das entscheidende Organ von der Beckenmitte immer weiter Richtung Kopf verschoben: Der kiffende Sexmuffel.

Wo früher Tutti-Frutti noch für Aufregung in der guten Stube sorgte, leiern heute unzählige Fummelfilmchen in der Röhre – kein Wunder, daß der bekiffte TV-Glotzer keine Anstrengungen unternimmt in freier Wildbahn sein Glück zu versuchen. Bevor Mann sich einen Korb holt oder gar in die Verlegenheit kommt am Morgen danach nach Worten zu suchen zu müssen, läßt er es lieber ganz bleiben. In irgendeiner der unzähligen Rauchwolken, die er gen Himmel blies, saß Eros und verschwand aus dem Leben des launigen Genossen. So wichtig sind Frauen eh nicht, denkt er sich, und die ausgewachsenen Konsequenzen einer ungezügelten Eruption würden eh nur die Bude vollkacken, zudem wäre dann die Mark nur noch fünfzig Pfennig wert. Er hat sich entschieden eher Eierkopf als lendenstarke Existenz zu sein.

Oft geht diesem Verhalten allerdings ein traumatisches Erlebnis voraus: Vor ein paar Jahren geriet unser Freund nämlich völlig stoned in die Fänge einer sexbessenen Schuhverkäuferin, die ihn -seine Breitheit schamlos ausnutzend- peitschenschwingend durch die Wohnung trieb. Kein Wunder, daß er sich seither bedeckt hält – die einzigen Weiber, die ihn noch interessieren, gedeihen bei einer zwölfstündigen Dunkelperiode am besten. Um diese Damen kümmert er sich rührend, stets besorgt um ihr Wohlergehen. Wollüstig buhlt er um ihre Zuneigung, die sich in opulenter Harzproduktion niederschlägt. Die Bilder dieser Damen schmücken sein Zimmer, über ihr Verhalten weiß er wirklich Bescheid, ihre erotischen Geheimnisse liegen wie ein offenes Buch vor ihm, nur sie will er täglich neu erobern. Und am Abend will er sich berauscht von ihnen ins Bett fallen und sich nasse Träume schenken lassen. Zweisames Kiffer-Glück.

Die Entwicklung zum Sex-Muffel geht meist mit der Mutation zum Stubenhocker einher. Dann ist die Zeit nicht mehr fern, bis er im Bahnhofskiosk zum „Playboy“ immer gleich ein Paket Tempotaschentücher kauft. Ja, ja, heikles Thema Masturbation. Grundsätzlich fördert das Kiffen nämlich nicht die Abstinenz, Lust und Leidenschaft leiden nicht unbedingt. Eher scheinen es Hemmungen oder schlicht Faulheit zu sein, die den Sex-Muffel an sich selbst genug haben lassen. Sieht er eine Frau, denkt er weniger an Fummeln als an Familie, nicht an Koitus sondern Konflikte. Ohne Verantwortung im Nacken lebt´s sich halt erheblich unbeschwerter, zudem sind die Passwörter der Porno-Seiten im Internet wirklich leicht zu knacken. Daß sich selbst strahlungsarme Monitore beim Rammeln nicht so wie die warme Haut eines fleischlichen Partners anfühlen, hat der letzte Joint aus dem Kurzzeitgedächnis verbannt.

Esoterische Variante: Die Gewißheit der eigenen Unsterblichkeit durch den Gentransport läßt den Stoffel aus seiner Kopulationlethargie erwachen und in´s Tantra-Seminar pilgern. Dort darf er unter Anleitung den Fluß von Ying und Yang neu lernen, liiert sich eher aus Vernunftsgründen mit einer Sonderschullehrerin und stopft ein paar Jahre später auf dem Öko-Wochenmarkt seinem Kind vegetarische Dinkel-Bratlinge in den Schlund.

Nun darf man aber nicht denken, daß der Sex-Muffel keine ekstatischen Erfahrungen mehr macht: Sein letztes ausgesprochen sinnliches Erlebnis hatte der Sex-Muffel beim streicheln eines überdimensionalen, leicht angewärmten Glas-Bongs, seinen letzten trockenen Orgasmus beim schnuppern an einer 500 Gramm Tüte mit NL-Haze. Er und seine Freunde sind sich einig, daß zum Sex meist Frauen gehören und die machen eh nur Ärger, heben eventuell sogar das fest Weltbild aus den Angeln. Drum sitzt beim Sex-Muffel für alle Zeiten sein bester Freund nicht mehr in der Hose, sondern in der Hosentasche. Nicht der Pimmel, sondern die Pfeife liegt im Zentrum seines Seins. Bis dann eines Tages…

 

 

 

Kategorien
Kiffer Typen

Kiffer Typen: Der Fressflash-Kiffer

Kiffer-Typen III

Erschienen im HanfBlatt in den 1990er Jahren. Überarbeitete Version.

Der Fressflash-Kiffer

Es ist schon faszinierend, welche Blüten der Haschischkonsum treiben kann. Dass die Sinne geschärft werden, ist ja bekannt: Eine Orange kann zu einem gänzlich neuem Geschmackserlebnis verhelfen, das gut gebackene Brot den kernigen Mann herausschälen. Nur gehärt der nette Freund von dem wir heute sprechen nicht zu dieser Art sensibler Mensch.

Die abendliche Kräuterzigarette glimmt noch, da meldet sich bei unserem Freund ein Gefühl…, nennen wir es mal Schmachter. Obwohl erst vor zwei Stunden im Imbiss den Pommes rot-weiss (Fachjargon: Bahnschranke) reichhaltig zugesprochen, verspürt er schon wieder Lust auf Bewegung der Kaumuskeln in Verbindung mit Kribbeln auf der Zunge. Es lässt sich ahnen: Die Motivation zum Essen ist bei ihm weniger durch Hunger, als durch die Lust am Schaufeln bestimmt. „Huch, der kleine Hunger!“ Mit perfiden Werbesprüchen lockt das Fernsehen Richtung Kühlschrank, der beim Fressflash-Kiffer -wenn er denn nicht mal wieder pleite ist- gut gefüllt auf das Herrchen wartet. Nichts ist so erbauend wie der Blick in dieses volle Nahrungskästchen.

Was nun folgt, ist als der Regelkreis des Lukullus bekannt. Zunächst greift unser Freund nämlich zu den Leckereien und Naschereien aus den Food-Design-Fabriken, deren Wissenschaftler komplizierte chemische Gebilde zur Geschmacksknospenschmeichelei konstruiert und in Plastik verpackt haben. In einer Welt ohne Süssholzraspeln regiert das klägliche Derivat des Süssstoffs. Ob Wackelpudding, Milchreis oder Schokokram, binnen einiger Minuten hat sich der Blutzuckerspiegel des Haschbruders vervielfacht und unser Freund liegt genüsslich schmatzend auf dem Sofa. Riegel um Riegel wird nun eingeschoben, eine endlose Zufuhr, die eigentlich nur durch die Produktionslücken der kommenden Weltrevolution gestoppt werden kann, denn ein Sättigungsgefühl stellt sich dackelgleich nicht ein. Es kommt sogar vor, dass in der Hochphase des Exzesses Bananen in NutellaglÄser getaucht werden. Aber halt, es gibt durchaus ein Ereignis, welches den Kiffer aus seiner Weltumarmungstimmung rausreissen kann. Nein, nicht die Videocassette mit dem neuesten Machwerk von Teresa Orlowski, sondern vielmehr die Gier auf deliziäse Alternativen. In dem grossen Gemansche im Rachen fehlt nämlich der Kontrast, das Prickeln. Also rafft er sich auf und schlurft wieder zum Ort seiner Träume.

Nun tritt die zweite Phase des lukullischen Kreislaufs in Kraft, in welcher die Herzhaftigkeit die entscheidende Rolle spielt. Schluss mit dem SÜsskram, nun werden Brote mit Salami geschmiert, Pfannen mit Bratkartoffeln angeworfen, Schweinehälften aus dem TiefkÜhlfach gezerrt und kurz darauf duftet es in der Küche wie in der Eckkneipe gegenüber dem Schlachthof. Von den Finger trieft das Fett, eine Zahnlücke beherbergt einen Rindsfuss, kurzum, dass grosse Fressen hat begonnen. Vegetarier greifen jetzt kurzerhand zu Tofuwürsten, um wenigstens eine Ahnung von den steinzeitlichen Urgründen der Fleischverwertung zu bekommen. Die Aufnahme von Nahrung gehärt bei allen Primaten zu den Grundfähigkeiten des Lebens. So weit, so gut, aber wer hat schon mal von einem Gorilla gehört, der soviel Beeren frass, dass er Pickel auf der Nase bekam? Wahrscheinlich sind es weniger – wie so oft angenommen – die Abstraktionsleistungen, die uns Humanoiden von den Tieren unterscheiden, als vielmehr die Angewohnheit, kindliche (Fehl-) Entwicklungen im Alter durch Kompensationstätigkeiten auszugleichen.

Aber das ist natürlich alles nur dummes Gequatsche, was hier wirklich zählt, sind die enormen Entdeckungen der Psychoanalyse. Seit Freud steht doch fest, dass die Fresssucht eine Art oraler Masturbation ist. Gerade Schnullerkinder, die zudem noch ihr ödipales Verhältnis zur Mutter nie geklärt haben, neigen danach zu den Abfahrten im Reich des Lukullus. Oder sollte sich Freud im Kokswahn geirrt haben und die Dingen liegen ganz anders? Unser Freund tritt mittlerweile in die dritte Phase des Fresszirkels ein und macht da weiter, wo er angefangen hat: Nach all der Fleischeslust lechzt er nach etwas Süssem und wenn die Schokolade nicht alle ist, frisst er noch heute. Keine Frage, mit dem Fressflash-Kiffer haben wir ein gut integriertes Mitglied der Konsumgesellschaft in unseren Reihen, dessen Bedürfnisse einfach zu befriedigen sind. Seine Religion ist fest im Glauben an den grossen Aldi verankert, die Vorratskammer ist bei ihm Quelle der Inspiration und der Ruhe, ein heiliger Schrein, dessen Pflege er sich was kostet lässt, der Gang zur KÜche, die nÄchtlichen Ausflüge zur Tankstelle sind Wallfahrten. Und der Körper muss die Suppe auslöffeln, die ihm der oral gesteuerte Kreuzritter einbrockt.