Kategorien
Drogenpolitik Gesundheitssystem

Das Drogenverbot ist (mal wieder) am Ende

Der hochtechnisierte und globale Markt produziert ständig neue Substanzen, eine Kontrolle wird immer schwieriger

Die Problemlage ist seit langem bekannt: Einerseits steht eine Unmenge von Genussmittel und psychoaktive Substanzen zur Verfügung, die von Bürgern aus unterschiedlichsten Gründen konsumiert werden. Andererseits unterwirft sich die Gesellschaft über ihre Institutionen umfangreichen Regelwerken, die diesen Konsum in geordnete Bahnen lenken sollen. Während man bei den Genussmitteln froh darüber ist, dass der Staat deren Herstellung reglementiert und Inhaltsstoffe kontrolliert, damit gesunde Ernährung möglich bleibt, wird die Reglementierung bei den psychoaktiven Substanzen von einer mittlerweile nicht unerheblichen Teil von Bürgern und Experten kritisch gesehen. Denn um die Einhaltung der Regeln zu gewährleisten, setzt der Staat auf das Strafrecht. Wer also meint ein Kilogramm Zucker zu besitzen, der darf dies tun, bei einem Kilogramm Kokain sieht das anders aus.

Selbstschädigung unerwünscht, die Strafbewertheit des Besitzes von Drogen soll zudem deren Ausbreitung verhindern, der Schwarzmarkt muss die Wünsche der Kunden befriedigen. Rund um die Verhinderung illegaler Produktion und des Handels ist ein globales Politikfeld entstanden, in den USA der „war on drugs“ genannt. Immer wieder weisen Expertenkommissionen auf die mangelnde Effektivität und Effizienz dieser Drogenverbotspolitik hin. Gleichwohl ist über die Jahrzehnte ein umfangreicher Katalog verbotener Drogen entstanden, der, je nach politischer Strömung, weltweit zwar leicht variiert, im Grunde aber die gleichen Substanzen umfasst. Neue Substanzen, die als potentiell gefährlich gelten, werden hier eingefügt.

Seit einigen Jahren wird diese etablierten Drogenpolitik von einer Entwicklung überrollt, deren Ausmaße nun immer deutlicher werden. Die Technik zum Betrieb von chemischen Laboratorien hat sich vereinfacht und verbilligt, zudem ist das Wissen um die Synthese von neuen Molekülstrukturen durch das Internet hoch verfügbar. Durch die Öffnung des asiatischen und hier vor allem chinesischen Marktes steht eine Vielzahl von Produktionsstätten bereit, die auf jede Änderung in Drogengesetzen mit einer Änderung der chemischen Struktur der verbotenen Substanzen reagieren. Angedeutet hatte sich das schon 2004 bei Spice, einer obskuren Mischung aus synthetischen Cannabinoiden und Pflanzenteilen. Der psychoaktive Inhaltsstoff nannte sich JWH-018. Das eingeleitete Verbot führt dazu, dass andere Cannabinoide benutzt wurden, beispielsweise HU-210.

Einige weitere Beispiele:

1. Seit einigen Jahren beschickt die Szene der globalen Research-Chemicals- Experten in kurzen Abständen den Markt mit neuen Derivaten von Cathinonen. Eine 2009 durchgeführte Online-Befragung von knapp 2300 Website-Besuchern des Club-Magazins MixMag förderte zu Tage, dass bereits 41 Prozent das Cathinon-Derivat Mephedron schon einmal konsumiert hatten – oder das, was sie dafür hielten.

2. Auf den Websites chinesischer Anbieter ist eine weitere chemische Gruppe erhältlich, die sogenannten Piperazin-Derivate. Piperazin wurde früher gegen Wurminfektionen eingesetzt, seine stimulierenden Abkömmlinge BZP, TFMPP und m-CPP tauchen seit ein paar Jahren auf den europäischen Märkten auf. Nach Angaben der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EBDD) enthalten zwischen 20 und 50 Prozent aller in den EU-Mitgliedsländern als Ecstasy verkauften Tabletten mittlerweile Anteile von m-CPP. Weder m-CPP noch die anderen Derivate wurden bislang in klinischen kontrollierten Studien an Menschen getestet.

3. Eine jüngst veröffentlichte Erhebung zeigt, dass zwischen 1997 und 2011 über 200 neue Substanzen vom europäischen Frühwarnsystem entdeckt wurden, 49 Molekülstrukturen alleine im letzten Jahr. Der letzte Schrei scheinen Derivate von Pipradrol zu sein.

4. Die Produzenten gehen kaum noch das Risiko ein, eine bereits illegale Substanz unter einem anderen Namen zu verkaufen, sondern stellen umgehende neue Strukturen her, die noch nicht vom Verbot betroffen sind. So fand eine Gruppe um Kevin Shanks von den AIT Laboratories jetzt heraus, dass 95% der von ihnen untersuchten, in den USA von der DEA beschlagnahmten synthetischen Cannabionide und Stimulantien überhaupt nicht im Katalog der aktuell verbotenen Drogen standen.

In den USA behilft man sich nun damit, ganze Substanzklassen für illegal zu erklären. Reflexhafte Verbotsreaktionen werden das Problem nicht aus der Welt schaffen. Ähnlich wie beim Urheberrecht überrollt zur Zeit die technische Entwicklung die gesetzlichen Rahmenbedingungen. Und hier wie dort werden Konsumenten kriminalisiert. Das Ziel der „drogenfreien Gesellschaft“ ist überholt, diskutiert werden müssen neue Mittel und Wege, wie mit Drogen sinnvoll umgegangen werden kann.

Erschienen in der Telepolis unter http://www.heise.de/tp/blogs/3/152231

Kategorien
Cannabis Psychoaktive Substanzen

Was Drogentests leisten

HanfBlatt, Juni/Juli 2004

Testlabor: Urin, Schweiß und Tränen

Wie gut weisen Chemo-Schnüffler den Konsum von Drogen nach? Wir wollten es genauer wissen und prüften drei handelsübliche Tests.

So recht will es keiner zugeben, aber der Genuss illegaler Drogen ist in Deutschland weit verbreitet. Haschisch und Marihuana werden von den meisten Menschen unter 30 schon gar nicht mehr zu den Drogen gezählt, mehr noch, in einigen Großstädten ist Marokk so normal wie Becks-Bier. Das Lebensgefühl der 90er, mit der symbolträchtigen Love Parade, ist ohne das Berücksichtigen von Ecstasy nur unzureichend beschreibbar, und wer nur ein wenig Erfahrung hat, der sieht aus den gegerbten Party-Fressen, die uns aus Society-Magazinen entgegen lachen, das starre Lachen des Kokain sprechen. Trotz der Mühen der Prohibitions-Armee aus Therapeuten und Politikern ist Deutschland im Dauerrausch.
Das große Tabu heißt: Drogen machen Spaß. Da sind die Spaßbremsen nicht weit, und Betriebe, Polizei und besorgte Eltern suchen nach Möglichkeiten der Substanzrecherche. So erleben Drogentests eine Konjunktur. Wo diese Tests früher aufwendig und kostspielig waren, drängen nun immer mehr Hersteller auf den Markt, die mit erschwingbaren Produkten auf den Endverbraucher zielen. In wie weit sind diese Tests in der Lage Cannabis- oder Ecstasy nachzuweisen? Wir haben den heroischen Praxis-Test durchgeführt und zwei Produkte genauer angeschaut.

Die Firma Diagnostik-Nord hatten wir auch getestet, man bat uns aber, den Test nicht zu veröffentlichten.

Pot-Parcour

Um es den Fabrikaten nicht zu einfach zu machen und eine alltagsnahe Umgebung zu schaffen hatte unser sehr freiwillige Proband genau 72 Stunden (drei Tage) vor dem Test einen Tabakjoint mit rund einem halben Gramm Haschisch geraucht. Der Mann war kein Abstinenzler, aber auch kein Dauerkiffer, damit wollten wir ausschließen, dass sich aufgrund seines Fulltime-Hobbys ohnehin dauerhaft Cannabis-Abbauprodukte im Urin rumtreiben. Er hatte mindestens eine Woche vor dem Versuch kein Cannabis konsumiert. Um die deutschen Behörden nicht zu erregen, führten wir den Test in den Schweizer Alpen durch.
Bei einmaliger Kifferei ist diese von professionellen Labors 2-4 Tage im Urin nachweisbar, bei täglichem Konsum bis zu drei Monate lang. Danach fällt der Wert unter 50 Nanogramm pro Milliliter und ist von den meisten Tests nicht mehr aufzuspüren. Auch die vorliegenden Tests geben 50ng/ml als sogenannten cut-off an. Um diesen niedrigen Wert das zu Verbildlichen: Das enstpricht einem Stück Würfelzucker, aufgelöst in 60000 Litern Flüssigkeit (rund 1,5 Benzin-Tankwagen).

Drogendetektive

Der „Drogendetektiv“ musste sich zuerst beweisen. Die Packung wirbt mit dem Satz „Schlüssel zum Dialog“. Auf telefonische Nachfrage bestätigte Jörg Engler von der Firma „Drogendetektive“, dass das Produkt primär als unterstützende Maßnahme in der problematischen Kommunikation zwischen Eltern und Kind dienen soll. „Ich plädiere eher für eine Erziehung zum vernünftigen Drogengenuss als dazu, den Hammer zu schwingen“, sagte Engler. Aha. Der Detektiv ist ein Schwestersystem der „DrugWipe“ der Firma Securetec, die seit einigen Jahren erfolgreich von der Polizei eingesetzt wird und immer mehr Verbreitung in Streifenwagen findet. Der kleine Schnüffler ist tatsächlich so narrensicher zu bedienen wie beschrieben: Zunächst trennt man den stiftartigen Tester in zwei Teile, dann wischt man einen verdächtigen Gegenstand mit dem integrierten Wischvlies ab. Das schafft auch Mutti. Wir nahmen das Handy unseres Propanden, welches dieser regelmäßig nach dem kurzen Jointfestival genutzt hatte, um seiner Freundin in Deutschland mitzutielen, dass er noch lebt. Dann drückten wir das Flies zurück ins Gehäuse, etwas Wasser dazu und nach 10 Minuten waren die Kontrolllinien rot, wir hatten den Test also korrekt ausgeführt, nur stand bei „CA“ (für Cannabis) kein Ergebnis auf der Skala.
Drogendetektiv Test
In einem zweiten Anlauf wurden wir direkter: Wir wischten erneut das Handy, dazu noch die Computer-Tastatur und den Haustürschlüssel des Probanden ab. Und siehe da: Der Drogendetektiv schlug an und zeigte eine rote Linie bei CA. Weil wir gerade so eifrig bei der Sache waren, hantierten mit ein wenig Ecstasy (MDMA aus Zürich) und telefonierten danach wieder mit dem bereits mit THC kontamierten Handy. Der Drogendetektiv machte auch dieses mal „Wuff“ und zeigte neben CA nun auch einen roten Streifen bei „AM“ an. „AM“ steht hier für Amphetamine und Methamphetamine und dessen Derivate wie MDMA. Um endlich klare Ergebisse zu erhalten führten wir einen dritten Testlauf durch. Wir wischten ein Feuerzeug, das unser Proband am Vorabend (17 Stunden später) für eine Haschisch-Bröselaktion genutzt hatte, gründlich ab. Aber der Schnüffler zeigte kein THC an, der Detektiv blieb stumm. Obwohl das Feuerzeug nicht mehr benutzt und auch nicht gesäubert wurde, war die Nachweisgrenze für den Test offenbar erreicht.

Gecko-Pharma

Gecko Drogentest
Gecko Drogentest

Als zweiter im Feld startete das Produkt der Firma Gecko-Pharma. Der Vorteil des Gecko ist, dass sowohl Gegenstände als auch Urin untersucht werden können. Der Packung sind Handschuhe und Fließmittel für das Abtupfen von Gegenständen beigelegt. Krankenhaus-Atmosphäre machte sich breit, nur befand sich leider die angekündigte Pipette nicht nicht in der Packung. Nach dem Tränken des Teststreifens mit Kifferurin zeigte keines der Anzeigenfenster eine Reaktion. Entweder ist der Test zu unsensibel oder die Cannabis-Abbauprodukte hatten sich bereits nach drei Tagen unter die Nachweisgrenze verkrümelt. In der Gebrauchsanweisung fand sich kein Hinweis darauf, innerhalb welches Zeitraums Test überhaupt positiv anschlagen kann – ein unbedingtes Manko des Gecko. Ebenfalls fehlte ein Hinweis auf die Nachweisgrenzen, selbst auf der Website der Firma war hierzu nichts zu finden. Erst in einem pdf-Dokument auf der Internetseite des „Schwesterprodukts“ der Firma Gabmed wurden wir fündig. Im Urin soll der cut-off Wert bei 50 ng/ml THC-Metaboliten (den Abbauprodukten des Rauschhanfs) liegen und zwischen 3-5 Tagen, „nach Langzeitkonsum mehrer Wochen“ nachweisbar sein. Unser Elchtest konnte dieses optimistischen Angaben nicht bestätigen. Ein zweiter Durchlauf sollte dem Gecko eine bessere Chance geben. Diese Mal genoss unser Proband eine Purpfeife mit rund einem halben Gramm hochwertigen, afghanischen Haschisch. Der anschließende Kino-Besuch verlief für alle Beteiligten gut, nicht aber der Test am nächsten Abend, genau 24 Stunden nach dem Konsum. Das Urin des Probanden zeigte nach Aussage des Gecko-Test keine Spuren von THC. Nach den Statuten des Gecko war er also ein sauberer Kandidat.

Freundlicherweise hatte uns die Firma weitere Geckos zur Verfügung gestellt, so das wir noch einen Oberflächentest durchführen konnten. Die Nachweisgrenze ist auch hier in der beiliegenden Broschüre nicht erwähnt, sie liegt für THC laut pdf-Dokument bei 15000 ng/ml. Dies ist wahrscheinlich zu unsensibel, um THC auf Gegenständen von Kiffern nachzuweisen, deren Konsum mehr als fünf Tage zurück liegt, in unserem Fall reichte es aus. Wir wischten das Feuerzeug, mit dem am Vorabend die Flamme des Bröselns entfacht worden war, mit dem beigefügten Tupfer ab. Nun noch etwas Gefriemel mit der Fließmittelflasche und siehe da: Der Gecko-Drogennachweis schlug an und zeigte THC an.

Schlussstriche

Die Chemo-Schnüffler hinterlassen einen zwiespältigen Eindruck. Geht man davon aus, dass die von den Herstellern angegebenen Spezifikation korrekt sind, dann sind die THC-Metaboliten unseres Probanden anscheinend innerhalb von drei Tagen unter die Nachweisgrenze zersetzt worden. Wer also am Freitag kifft und kein Dauerkiffer ist, der wird weder von Vati noch vom Chef am Montag überführt werden können. Das von uns gewählte Testschema war für die Urintests zu diffizil. Im direkten Kontakt mit der Substanz schneiden die Detektive auch nicht glorreich ab. Aber wer will sich auf deren Versagen verlassen? Besser ist es natürlich gar nicht erst zu Kiffen, aber sollen wir nun wirklich alle meditieren lernen, um zu entspannen?

 

Nachweis von Rauschhanf im Körper
Die Nachweisbarkeit von Cannabis im menschlichen Körper hängt nicht nur von der Höhe und Dauer des Konsums ab, sondern auch von Körperfett und Stoffwechsel der Person ab. So speichert beispielsweise ein dicker Mensch mehr Cannabis-Abbauprodukte (Metaboliten) in seinem Körper als ein dünner Mensch. Im Blut kann die THC-Carbonsäure im Extremfall bis zu 25 Tage nachgewiesen werden, im Urin werden die Metaboliten bei einmaligen Konsum bis vier Tage, bei chronischem Konsum mehrere Wochen bis hin zu Monaten gefunden. Der Urintest kann einen zurückliegenden nicht von einem kurzfristigen Konsum unterscheiden. Wenn THC jedoch im Blut gefunden wird, kann von einem kurz vorher (5-12 Std.) erfolgten Joint-Genuss gesprochen werden. In den Haaren lässt sich Hanf bis zu sechs Monate lang verfolgen.
Ein THC-Rechner unter http://www.erowid.org/plants/cannabis/ zeigt grafisch an, wie lange es braucht, damit Hanfkonsum im Urin nicht mehr nachweisbar ist. Das Programm ist unzuverlässig, weil jeder Körper anders reagiert, einen Richtwert kann man damit aber erhalten.

Kategorien
Mixed Tipi Aufbau

Tipi Aufbau Anleitung

Aufbauanleitung für ein klassisches Indianer-Zelt

Die ausführliche Anleitung liegt als Datei im .pdf Format vor.

Klicken Sie hier für die Tipi-Aufbauanleitung (500 KB).

Der folgende Text ist der aus dem PDF, nur ohne Bilder. Das PDF ist vorzuziehen.

Tipi
Aufbauanleitung

Jörg Auf dem Hövel
General Public License 2000
http://www.gnu.org/copyleft/
Oder: Wie Sie ein Indianer-Zelt aufbauen und trotzdem gute Laune bewahren

INHALTSVERZEICHNIS

Vorwort
1. Einleitung
1.1 Warum Wigwam?
1.2 Übersicht über Konstruktion und Aufbau
2. Voraussetzungen
2.1 Tipi-Stangen
2.2 Plane und anderes Zubehör
3. Aufbau
3.1 Der Dreifuss
3.2 Der Rahmen
3.3 Das Cover
3.4 Das Lining
4. Inneneinrichtung
4.1 Feuer
4.2 Ordnung der Dinge
5. Troubleshooting

Vorwort

Anleitungen für den Aufbau oder die Zusammensetzung von komplexen Gerä ten sind häufig schwer verständlich. Nach dem Kauf unseres Tipis waren wir aber doch entsetzt über die mit gelieferte Bedienungsanleitung. Nach einigen fehlgeschlagenen Aufbauversuchen bemerkten wir nicht nur, dass der Aufbau eines Tipis Geduld und Zeit benötigt, sondern das eine besser strukturierte Aufbauanleitung eventuell Wunder wirken könnte. Die folgenden Seiten sind diesem Versuch gewidmet. Wir sind Besitzer eines Tipis der Firma „Nomadenleben“ (www.nomadenleben.de) mit 5.50 Meter Durchmesser. Viele Daten dieser Aufbauanleitung beziehen sich auf ein Tipi dieser Größe, das Prinzip des Aufbaus bleibt aber bei größeren und kleinern Zelten das Gleiche. Vieles des hier Geschriebenen basiert auf dem Klassiker von Reginald & Gladys Laubin: The Indian Tipi. Its history, construction, and use.2. Aufl., University of Oklahoma Press, 1977. (www.ou.edu/oupress).

Viele Zeichnungen und Fotos sind aus dem Buch übernommen und ergänzt worden. Wer sich umfassend über das Wigwam (ja, ich weiß, ich Wigwam ist kein Tipi) informieren will, sei dieses Werk wärmstens empfohlen. Diese Aufbauanleitung unterliegt keinem Copyright. Im Gegenteil, die Weitergabe darf nur unentgeldlich erfolgen. Verbreitung und Verbesserungen sind erwünscht.

Der Autor ist unter joerg@aufdemhoevel.de zu erreichen, eine Online-Version dieses Dokuments steht unter www.aufdemhoevel.de.

Rock on!

Jörg Auf dem Hövel (Sommer 2000, mit Nachträgen im Sommer 2011)

1. Einleitung

1.1 Warum Wigwam? Darum. Am einfachen Aufbau kann es nicht liegen, um gleich mal etwas schlechte Stimmung zu machen, es muss also andere Gründe geben. Zum einen wäre da die Ästhetik: Ein Tipi bietet ein harmonisches Bild mit und in der Natur. Innen ist es kreisförmig. Zum anderen wäre da die opitmale Raumausnutzung. Ein weitere Punkt ist das Feuer im Zelt. Der Mythos von Karl May bis John Wayne spielt garantiert auch eine Rolle. So unähnlich ist die deutsche Landschaft der amerikanischen Prärie zudem nicht.

1.2 Grundlegendes über Konstruktion und Aufbau
Ein Tipi ist ein eiförmiger Konus, die Rückwand steht etwas steiler als die vor dere Seite, an der sich die Tür befindet. Ein Tipi mit 5.50 Durchmesser von vorne bis hinten ist demnach etwas schmaler von Seite zu Seite. Es besteht aus neun Stangen, auf denen die Tipi-Haut liegt und zwei sog. Rauchklappenstangen (s. Kapitel 3.3) von gleicher Länge und Beschaffenheit. Die ersten drei Stangen, der sog. Dreifuss, sind entscheidend für den Aufbau. Dieser Dreifuss muss korrekt stehen, ansonsten passen sich die restlichen Stangen der falschen Grundkonstruktion an (s. Kapitel 3.1). Hier der Tipi-Aufbau im Schnelldurchlauf: Um den Dreifuss korrekt zu errichten wird die spätere Tip-Haut als Schablone benutzt. Die Plane wird auf dem Boden ausgebreitet, drei Stangen darauf gelegt und oben zusammen geknotet. Dann wird der Dreifuss aufgerichtet (s. Kapitel 3.1). Sodann stellt man fünf weitere Stangen in richtiger Reihenfolge in den Dreifuss ein (s. Kapitel 3.2). Eine weitere Stange dient als Hebestange für die Tip-Haut. Um sie wird die Plane gewickelt, das Bündel wird dann in die letzte frei Stelle in die Stangenkonstruktion eingestellt. Dann wird das Cover abwickelt, vorne geschlossen und fertig ist die Laube (s. Kapitel 3.3). Nee, erst kommen noch die beiden Rauchklappenstangen in die Laschen und innen wird das sog. Lining, eine zweite Haut, gespannt. Soweit, so gut, tatsächlich braucht es ungefähr vier bis sechs Versuche bis das Tipi zum ersten Mal formvollendet steht.

2. Voraussetzungen
2.1 Tipi-Stangen
Die Fichte bietet sich an. Für ein Tipi mit einem Durchmesser von 5.50 Meter sollten die Stangen rund sieben Meter lang sein. Diese Länge bringt einige Probleme mit sich: Die Stangen sind schwer zu handeln und der Transport mit dem PKW ist kaum möglich – es sei denn man teilt die Stangen. Aber dazu später mehr. Zunächst gilt es möglichst gerade Stangen zu besorgen: Der örtliche Förster hilft hierbei gerne weiter, in der Försterei gibt es für wenig Geld eine Genehmigung zum Schlagen der elf Bäume. Klug ist es eine Stange mehr zu schlagen, um im Bedarfsfall eine Ersatzstange parat zu haben. An der Basis sollten die Stangen nicht mehr als 10 cm Zentimeter Durchmesser haben. Wir haben unsere Fichten in einem Wald bei Hamburg geschlagen und geschält. Ein professionelles Schälmesser leistete dabei gute Dienste. Ein weiterer Tipp: Die Fichten erst im Frühling schlagen, wenn die Bäume voller Saft sind – die Rinde geht dann erheblich leichter abzulösen. Wichtiger aber noch ist, die Fichten sofort oder am selben Tag zu schälen, ansons ten wird es von Tag zu Tag schwerer die Rinde abzukriegen. Die Spitzen fein auslaufend dran lassen, das sieht besser aus. Die Stangen sollten durchtrocknen, bevor sie zum ersten Mal benutzt werden. Um Tipi-Stangen mit dem Auto transportieren zu können müssen sie in zwei 3.50 Meter lange Teile zersägt werden. Die Schnittstelle haben wir mit einer Kupferrohrkonstruktion versehen, so dass die Stangen recht einfach wieder zusammen gesteckt werden können. Die Stangen müssen auf alle Fälle fest miteinander verbunden werden und dürfen sich an der Schnittstelle nicht durchbiegen. Klug ist es natürlich die Stangen zu nummerieren. Im Internet hat die Firma Tent-Store eine weitere interessante Teilungsmöglichkeit veröffentlich (http://www.tent-store.de), bei der man die Stangen auf einem halben Meter vertikal teilt und mit Schlossschrauben verbindet. Sicherlich lassen sich auch interessante Steckkonstruktionen mit Alu- oder stabilen Kunstoffrohren konstruieren. Optisch ist das vielleicht nicht so der Hit, eine solche Konstruktion dürfte aber leichter zu packen, zu tragen und aufzubauen sein.

2.2 Plane und anderes Zubehör
Das Cover kauft man, es sei denn man möchte es selber nähen. Dazu steht im Buch von Reginald & Gladys Laubin: The Indian Tipi ein Schnittplan. Hier die Liste mit dem nötigen Zubehör. Einiges davon liefern die Hersteller mit dem Cover mit, anderes muss selbst besorgt und gebastelt werden. – Cover (die Tipi-Haut: Vorher Imprägnieren, nie nass einpacken.) – Tür (lappen) – 22 Heringe (entweder aus Holz oder aus Metall. Nicht zu kurz…) – 10 Lacing-Pins (Holznadeln, mit denen das Tipi vorne zusammengahlten wird.) – 14 Meter Ankerseil (rund 1cm Durchmesser. So schön der Hanf auch ist, die Seile sind nur bedingt wetterbeständig. Besser sind Kunstoffseile in neutraler Farbe. Mit diesem Seil wird der Dreifuss zusammen gebunden.) – 20 Meter Lining-Seil (rund 0,5cm Durchmesser. Mit diesem Seil wird die innere zweite Haut angebunden.) – Wimpel nach Wunsch.

3. Aufbau
3.1 Der Dreifuss Ein sonniger Tag sollte locken, wenn das Tipi zum ersten Mal errichtet wird. Es liegt alles bereit: Die 11 Stangen (9 für den Rahemn, zwei als sogenannten Rauchklappenstangen). Zur Klarstellung: Die Aussenhaut des Tipis dient jetzt nur als Schablone für die Ausrichtung und Bindung der ersten Tipi-Stangen – sie wird danach wieder zur Seite gelegt. Das Cover mit der Innenseite nach oben auf den Boden ausbreiten, so dass die Lederetiketten auf dem Boden liegen. Es ist darauf zu achten, dass kein feuchter Dreck oder Erde an die Haut kommt – die Flecken sind nur schwer zu entfernen. Bei drecksträchtigen Boden wirkt eine untergelegte Plastikplane Wunder. Ein Mensch macht sich nun baren Fusses, damit Fussabdrücke auf dem Cover verhindert werden. Drei kräftigte und lange Stangen auf die Plane legen, so wie auf Zeichnung 1. Die unteren Stangenenden ragen nur eine halbe Schlaufenlänge über das Cover hinaus. Die spätere Türstange D zeigt Richtung Osten, wenn möglich, (denn dort geht die Sonne auf) zwischen 9 und zehn Uhr. Sie kommt auf den beiden anderen Stangen (S und N) zum Liegen. Die Türstange D und die anderen Stangen sollten sich ungefähr in Höhe 5.10 Meter überkreuzen (gemessen von der Basis von N oder S aus). Am oberen Ende des Anbindlappens des Covers werden die drei Stangen zusammengebunden und zwar nicht mit den Seilen des Anbindlappens, sondern mit einem Extra- Seil, welches rund 14 Meter lang sein sollte und etwa 1 Zentimeter stark. Der in Zeichnung 1 abgebildete Knoten eignet sich hervorragend. Keine weiteren Knoten, so ist gewährleistet, dass die Stangen später noch leicht verschoben werden können. Der Rest des Seils wird Richtung Basis von N und S geworfen.

Jetzt kann der Dreifuss aufgerichet werden. Dazu zieht ein Mensch am Seil, der andere steht unterm Knoten und hebt an. Die Konstruktion wackelt nun auf den Seilzieher zu – er zieht nur so lange, bis sie fast aufgerichet ist. Zugleich nimmt der zweite, bislang unter dem Knoten stehenden Mensch die von ihm aus rechts liegende Nord-Stange N und schwingt sie mutig aber bedächtig so herum, dass ein Dreifuss entseht (auf Punkt N in der Zeichnung 2). Dieser Mensch achtet darauf, dass sich der Knoten nicht verschiebt. Das geht am besten dann, wenn er frühzeitig Richtung N geht und so den Knoten unter Druck hält. Nun steht das Grundgerüst des Tipis! Die genaue Ausrichtung der Stangen ist bei den ersten Aufbauversuchen der Methode von trial and error unterworfen, ein kleiner Trick hilft aber manchmal weiter: In der Mitte des Dreifuss (unter dem Knoten) lässt sich ein Hering postieren. Von diesem aus misst man den Abstand zu den Stangen. Der Abstand zu den beiden hinteren Stangen (N und S) sollte etwa gleich sein, der zur vorderen Türstange D etwas länger. (R&G Laubin geben in ihrem Buch für ein allerdings grosses Tipi einen Wert von 2.54m bzw 3,27m an.) Ein Wert sollte unbedingt gemessen werden: Fällt man ein Lot von der Stangenkrone aus ist diese 4,45m vom Boden entfernt. Die beiden hineren Stagen stehen etwas steiler als die Türstange.

3.2 Der Rahmen
Die Aussenhaut kann jetzt erst einmal zur Seite gepackt werden. Etwaige Wim pel oder Fähnchen müssen jetzt an die oberern Stangenspitzen angebracht werden. Nun gilt es die anderen Stangen in der korrekten Reihenfolge in den Dreifuss einzustellen um einen Rahmen für das Cover zu bauen. Dazu werden zunächst die beiden vorderen Stangen rechts von der Türstange D eingestellt (also zwischen D und N), wobei eine auf der anderen in der selben Gabelung zum Liegen kommt (s. Foto rechts, auf welchem allerdings eine Stange mehr e i n g e s e t z t ist.) Als letztes wird eine hintere Stange zwischen N und S eingestellt. Warum nur eine Stange? Weil die letzte Stange im Verbund die sogenannten Hebestange L ist, die in ein paar Minuten gegenüber der späteren Tür eingesetzt wird.

Zeichnung 3 zeigt ein Tipi mit 15 statt wie in unserem Fall mit neun Stangen. Das Prinzip der Aufstellung ist aber das Gleiche. Man beachte die gestrichelte Linie für den auf dem Boden liegenden Dreifuss. Es wird deutlich, dass das Tipi keinesfalls rund ist, sondern ein Ei-Form hat. Zudem ist es kein reiner Konus, sondern ein leicht verschobener Konus, dessen Rückwand steiler steht. Die Zeichnung zeigt auch die spätere Ordnung der Dinge im Zelt.

Es ist bald an der Zeit die Aussenhaut des Tipis zu spannen. Aber zunächst gilt es die Stangen zu justieren. Schon jetzt lässt nämlich ungefähr testen und messen wie das Tipi geometrisch konstruiert ist. Also raus den Zollstock und nachmessen (s. Zeichnung 4): Der Durchmesser von vorne (Tür) nach hinten beträgt 5.50m. Der Durchmesser von Seite zu Seite etwa 5.0m. Die Höhe vom Boden zum Stangenkrone 4.45m. Die Höhe von der Türbasis bis zum Stangenkrone 5.50m. Die Höhe von der hinteren Hebestange L bis zum Stangenkrone 4.50m. Stimmen die Werte? Schön. Wenn nicht: Trotzdem weitermachen und ausprobieren. Oft sind die Tipis doch nicht eiförmig, sonder recht rund. Dann verschieben sich eh alle Werte.

Eine Zwischenbilanz zeigt acht Stangen in Position und drei in Reserve. Eine davon wird gleich als Hebestange L für das Cover Verwendung finden, die beiden anderen sind die sogenannten Rauchklappenstangen. Aber dazu später mehr. Das lange Dreifuss-Knoten Seil liegt auf dem Boden und will aufgenommen werden. Nun muss ein Mensch wandern – und zwar viermal rund ums Gehege. Er oder sie startet bei der Südstange S und geht in Uhrzeigerrichtung (oder mit der Sonne…). Immer wieder muss das Seil nun straff gezogen werden und viermal muss das Gehege umrundet werden. Der Mensch endet bei der Nordstange N und befestigt das Seil mit einem starken Hering nahe der Mitte des Tipis im Boden.

3.3 Das Cover

Der Rahmen steht und wartet auf die Aussenhaut. Dazu wird das Cover wieder ausgebreitet (die Leder-Etiketten nach oben). Dann wird die Hebestange L darauf gelegt und zwar einfach so wie vorhin die Nord- und Südstangen. Das Cover muss jetzt schön stramm gezogen werden. Dann wird kontrolliert, ob die Basis der Hebestange unten wiederum eine halbe Schlaufenlänge rausragt. Gut. Nun den Anbindelappen mit seinen beiden angenähten Seilen an der Stange festbinden. Die Seile sind lang genug um die Stange mehrmals zu umschlingen. Die Verbindung muss sehr fest sein, damit die Plane später nicht runter rutscht. Das Cover nun zur Mitte zusammen falten und mit den rumfliegenden Rauchklappenbändern auch im mittleren und unteren Bereich an der Stange festbinden. Die Hebestange kann nun angehoben werden -das Bündel ist recht schwer, hier sind (mindestens) vier Arme gefragt- und in die verbleibende Lücke am hineren Teil des Tipis gegenüber der späteren Tür in die Stangenkrone eingesetzt werden. Super. Das Geschenk kann jetzt wieder ausgepackt werden. Es sollte kein Problem bereiten, die Plane nun von beiden Seiten bis nach vorne zu ziehen und zwischen Türstange D und Stange Nr.1f (s. Zeichnung 3) zu landen. Nun die Plane vorne mit dem Hilfsband zusammen binden und mit den kleinen Holz-Stöcken (Lacing Pins) zusammen stecken. Erst die oberen Pins. Das Cover sollte momentan noch so locker aufliegen, das das Binden und Stekken kein Problem bereitet.

Jetzt werden die neun Stangen von innen gegen die Aussenhaut geschoben und so langsam ergibt sich die charakteristische Ei-Form. Nicht zu weit schieben, sonst lässt sich das Cover nicht auf dem Boden befestigen. Selbst jetzt noch hat das Tipi Falten und diese werden auch erst durch das Setzen der Heringe geglättet. Und zwar so: Die Heringe werden in die Schlaufe eingeführt und gedreht. Dadurch halten sie in den Schlingen. Dann rein mit den lütten Lachsen in die Erde. Fange an der Tür an und arbeite dich bis zum hinteren Teil vor. Die Haut berührt den Boden nicht! Es entsteht vielmehr eine kleine Lücke zwischen Boden und Haut, durch die der Wind dir angenehm die Nieren verkühlt. Ne, ne, innen wird ja noch das Innenzelt installiert und somit entsteht ein funktioneller Kamineffekt. Wenn alle Heringe stecken, werden wiederum die Stangen von innen gegen die Haut geschoben. Dazu muss eventuell das Ankerseil gelöst werden. Jetzt sollten keine Falten mehr in der Aussenhaut existieren… Wenn doch: Kapitel 5. Troubleshooting. Die ersten Male ist es ein schweres Unterfangen das Tipi korrekt aufzubauen. Viele Dinge spielen eine Rolle: Der Durchmesser der Stangen, das Material, die Exaktheit der Ausführung. Es hilft nur Erfahrung! Egal wie exakt man gearbeitet hat, oft ist die Türstange zu lang. Die Indianer hatten kein spirituelles Problem damit, die Stange dann einzugraben (oder sogar abzuschneiden…). Falten enstehen oft dann, wenn die Stangen zu weit gespreitzt sind. Hier hilft es manchmal die beiden hinteren Stangen ein wenig Richtung Mitte zu schieben. Zum Abschluss setzt man einen etwa zwei Meter langen Stock vor die Tür um die langen Rauchklappenbänder daran zu befestigen (s. Zeichnung 6). Jetzt steht das Tipi und die Inneneinrichtung (Sofa, Fernseher, WC usw.) kann geholt werden. Geschicklichkeit ist jetzt für die Einführung der beiden Rauchklappenstangen gefordert. Diese sollten an der Spitze nicht zu scharfkantig sein, damit sie die Taschen in denen sie stecken nicht zerstören. Die Rauchklappenstangen werden hinter dem Tipi nahe seiner Mitte so postiert, dass sie gut auf dem Boden stehen und die Rauchklappen offen stehen (s. Zeichnung 6).

3.4. Das Lining

Ja, ja, das Lining. So eine Art Innenzelt ist das. Dreiteilig in unserem Fall. Es schützt vor Wind und Getier, die beiden sonst gerne den Weg unter der Tipiaussenhaut hindurch nehmen. Zudem garantiert es den Kamin-Effekt, der den Rauch sicher abziehen lässt. Ein langes Seil wird das Lining halten. Es sollte rund 20 Meter lang sein und 0.5cm stark. Zunächst hebt man das Lining hoch und testet in welcher Höhe das Halteseil befestigt werden muss. Der grüne Kunststoffrand des Linings kommt auf dem Boden zum Liegen – so dass später der Teppich oder sonstwas darauf gelegt werden kann. Von der Hebestange L aus wird das Seil nun rechts herum um jede Stange gelegt. Wichtig: Es muss vor den Stangen längs laufen, nicht zwischen Stange und Plane. Grund: Es soll der maximale Abstand zwischen Lining und Aussenhaut gewährleistet werden. Am Ende des Rundgangs landet man wieder bei der Hebestange L. Zunächst werden die beiden kleineren Linings links beziehungsweise rechts der Tür aufgehängt, dann erst das größere hintere Lining. Mit kleinen Bändern und den Schlaufen am Lining befestigt man das Lining am Seil. Um die Form des Tipis weiter konisch zu halten und eine optimale Platznutzung zu gewährleisten, wird das Lining auch unten so nah an die Zeltwand gebracht wie möglich – dabei wird natürlich auf den gleichmässigen Abstand geachtet, wie er zwischen Zeltstange und Lining existiert. Endgültig tricky wird es beim Einsatz von zwei kleinen Stöckchen, welche zwischen Stange und Linging-Seil geschoben werden. Die neben stehende Zeichnung zeigt diesen Trick, welcher das Ablaufen des Regenwassers hinter das Lining garantiert.

4. Inneneinrichtung
4.1 Feuer

Einer der großen Vorteile des Tipis ist das Feu er, welches man im Zelt entfachen kann und im Herbst und Winter das Zelt und seine Bewohner wärmt. Ein kleines Feuer reicht vollkommen aus. Ein zu großes Feuer verbaucht nicht nur viel Holz, es ist zudem gefährlich. Die Feuerstelle befindet sich unter dem Rauchabzugsloch im vorderen Teil des Tipis (siehe Zeichnung 3). Es kann einfach auf dem Boden, aber auch in einer Metallschale brennen. Schön ist es natürlich, wenn Steine das Feuer umrahmen. Das Feuer braucht nicht unbedingt die ganze Nacht brennen um das Tipi warm zu halten. Recht nett ist es, wenn man sich abends ein paar Stöckchen neben das Bett legt – diese braucht man dann morgens nur ins Feuer werfen und es kurz anblasen. Räuchern mit frischem Tannengrün imprägniert das Cover, Weihrauch und andere Kräuter vertreiben Gemück und andere Plage-Geister. Feuerholz Das Feuerholz sollte, wenn man das Tipi betritt, links von der Tür gestapelt werden. Es sollte trocken und gut abgelagert sein. Hartholz eignet sich am besten, während immergrüne Hölzer zu Funkenflug neigen. Ahorn und Esche sind beispielsweise Klasse. Um das Feuer am Laufen zu halten eignen sich Kerzenstumpen und Fett jeder Art recht gut.

5. Troubleshooting
Erste Regel: Geduld. Es braucht Erfahrung beim Aufbau eines Tipis. Als Richtwert gilt, dass das Wigwam vier bis sechs Mal aufgebaut werden muss, bevor es gut steht. Das ist zwar für uns moderne Funktionsfanatiker ein langer Zeitraum, aber viel Zeit sollte man sich für das Tipi und das Wohnen in ihm immer einplanen. Zur Beruhigung: Grosstadtindianer und andere Freunde der Sonne schaffen den Aufbau von Dreifuss und Rahmen in fünf Minuten, die Montage der Aussenhaut braucht bei ihnen zwanzig Minuten. Lining und die Schaffung urdeutsche Gemütlichkeit brauchen etwas länger. Steht das Zelt einmal korrekt, dann sollte man beim Abbau die Lage des Dreifussknotens markieren. (Bei uns sind das kleine Einkerbungen in den Stangen 12, 4 und 6 (Türstange)). Auch die breit und den genauen Durchmesser sollte man aufnehmen. Dazu misst man von der Mitte des Tipis aus mit einem Seil und setzt Knoten an die zwei Stellen (Länge, Breite), wo das Seil an die Tipi-Stangen reicht. Das leistet bei einem erneuten Aufbaus des Tipis gute Dienste. Falten Falten sind nicht nur ein ästhetisches Problem, sondern belasten auch das Material und können zu Feuchtigkeit im Zelt führen. Falten enstehen oft dann, wenn die Stangen zu weit gespreitzt sind. Hier hilft es manchmal die beiden hinteren Stangen ein wenig Richtung Mitte zu schieben. Grundsätzliche Fehler entstehen durch den falschen Aufbau des Dreifusses. Ist dieser zu hoch gebunden bekommt man die Falten evtl. noch entfernt, das Cover ist aber zu hoch und erreicht den Boden nicht. Ist der Dreifuss dagegen zu niedrig gebaut, liegt die Plane auf dem Boden. Auch nicht im Sinne des Erfinders. Ergo: Das Dreifuss muss stimmen und das bedeutet maximal fünf Zentimeter Spielraum bei der Ausrichtung der Stangenkrone.

 

 

Kategorien
Drogenpolitik Psychoaktive Substanzen

Mal wieder schafft eine Ecstasy Studie mehr Verwirrung als Aufklärung

telepolis, 18.04.2012

Ecstasy und seine Kinder

Jörg Auf dem Hövel

Mal wieder schafft eine Drogenstudie mehr Verwirrung als Aufklärung

Die Zeiten des weit verbreiteten Ecstasykonsums sind vorbei. Gleichwohl eignet sich die psychoaktive Substanz noch immer für Überschriften, um auf die Gefahren des Drogenkonsums hinzuweisen. Unlängst berichtete Der Spiegel (15/2012) unter der Headline „Ecstasy schädigt Babys“ über eine Studie, die erstmals die Auswirkungen der Droge auf den Fötus und die spätere Entwicklung des Babys untersucht hat. Man will „gehäuft motorische Entwicklungsdefizite“ durch der Studie bewiesen sehen. Eine genauere Analyse der erhobenen Daten wirft ein differenzierteres Bild.

Für die Studie (Neurotoxicology and Teratology, Volume 34, Issue 3) wurden 96 britische Frauen nach ihrem Drogenkonsum vor und während der Schwangerschaft befragt und in diejenigen unterteilt, die dabei auf Ecstasy (in der Studie als MDMA bezeichnet) verzichtet hatten und solche, die trotz Schwangerschaft weiterhin die Droge konsumiert hatten. In Großbritannien, so schätzen Experten, werden jedes Wochenende rund eine halbe Millionen Pillen geschluckt, die unter dem Label „Ecstasy“ verkauft werden.

Schon hier fällt die erste Besonderheit auf: Alle diese Frauen waren extrem drogenaffin, sie genossen meist mehrere, legale wie illegale Substanzen während des Austragens ihres Kindes. Unter den Ecstasy-Userinnen rauchten 86%, fast alle hatten mehr oder minder viel Alkohol getrunken, satte 82% gekifft und sogar 71% mindestens einmal Kokain geschnupft. Diese imposanten Werte wurden von den 68 Ecstasy-Verweigerinnen zwar unterboten, aber auch diese Damen waren wahrlich keine Abstinenzlerinnen. 62% hatten Tabak geraucht, 91% Alkohol getrunken, 54% gekifft, 16% Kokain geschnupft.

Die Erkenntnisse beziehen sich also auf eine kleine, polytoxisch agierende Untersuchungseinheit. Die kleine Gruppe der Ecstasy-Nutzerinnen (N=28) war zum Zeitpunkt der Geburt durchschnittlich 30 Jahre alt, hatte 171 Mal in ihrem Leben die Partydroge zu sich genommen, wobei sie bei einer solchen Gelegenheit meist um die drei Pillen eingeworfen hatte.

Dies Vorweg geschickt kann man sich vorstellen, dass die Autoren der Studie sich bemüht haben, die Störvariablen herauszufiltern, was allerdings bei dem Umfang des Drogenkonsums beider Gruppen schwer gewesen sein dürfte.

Die Babys der Studienteilnehmer wurden mehreren Tests unterzogen. Ein erstes, von den Medien nicht genannten Ergebnis, sei genannt: Die untersuchten Kinder der beiden Konsumentengruppen unterschieden sich nicht in Frühgeburtsrate, Geburtsgewicht, Kopfumfang und Größe. Ebenfalls ungenannt blieb das Ergebnis des NICU Network Neurobehavioral Scale (NNNS), eines Tests, der die Babys im Alter von rund 30 Tagen auf ihre motorischen Fähigkeiten, ihre Aufmerksamkeit und Reflexe untersuchte. Denn im Durchschnitt unterschieden sich die Kinder auch hier nicht. Erst bei der Analyse der Ergebnisse ergab sich eine Trend bei den Kindern der Ecstasy-Konsumentinnen zu lethargischem Verhalten. Dieser Trend war allerdings nicht signifikant, wie die Autoren selber schreiben.

Erst bei den 4 Monate alten Kindern wurden die Autoren fündig. Hier fand man zwar bei den einigen Tests weiterhin keine Unterschiede, wohl aber beim „BRS Motor Quality Scale“. Hier will man in der Gruppe der Ecstasy-Konsumentinnen signifikant schlechter agierende Babys gefunden haben.

Selbst wenn sich die Ergebnisse in neuen Studien erhärten sollten, sagt dies wenig über die Schädlichkeit von Ecstasy aus. Denn weder ist klar, ob die Konsumentinnen tatsächlich MDMA zu sich genommen haben oder nicht eine der vielen Derivate, die seit Jahren des Markt fluten. Noch sind die aufgenommen Dosierungen klar. Auf diese Umstand angesprochen, gibt die federführende Autorin der Studie, Lynn Singer, an, dass die Spätschäden durchaus auch auf andere toxische Substanzen zurück zu führen sein könnten. „It could be that the sequelae are the result of some other toxic substance.“ Ein anderer Studienautor, Andrew Parrot von der Universität von Wales Swansea, verweist gegenüber der Telepolis auf seine Tablettenanalyse aus den späten 90er Jahren, in der ein hoher Anteil von MDMA vorherrschend war. Die Europäische Drogenbeobachtungsstelle kommt in ihrem Jahresbericht von 2010 für Gesamteuropa allerdings zu einer anderen Aussage: „There are no clear trends in the MDMA content of ecstasy tablets.“ Mehr noch:

„Over the last few years, there has been a change in the content of illicit drug tablets in Europe, from a situation where most tablets analysed contained MDMA or another ecstasy-like substance (MDEA, MDA) as the only psychoactive substance, to one where the contents are more diverse, and MDMA-like substances less present. This shift has accelerated in 2009, to the extent that the only countries where MDMA-like substances continue to account for a large proportion of the tablets analysed are Italy (58%), the Netherlands (63%) and Malta (100%).“

In vielen anderen Ländern werden MDMA-Tabletten seit einigen Jahren verschiedene Piperazinderivate beigemischt, wobei zur Zeit mCPP besonders beliebt ist. Auch in Großbritannien fand der Forensic Science Service im Jahr 2010 Piperazine in Tabletten, die als Ecstasy verkauft wurden.

Was bleibt? Zum einen die altbekannte Tatsache, dass die mit dem Schwarzmarkt verbundene Reinheits- und Dosierungs-Unsicherheiten validen Aussagen über die Schädlichkeit von MDMA und anderen Drogen behindern. Wenn dann noch extrem drogenaffine Konsumentengruppen für die Untersuchung rekrutiert werden, dürfte der ursächliche Zusammenhang immer schwerer zu finden sein. Auf einem wieder anderem Blatt steht, dass bei unsicherer Faktenlage der umsichtige Umgang mit psychoaktiven Substanzen vor allem während der Schwangerschaft geboten ist.

 


Kategorien
Elektronische Kultur Gesundheitssystem

Interview mit Stephan Schleim über das Gedankenlesen

www.gedankenlesen.info

Interview mit dem Autor Stephan Schleim über sein Buch „Gedankenlesen“

Frage: Herr Schleim, wer an Gedankenlesen denkt, denkt zunächst an den klassischen Lügendetektor. Mit welcher Zuverlässigkeit können die herkömmlichen Polygraphen jemanden beim Lügen ertappen?

Stephan Schleim: Schon beim „klassischen Lügendetektor“ gibt es große Unterschiede. Interessanter als die wissenschaftlichen Daten ist hier ein Blick in die Gerichtssäle: In den USA lässt kein Gericht – außer im Bundesstaat New Mexico – den Polygraphen als Beweismittel zu. Auch in Deutschland genießt er keinen guten Ruf. Urteile des Bundesgerichtshofs aus den 1950er und 1990er Jahren erklären ihn höchstrichterlich als unzulässig. Die Begründung hierzulande wie in den USA ist, das Verfahren sei nicht wissenschaftlich gesichert.

Bringt die moderne Technik mit ihren bildgebenden Verfahren da einen Fortschritt?

Die einfache Idee vieler ist: Lügen seien gedankliche Prozesse; und Gedanken fänden im Gehirn statt; also müsse man nur das Gehirn untersuchen, et voilà, schon könne man zwischen Wahrheit und Lüge unterscheiden. Wer einmal selbst Hirnforschung betrieben hat, der weiß aber: In Sachen Hirn ist nichts so einfach. Dennoch ist es manchen Forschern gelungen, unter experimentellen Bedingungen auf bis zu 90 Prozent Zuverlässigkeit zu kommen. Dabei bleiben noch viele Fragen offen – es ist aber ein beachtlicher erster Erfolg.

Also ist die Unterscheidung zwischen „Lüge oder Wahrheit“ bald gerichtsverwertbar den Maschinen überlassen?

Nein, keineswegs, das ist noch unentschieden. Wenn man einem Studenten eine Spielkarte gibt und ihm sagt, er solle jetzt immer „nein“ antworten, wenn man ihn danach fragt, und ihn zudem dafür bezahlt, was heißt das? In Wirklichkeit gibt es viele Arten von Lüge, die viel komplexer sind. Wie ich im Buch argumentiere, könnte sich ein echter Lügendetektor im Sinne einer Gedankenlese-Maschine als verfassungswidrig herausstellen. Ob die Maschinen jemals im Gerichtsaal landen, das ist noch nicht abzusehen.
Stephan Schleim
Aber die Neuro-Wissenschaft erhofft sich viel von den bildgebenden Verfahren.

Ja, das ist korrekt. Nachdem die ausgerufene „Dekade des Gehirns“ (1990 bis 2000) vorüber ist und sich nun auch das „Jahrzehnt des menschlichen Gehirns“ (2000 bis 2010) dem Ende nähert, zeichnet sich jedoch ab, dass manche Hoffnungen überzogen sind. Die bildgebenden Verfahren können Erstaunliches sichtbar machen, dennoch bleibt es wichtig, genau hinzuschauen, was einem die Daten sagen. Wir messen Bildern aufgrund unserer Alltagserfahrung oft eine erhebliche Überzeugungskraft bei – aber was bedeuten Hirnbilder wirklich? Dieser Frage wurde bisher in der Öffentlichkeit kaum Aufmerksamkeit geschenkt.

Ist es nicht bis jetzt so, dass die konkreten Inhalte des Denkens nur dann ausgelesen werden können, wenn die Vorgaben durch den Versuchsaufbau sehr eng sind? Der Proband darf also an einen Kreis oder ein Quadrat denken, nicht aber an seine Mutter?

Das kommt einem bestimmten Experiment sehr nahe, bei dem ermittelt werden konnte, ob jemand gerade an ein Gesicht denkt oder an einen Ort. Das wäre nur in einem sehr reduzierten Sinne „Gedankenlesen“. Allerdings gibt es auch schon erfolgreiche Versuche, den gedanklichen Inhalten weitaus näher zu kommen. Beispielsweise wurde es mit zehn verschiedenen Objektkategorien probiert; oder auch damit, anhand der Muster von Versuchsperson A die Erlebnisse von Versuchsperson B zu bestimmen.

Der ultimative Test einer universellen Gedankenlesemaschine wäre es aber, ein Experiment frei von jeglichen Beschränkungen durchzuführen, da gebe ich Ihnen recht. Ob es jemals so weit sein wird und wenn ja, wann, darüber lässt sich heute nur spekulieren. Es lohnt sich aber, die aktuellen Fortschritte genauer anzuschauen, um eine realistische Einschätzung darüber zu gewinnen, was schon möglich ist und was noch nicht.

Und was die Gesellschaft will.

Ja, natürlich, und dafür muss man die Datenlage richtig einschätzen können. Relativ unabhängig von dem, „was die Gesellschaft will“, dürfen die Wissenschaftler erst einmal ihrer Forschung nachgehen. Aus diesen Ergebnissen können dann technische Anwendungen entstehen, die wiederum auf die Gesellschaft rückwirken. Das wird am Beispiel der Lügendetektion mit dem Hirnscanner deutlich, wo zwei Firmen in den USA seit Kurzem mit Hirnforschern kooperieren, um diese Anwendung marktreif zu machen. Eine von beiden Firmen, „No Lie MRI“, will jetzt auch in den europäischen Markt einsteigen und plant dafür gerade eine Vorführung in der Schweiz.

Gesetzt den Fall, das Auslesen von Gedanken verfeinert sich immer mehr, lässt sich schon absehen, ob dies Auswirkungen auf das Selbstbild des Menschen haben wird? Ich kann mir vorstellen, einige Philosophen sichern schon das Terrain.

[lacht] Ja, tatsächlich versuche ich selbst, da einen Fuß in die Tür zu bekommen. Ein schlechtes Beispiel für einen viel beschworenen Einfluss auf das Selbstbild, manchmal wurde gar von einer „Kränkung des Subjekts“ geredet, stellt meines Erachtens die Willensfreiheitsdebatte dar. Da wurden manchmal Behauptungen aufgestellt, ohne überhaupt die Bedeutung solcher Wörter wie „Wille“ oder „Freiheit“ zu reflektieren. Ich frage mich, hat irgendein Mensch in Deutschland durch diese Diskussion aufgehört daran zu glauben, dass er – zumindest manchmal – aus freien Stücken handelt?
Ich wünsche mir, dass wir eine kritische Neurophilosophie bekommen, damit sich so eine verfehlte Diskussion nicht wiederholt; und ich wünsche mir, dass sich auch mehr Laien trauen, sich mit der Hirnforschung philosophisch auseinanderzusetzen: Einerseits gibt es dort nämlich wirklich Interessantes über den Menschen zu lernen, andererseits würde es dazu beitragen, dass sich die Diskussion nicht im abstrakten Raum des akademischen Elfenbeinturms verliert.

Existieren eigentlich Untersuchungen darüber, ob Liebe und Empathie uns tatsächlich die Gedanken des anderen fühlen lassen können – oder ist das ein gänzlich anderes Feld?

Was Sie ansprechen, ist sogar ein traditionelleres Forschungsfeld als das „Gedankenlesen“ in dem Sinne, wie ich es verwende. Von Natur aus können wir nämlich bestimmte Fähigkeiten entwickeln, die Gedanken eines anderen besser nachzuempfinden oder auch zu manipulieren. Haben Sie schon einmal Poker gespielt? Dann wissen Sie, wie schwer es ist. Wären wir aber perfekte Gedankenleser, dann würden solche Spiele keinen Sinn machen und auch unser sozialer Alltag wäre wesentlich härter. Das selbsterklärte Ziel der Forscher ist es nun aber gerade, es mit Hightech besser zu machen, als wir es von Natur aus können. Es bleibt spannend zu verfolgen, wie dieses Wettrennen ausgehen wird.

Das Interview führte Jörg Auf dem Hövel

Kategorien
Mixed

Projekte & Links

Wichtiger Krempel

Das Tipi
Eine Aufbauanleitung

Die Tiefe
Eine Offenbarung

Zwei Kühe wollen heilig werden
Ein Kinderbuch entsteht, ein Verlag wird gesucht

 

Webdesign von Rock Lobster

Unsere Webdesign-Agentur Rock Lobster ist unter
www.rocklobsterweb.de zu erreichen.

 

Buddies

greenmiles
Wichtig: Klimaneutrales Reisen.

DJ Elbe
Musik mit Tidenhub.

Mindline
„Hier bist du Hausmeister“, wie Stefan Ruthenberg, Geschäftsführer der Marktforschungsfirma Mindline, gerne zu mir sagt.

Techno! Go to Landmark Recordings.

Monomatic
Loops and Sounds von Rudolf Goertz, dem Schneider für den musikalischen Maßanzug.

Restaurant Mooi
Mein Lieblingsrestaurant in Hamburg.

Ulrike Willenbrink
Die Bilder von Ulrike Willenbrink sind exzellent-spaßig, 2006 gab es eine große Gesamtwerkschau ihrer Arbeiten in Westfalen, zu der ich einen Katalogbeitrag schreiben durfte.

Aliki
Die Anlaufstelle für Spielzeug aus Fernost. Christian „Hoppsi“ Hoppmann, Vater des großen Spielspaßes, werkelt hier.

Delphin
Ambulante (Alten-) Pflege in Hamburg. Hier arbeitet aufopferungsvoll Olaf Jaeckel und seine Jungs. Mit ihm habe ich lange Zeit den Floating-Tank betrieben.

McTask
Guter Projektplaner, den ich gerne für größere Projekte und zum Dateiaustausch nutze.

xcore, ehem. freaks
Eine von mir verehrte Mailingsliste, bei der ich seit 1996 subscribed bin.

 

Links

Perlentaucher
Tagesaktuelle Berichte aus den Feuilletons

Arts & Letters Daily
Etwas sehr intellektuelle, aber gute Seite zu klugen Artikeln

Freischreiber
Vereinigung Freier Journalisten

Spamgourmet
Ein Mittel gegen Spam

Leo
Leo Begriffs-Übersetzungen Englisch/Deutsch, vice versa

 

Kategorien
Gesundheitssystem Übermensch

Krebs und seine Metastasen: Es ist alles viel komplizierter

Die verschiedenen Zellen eines Tumors haben oft mehr genetische Unterschiede als Gemeinsamkeiten

Krebs entsteht aus einer einzigen entarteten Krebsstammzelle, die sich immer wieder teilt. Dabei können sich die neuen Zellen verändern. Es existieren also nicht nur unterschiedliche Arten von Krebs (über 200), sondern auch die Krebszellen eines Patienten unterscheiden sich signifikant voneinander. Hierin scheint der Grund zu liegen, weshalb bei einigen Patienten trotz der Strahlen- oder Chemotherapie bestimmte Zellen weiter wachsen.

Britische Forscher haben jetzt eine Studie veröffentlicht, in der die Tumore und Metastasen von vier Patienten mit Nierenzellenkrebs näher untersucht wurden. Die untersuchten Haupttumore variierten in sich stark und entwickelten weitere Unterlinien. Genetisch, so Studienleiter Charles Swanton, würden mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten zwischen den Krebszellen existieren. Die Ergebnisse würden sich mit jüngeren Berichten über Leukämien und Bauchspeicheldrüsenkrebs decken, zitiert die Süddeutsche Zeitung Andreas Trumpp vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ).

Es können demnach in einem Körper viele Varietäten eines Krebsstamms existieren. Eine einzelne Gewebeprobe (Biopsie) kann daher ins Leere führen. Die neuen Erkenntnisse haben unbedingte Auswirkung auf die Krebstherapie. Zukünftig wird es darum gehen festzustellen, ob eine Mutation eines Krebstumors tatsächlich häufig vorkommt. Schon jetzt weiß man allerdings, dass es solche Basismutationen nicht immer gibt. Und die Entwicklung von Medikamenten für verschiedene Krebs- und Subkrebsarten wird kostspielig.

Die Studie von Charles Swanton weist erneut darauf hin, dass Früherkennung eine maßgeblich Rolle bei der Therapie spielt. Leider funktioniert diese nicht für alle Krebsarten wirklich gut. Trotz der neu entdeckten Komplexität darf nicht vergessen werden, dass die Überlebensraten bei allen Krebsarten seit Jahrzehnten ansteigen. Zur Zeit überlebt rund die Hälfte der Patienten mindestens die nächsten fünf Jahre nach einer Diagnose.

Erschienen in der Telepolis unter http://www.heise.de/tp/blogs/3/151608

 

Kategorien
Hanf

Bayerischer Haschisch – eine wahre Geschichte

HanfBlatt

Als die Bayern auszogen den Weltmarkt mit Haschisch zu überfluten

Eine wahre Geschichte

Es begab sich einst im Jahre 1925, daß die Versuchsstation für technischen und offizinellen Pflanzenbau GmbH Happing bei Rosenheim in Oberbayern (wo sonst?) in der Fachzeitschrift „Heil- und Gewürzpflanzen“ (VIII. Bd., S. 73-82) vollmundig verkündete: Cannabis indica kann „in Deutschland überall, wo guter Weizen gedeiht, mit Erfolg gebaut werden. Unser Anbau ist längst aus dem Versuchstadium herausgekommen und zum Anbau im Großen geworden. In den letzten Jahren lieferten wir dem deutschen Großdrogenhandel 3000 Kilo und sagen deshalb…für Cannabis indica: Das englische Welthandelsmonopol wird in Kurzem der Geschichte angehören. Voraussetzung ist der Anbau einer hochwertigen, akklimatisierten Saat. Daß von uns nach den acht Jahren Auslese und Dutzenden von Analysen die Hochhaltung im Auge behalten wird, ist selbstverständlich. Im Herbste werden wir an Interessenten Samen abgeben können.“

Diese glückverheissenden Zukunftsperspektiven konnten natürlich in der etablierten Fachwelt nicht unwidersprochen bleiben. Schon damals waren die medizinischen Wirkungen des Indischen Hanfes und seiner psychoaktiven Zubereitungen, die man ganz allgemein unter dem schwammig verwendeten Begriff Haschisch zusammenfasste, umstritten. Die praktische Anwendung beschränkte sich auf einige wenige Präparate. Die Firma „Fresenius“ in Frankfurt am Main stellte beispielsweise eine Kombination des Barbiturat-Schlafmittels „Veronal“ mit dem Extrakt des Indischen Hanfes her, das „Indonal“. Diese die notwendige Dosis und die unerwünschten Nebenwirkungen des Veronals angeblich senkende Kombination fand ihren Fürsprecher in einem Wissenschaftler namens Emil Bürgi (Dtsch. Med. Wschr. 7.11.1924), vielleicht einem Ahnen des bekannten Lochfraß-Experten der Gegenwart. Vor allem landete aber der Großteil des produzierten Hanfextraktes in Deutschland als Zusatz in Einpinselungen und Pflastern auf Salicylkollodium-Basis zur Entfernung von Hühneraugen, einem Leiden über das heutzutage nur noch hinter vorgehaltener Hand gesprochen wird und das auch nicht durch engagierte Hühneraugenstiftungen oder Benefiz-Veranstaltungen vom Typ Life-Hühneraugen-Ball von sich Reden macht. Dr. Th Sabalitschka aus Berlin, der die Happinger Anbauversuche kontrollierte und die Ergebnisse publizierte, bemühte sich aber an weitere zurückliegende therapeutische Anwendungen zu erinnern. Die bereits erfolgreiche Verwendung von Cannabis bei Starrkrampf, bei Lyssa, Cholera, chronischen Rheumatismen, Delirium tremens, Husten, Strychninvergiftung und als wehenförderndes Mittel sei wissenschaftlich zu überprüfen. Es bestünde „in der Therapie für Cannabis eine vielseitige Anwendungsmöglichkeit, die aber erst richtig ausgenutzt werden kann, wenn Drogen und Präparate von bekannter und sicherer Wirksamkeit zur Verfügung stehen.“ Die Bewertung des medizinisch einzusetzenden Hanfkrautes war damals allerdings schwierig, da man die wirksamen Inhaltsstoffe noch nicht kannte. Man wußte lediglich, daß es sich bei den psychoaktiven Wirkstoffen um harzige Bestandteile handeln mußte.

Dieser Einschätzung der medizinischen Möglichkeiten widersprach Dr. Ernst Joel vom Gesundheitsamt des Bezirks Berlin-Tiergarten aufs Heftigste (Klin. Wschr. 26.2.1926). Alle genannten Indikationen seien praktisch obsolet. Er formulierte eine klassische Position der Rauschhanf-Prohibitionisten: „Wir sehen im indischen Hanf kein aussichtsreiches Heilmittel, sondern ein Rauschgift ersten Ranges, ein Genußmittel, dem im Orient Millionen von Menschen süchtig verfallen sind, ein Mittel, das nicht anders als das Opium und das Cocain seelische Alterationen bis zu psychotischen Krankheitsbildern hervorruft. Bis jetzt kennen wir in Deutschland noch keinen Haschischgenuß. Und zwar deshalb nicht, weil, wie die Geschichte der Rauschgifte lehrt, der genußsüchtige Mißbrauch an den therapeutischen Gebrauch anzuknüpfen pflegt. Es gab bei uns erst dann einen Cocainismus, als das Medikament Cocain eingeführt worden war, und es gibt weiter Cocainismus, nachdem schon das Cocain die Therapie fast verlassen hat. Es gibt keinen Haschischismus, weil der Hanf therapeutisch keine Rolle spielt. Wir werden ihn haben, wenn man den indischen Hanf popularisiert, und wir werden ihn haben, auch wenn er sich dabei therapeutisch nicht besser bewähren wird als bisher.“ Daraufhin fordert er Maßnahmen, „durch die das wissenschaftliche Arbeiten mit einheimisch wachsendem indischen Hanf unangetastet bleibt, aber sein Verkehr und seine Verbreitung schärfstens überwacht und nach Gesichtspunkten des medizinalen Bedarfs geregelt werden.“ Das „englische Welthandelsmonopol“ könnte man „leicht dadurch gegenstandslos machen, daß man – ohne Schaden – bei den Hühneraugenmitteln Cannabis indica fortläßt.“

Die so ins Rollen gebrachte Diskussion über die Notwendigkeit eines Anbaus von Indischem Hanf in Deutschland fand ihre Fortsetzung in der Antwort von Sabalitschka (Klin. Wschr. 9.7.1926), in der er einen totalen Rückzieher machte und die Versuche nur noch aus einer Bedarfssituation heraus verteidigte: Es „bestand und besteht heute noch in Deutschland ein Bedarf nach Herba Cannabis Indicae und dem daraus bereiteten Extrakt, wenn dieser Bedarf auch nicht erheblich ist. Der Bedarf Deutschlands konnte in der Kriegs- und Nachkriegszeit nicht mehr durch Import gedeckt werden.““Es war somit wirtschaftlich angezeigt oder notwendig, die Erzeugung einer dem echten indischen Hanf nahekommenden Droge in Deutschland zu versuchen.“ „Selbstverständlich soll der Anbau sich nur in den Grenzen dieses Bedarfes halten, soweit nicht auch Ausfuhr möglich ist. Der Anbau muß auch so durchgeführt werden, daß er nicht zu einer Verwendung der Droge als Genußmittel in Deutschland führt.“ „Eine Popularisierung ist wegen der damit verbundenen Gefahr des Haschischismus und einer Überproduktion zu vermeiden.“ Und zaghaft: „Durch sachgemäße Kultur unter Kontrolle durch Pharmakologen und Chemiker erscheint es möglich, zu gleichmäßiger Droge und gleichmäßigen Präparaten zu kommen, wodurch die pharmakologischen und klinischen Versuche über die Wirkung dieser Pflanze und ihrer Inhaltsstoffe unterstützt würden. Von dem Ergebnis dieser Untersuchungen wird dann die Entscheidung abhängen, ob der indische Hanf weiterhin in der Therapie irgendwie verwendet werden oder ob er allgemein aus der Therapie und den Arzneibüchern verschwinden soll.“

Joel setzt in einer „Erwiderung“ noch einen drauf, indem er eine eigene Untersuchung vorlegt, die den Einsatz von Cannabis indica-Extrakt als lokalanästhetischen Zusatz bei der Behandlung von Hühneraugen, wie dies ein Mann namens Unna Ende des 19. Jahrhunderts empfohlen und eingeführt hatte, auf Grund einer mehrere Tage anhaltenden hautreizenden Wirkung sogar als kontraindiziert erscheinen läßt. „Man bemüht sich gegenwärtig vielfach, unnütze und verteuernde Ballastbestandteile aus der Therapie zu entfernen. Hier liegt ein geeigneter Fall vor. Wir brauchen weder Einfuhr noch Anbau von indischem Hanf und sollten froh sein, mit einem zwar wissenschaftlich interessanten, sonst aber ebenso überflüssigen wie gefährlichen Mittel nichts zu tun zu haben.“

Aber zurück zu den jahrelangen Anbauversuchen: Wie bereits erwähnt, begann man, als sich während und nach dem Ersten Weltkrieges Schwierigkeiten bei der Einfuhr von Herba Cannabis Indicae (Indischem Hanfkraut) ergaben, mit den besagten Versuchen, „in Deutschland indischen Hanf anzubauen und eine hochwertige Droge zu erzielen“. Der Versuchsstation in Happing war es „gelungen, die Samen der echten Cannabis indica „Gunjah“ nach Deutschland zu bringen, mit welchem die Versuche angestellt wurden. Bei der Selektion strebte die Versuchsstation nicht nur nach einer Pflanze von hohem Harzgehalt, sondern auch von einem typischen, von der gewöhnlichen Cannabis sativa möglichst verschiedenen Aussehen.“ Es war schließlich „tatsächlich eine typische Form erreicht worden; sie ist schwächer und graziöser als die gewöhnliche Form  und entspricht dem Habitus des indischen Hanfes. Sie unterscheidet sich von der gewöhnlichen Form noch charakteristisch durch die tiefdunkle Färbung der Stengel und Stiele…

Die Züchtung dieser Form bot den Vorteil, schon aus dem äußeren Habitus Rückschlüsse auf den Harzgehalt der Pflanze ziehen zu können, während man sonst den Harzgehalt nur aus der größeren oder kleineren Klebkraft der Pflanzen beim Anfassen schätzen kann.“ Es gelang auch den Harzgehalt des geernteten Hanfkrautes erheblich zu erhöhen. Liessen sich aus dem „Ersten Nachbau aus indischen Originalsamen“ im Jahre 1917 noch nur 8,7 % Extrakt gewinnen, waren es 1918 bereits 12,4 %, 1919 17,3 %, 1920 19,8 % und 1921 20 %. In den folgenden drei Jahren pendelte sich der Wert bei knapp 19 % ein. Es wird allerdings eingeräumt, daß es sich hierbei um Werte einer besonders guten hochwertigen Droge handle. „Für die durchschnittlich geerntete Droge lagen die Werte um 1-2 % niedriger.“ Zur Extraktion verwendete man 90 %igen  Alkohol. Das nach Verdampfung des Extraktionsmittels erhaltene Produkt würde man heute „Grasöl“ nennen. Interessant auch die Schlußfolgerung der Anbauversuche: „Daraus ergibt sich, daß auch in Deutschland die Gewinnung eines Hanfes mit hohem Harzgehalt möglich ist und daß der Harzgehalt weniger vom Klima abhängt, sondern vielmehr von der Hanfrasse. Der gewöhnliche Hanf erzeugt in Deutschland ebensowenig größere Harzmengen, wie in Indien.“ Damit erklärten sich auch die früheren gescheiterten Versuche aus dem gängigen Faserhanf ein psychoaktives Präparat zu gewinnen. Obendrein zeigte sich bei den Happinger Anbauversuchen noch, „daß der indische Hanf durchaus nicht so kälteempfindlich ist“. Dennoch sollte sich vor allem der Mythos, von der klimatischen Abhängigkeit der Hanfpotenz, von zahllosen Publikationen wiedergekäut, noch über Jahrzehnte halten, ganz im Sinne der Hanfprohibition, der eine unabhängige Selbstversorgung der Konsumenten durch einen einfachen und unproblematischen Anbau in Haus, Garten und weiter Flur natürlich ein Greuel ist, wie ja jüngst das absurde Hanfsamenverbot und die Hatz auf Homegrower deutlich belegen.

1920 kam das Deutsche Cannabis Indica-Kraut erstmals auf den Markt. Der Handel in Deutschland unterlag damals noch keinen Reglementierungen. Erst 1929 wurde der Indische Hanf durch Aufnahme in das internationalen Abmachungen von 1925 folgende Opiumgesetz verboten und verschwand aus dem freien Drogenhandel. Die Indische Ware wurde Mitte der Zwanziger Jahre teurer und schwerer erhältlich, und schließlich durch als weniger ergiebig geltendes Hanfkraut aus Zansibar (Ostafrika) verdrängt. (W. Wiechowski in Prag gewann mit Petroläther aus der Indischen Droge 20 %, aus der Afrikanischen 8 % und aus der Deutschen 5 % harzigen Extrakt, wobei hier nichts über den wahren Gehalt der damals noch unbekannten Wirkstoffe gesagt war. Arch. f. Exp. Path. u. Pharm. 119. Bd. 1927) So kostete beispielsweise bei dem Hamburger Drogen- und Chemikalienhändler „Krenzin & Seifert“ Indisches Hanfkraut 1924 noch pro Kilo 15 Mark. 100 Kilogramm waren für 1450 Mark zu haben. 1925 kostete es aber bereits 35 Mark pro Kilo. Die afrikanische Ware war dagegen für 12 Mark das Kilo erhältlich. Die Drogengroßhändler „Caesar und Loretz“ in Halle, die auch eigene Anbauversuche mit Cannabis indica unternahmen und sich der in Happing produzierten Ware annahmen, hielten diese „im allgemeinen noch für besser als die afrikanische, so daß man sich mit ihr als Ersatz für die nicht zu beschaffende, echte, indische voll begnügen könne.“

Um die psychoaktive Wirkung des oberbayrischen Hanfkrautes zu belegen, konnte man letztlich auf Menschenversuche nicht verzichten. Zunächst mußte ein starker Tabakraucher ran. Während die erste Pfeife mit 2 Kubikzentimeter Inhalt keine Wirkung zeigte, hatte er nach der zweiten Pfeife „ein merkwürdiges Gefühl von Frohsein, ohne es einer Berauschung vergleichen zu können. Es war ungefähr so, wie morgens 11 Uhr ein Glas guter Weißwein wirkt.“ „Eine dritte Pfeife erzeugte nach Ablauf von ungefähr einer Stunde Ermüdung und ich schlief häufig 4-5 Stunden länger als sonst.““Nachwehen des Hanfrauchens verspürte ich nie, obwohl ich schon in einer Woche viermal je drei bis vier Pfeifen rauchte. Der Rauch des Hanfes ist nicht angenehm und erzeugt im Anfang etwas Übelkeit.“

Mit soetwas und ein paar Versuchen an Kaninchen und Hunden konnten sich die Forscher nicht begnügen. So bildete das am Pharmakologischen Institut in München (Hermann Gayer, Arch. f. Exp. Path. u. Pharm., 129.Bd., 1928) mittels Petroläther zu 3 % aus dem „Herba Cannabis ind. Happings“ extrahierte Rohharz ab 1925 die Grundlage für Versuche am Menschen. Zum Vergleich wurde persisches Haschisch extrahiert, das einen Harzgehalt von 35 % aufwies. Das Happinger Harz erwies sich allerdings als gleichermaßen potent. Gayer stellte aus dem Extrakt Tabletten her und prüfte deren Wirkung zunächst „sowohl an mir selbst wie auch an mehreren Herren des Institutes, die sich freundlicherweise zu den Versuchen bereit erklärten. Dosen von 1 g Herba können als wirkungslos bezeichnet werden, auch bei 2 g Herba ist noch keine sichere Haschischwirkung zu bemerken, dagegen kann 3 g als bei allen sechs Versuchspersonen wirksam bezeichnet werden. Hier tritt nach etwa 1-2 Stunden jene oft beschriebene unüberwindliche lächerliche Heiterkeit ein, die anfallsweise sich wiederholt. Wehrlosigkeit gegen ideenflüchtige Assoziationen, aufmerksames Lesen ist nicht mehr möglich. In der 3. Stunde apathische Bewegungslosigkeit und Entschlußunfähigkeit, psychisch Halluzinationen und Illusionen, nach 5-6 Stunden übergroße Schläfrigkeit und Schlaf, aus dem man nach 2-4 Stunden in normalem Zustande aufwacht. Bei mehreren Versuchspersonen war auffallend ein in den ersten Stunden eintretender Heißhunger.“ „Dosen von 6 g Herba sind als sehr große zu bezeichnen, hier traten schon starke Rauscherscheinungen auf mit Exaltationen, so daß die Versuchspersonen unter dauernder Überwachung bleiben mußten.“

Von diesen Versuchen berichtete auch Professor Walther Straub („Bayerischer Haschisch“, M. Med. Wschr. 6.1.1928). Ihm zufolge bewirkten bereits 0,05 g des Extraktes oral eingenommen eine „charakteristische Ideenflucht“. „Eine sichere Haschischrauschwirkung“ wurde mit 0,1 Gramm, also entsprechend 3 Gramm des Krautes, erzielt. Es stellte sich ihm zufolge heraus, daß „die Gehirnwirkung, der Rausch nach Kulturherba“ „am Menschen der Qualität nach genau derselben Art“ ist „wie die „künstlichen Paradiese“ der Literatur über orientalischen Haschisch und am Mitteleuropäer wenigstens von derselben problematischen Güte.“ Die „Herren Dr. Kant und Dr. Krapf“, Assistenten der Psychiatrischen und Nervenklinik München wurden von Professor Straub schließlich gebeten, „eine methodische, psychopathologische Analyse der Haschischwirkung“, die „nur vom Fachmann geliefert werden“ könne, beizubringen. Die beiden unterzogen sich daraufhin heroischen Selbstversuchen (Arch, f. Exp. Path. u. Pharm. 129.Bd., 1928) mit dem „Bayerischen Haschisch“. „Der Selbstversuch mit Rauschgiften ist für den Psychiater deshalb von besonderer Bedeutung, weil er ihm am unmittelbarsten das Studium krankhafter seelischer Zustände ermöglicht.“ „Wir sind daher gern der Anregung von Prof. W. Straub gefolgt, die Wirkung von Haschisch am Menschen zu studieren, und haben aus den oben dargelegten Gründen die Form des Selbstversuches gewählt.“ Dabei wurden Dosen eingenommen, die 3 Gramm, 6 Gramm und 9 Gramm des Krautes entsprachen. Auch hier zeigte sich „daß der europäische Kulturhaschisch denselben Rausch erzeugen kann, den im Osten Millionen von Menschen als einzigen narkotischen Genuß des Daseins kennen, pflegen und schätzen.“ Der in Tablettenform eingenommene Extrakt hatte jedoch einen großen Nachteil: Da er nicht in Wasser löslich war, dauerte es Stunden, bis er seine volle Wirkung entfalten konnte und „das einigermaßen begehrenswerte Stadium des euphorischen Rausches eintrat, länger als ein beschäftigter Mitteleuropäer auf einen Genuß warten könnte.“ Mit einer massenhaften Verbreitung des Haschischkonsums in deutschen Landen infolge des Bayrischen Eigenanbaus rechnete Straub nicht. „In den Schilderungen der Europäer über ihren jeweiligen Haschischrausch ist eigentlich nichts enthalten, was so sehr begehrenswert erscheint, und wohl für alle Selbstversucher ist der Haschischrausch nur Episode geblieben.“

Eine interessante Anekdote handelt noch von einer Versuchsperson, die „ohne es zu wissen, eine leere Tablette bekam“ und sich wunderte, „daß die erwartete und bekannte Wirkung nicht auftrat.“ Sie wurde nun „aufgeklärt, daß nur ein Scheinversuch gemacht wurde“. Sie „billigte dies vom wissenschaftlichen Standpunkt völlig und bekam dann die Haschischtablette. Die nunmehrige Haschischwirkung stand nun völlig unter dem nachträglich aufgetretenen Aerger über die Täuschung mit der leeren Tablette, der Aerger steigerte sich bis zur Aggressivität, die Versuchsperson wurde direkt gefährlich!“ Aber war ja auch ne Gemeinheit!;)

Bemühungen , die „mit kleinen Dosen erzielbare Euphorie“ zu nutzen, um „vielleicht einen depressiven Melancholiker vergnügt“ zu „machen“ wurden „mit dem bayerischen Haschisch in Angriff genommen“, seien „aber noch nicht spruchreif.“

Kant verabreichte das „Bayerische Haschisch“ später auch noch einigen seiner Patientinnen, um deren Reaktionen zu beobachten (Arch. f. Psych. u. N, Bd.91, 1930). „Wir gaben in der Hälfte der Fälle die wirksamen Bestandteile von 6 g, in der anderen Hälfte von 9 g Herba cannabis indica. Unsere Versuchspersonen waren 9 manisch-depressive und 10 schizophrene Frauen, außerhalb einer Phase bzw. Schubes, jedenfalls frei von akuten psychotischen Erscheinungen.“ Man wollte mal sehen, welche Symptome sich durch die „exogene Noxe“ Haschisch auslösen lassen.

Und schliesslich geriet die ganze kuriose wissenschaftliche Episode in Folge des Opiumgesetzes von 1929 in Vergessenheit. Es war einmal in Bavaria…

Kategorien
Drogenpolitik Psychoaktive Substanzen

Ayahuasca kommt vom brasilianischen in den Großstadtdschungel

Erschienen in der Telepolis

In gekürzter Form in
DU 755, Zeitschrift für Kultur, S.13

Droge oder Sakrament? Ayahuasca kommt vom brasilianischen in den Großstadt-Dschungel

Der rituelle Gebrauch eines psychoaktiven Tees mit Namen „Ayahuasca“ breitet sich weltweit aus. In den USA und den Niederlanden dürfen sich die Teilnehmerzirkel spirituell berauschen, nun sprach ein Gericht in Frankreich zwei der gläubigen Teetrinker von der Anklage frei eine verbotene Droge zu nutzen. In Deutschland ist das Fahrzeug zu Gott verboten. Ein Fall für die Sektenbeauftragten? Oder deckt gar die Religionsfreiheit den Konsum? Die Drogenpolitik zeigt sich ratlos.

Sind es nur modische Zyklen oder ist (mal wieder) ein Wassermann-Zeitalter gekommen? Genau hier fühlen sich Interessensgruppen wie Santo Daime (http://www.santodaime.org/) oder die Uniao de Vegetal (http://www.udv.org.br/) schon falsch verstanden. Sie wollen weder als „Drogenspinner“ noch als „Sekte“ bezeichnet, sondern als Glaubensgemeinschaften akzeptiert werden, bei deren Gottesdiensten statt dem symbolisierten Fleisch Christi der praktische Geist einer Pflanze gereicht wird.

Das Problem: Dieser Geist hat im deutschen Betäubungsmittelgesetz (BTMG) mit „DMT“ (Dimethyltryptamin) einen konkreten Namen. In Südamerika wird Ayahuasca aus zwei Hauptbestandteilen hergestellt: Zum einen wird die Chagropanga-Liane (Diplopterys cabrerana) oder die Blätter des Chacruna-Strauches verwendet. Sie enthalten DMT (Dimethytryptamin). Zum anderen aus einer harmin- und harmalinhaltigen Schlingpflanzen mit dem botanischen Namen Banisteriopsis. Die Schlingpflanze selbst wird wie das daraus gekochte Gebräu „Ayahuasca“ genannt. Andere Bezeichnungen sind Caapi oder Yage.(1)

Banisteriopsis_Caapi
Banisteriopsis_Caapi

Als bitteres Gebräu getrunken führt der Tee zunächst oft zu Erbrechen und danach – je nach Interpretation – zu Visionen, wilden Abfahrten durch die eigene Psyche und spiritueller Gipfelstürmerei sowie Übertritten in andere, als komplett real empfundener Gegenwelten. Dienen tut er im rituellen Kontext der Gruppen wie Santo Daime und UDV aber nicht als hedonistische Wellness-Kur, sondern der „umfassenden Heilung der Person“, wie Hans(2), ein Heute in die Niederlanden ausgewandertes Mitglied der Cefluris (http://www.idacefluris.org.br/), einer Untergruppe der Santo Daime, sagt. „Das Getränk wird bei uns im strengen rituellen Rahmen mit Liedern und Tanz eingenommen und verhilft zu persönlichen Einsichten und Klärungen. Was ist daran verwerflich?“, fragt er, wohl wissend, dass, wer in Deutschland heilen, zur Heilung oder gar zur Heiligkeit führen will, gleich mehrere Mitbewerber auf den Plan ruft.

Da sind zum einen die Mediziner, die vor der halluzinogenen Wirkung der Droge warnen. Ihre Befürchtung: Das Ritual endet nicht im Nirvana, sondern der Psychose. In Südamerika käme dies selten vor, aber in westlichen Gesellschaften herrschten gänzlich anderen soziale und mentale Strukturen. Zum anderen sind da Behörden und Gesundheits-Institutionen, die alternativen Heilmethoden gerne auf den Zahn fühlen, bevor die ersten Gläubigen Ayahuasca auf Krankenschein verlangen.

Fasziniert von dem Ritualgruppen-Phänomen sind naturgemäß auch die Sektenbeauftragten der inoffiziell zugelassenen Hüter der abendländischen „Leitkultur“: die staatlich anerkannten Kirchen. Seit die Kurie sich der Aufgabe verschrieben hat, ihre Schäfchen lieber nüchtern in die Irre, als berauscht in die Erkenntnis gelangen zu lassen, beäugen sie Mitbewerber auf dem Markt der Religionen mit Argwohn. So hat Michael Utsch, Leiter der Abteilung Psychologie und Religion bei der „Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen“ (http://www.ekd.de/ezw/ezw_https://joergo.de/index-2/l) das Böse schnell geortet: den (Ayahuasca-) Rausch. Ein Kontrollverlust unter Drogen, so Utsch, führe zum Verlust der Menschenwürde. Und wo die Würde des Menschen bedroht sei, da höre auch die Religionsfreiheit auf.

Fest steht nur: Die Domestizierung des Rausches scheint nur graduell möglich, ein gewisser Kontrollverlust gehört zum handfesten Rausch dazu, zum Teil wird er geradezu angestrebt. Die Begeisterung, mit der alljährlich Menschen auf dem Münchener Oktoberfest gegen (und auch in) die Zelte pinkeln, ist nur ein Beispiel unter vielen. Was an einem sabbernden, rumgrölenden Volltrunkenen so viel würdevoller sein soll, als an einem bekifften Rastafari oder einem unter Fliegenpilzeinfluss stehenden Steppenbewohner, ist unklar.

What goes up must come down

In der Santo Daime Kirche steht ohnehin nicht Rausch oder gar Kontrollverlust im Vordergrund, dazu sind die Rituale viel zu streng geregelt. In den brasilianischen und niederländischen psychoaktiven Gottesdiensten wird die Ernsthaftigkeit des Unterfangens in feierlicher Kleidung (Faltenröcke, weiße Hemden, Krawatte und Fliege) zum Ausdruck gebracht. Nach der Einnahme des Tees singt man über Stunden überlieferte Hymnen, in denen Werte wie Disziplin, Liebe und Festigkeit in der Ausrichtung auf die Liebe beschworen werden. Die Religion beinhaltet ein reiches Pantheon, in dem Gott, Jesus Christus, die Jungfrau Maria, König Salomon, Erzengel und christliche Heilige eine zentrale Rolle spielen, aber auch Dschungel-Entitäten und afrikanische Orixás. Die mantraartig wiederholten Hymnen (http://www.santodaime.org/archives/i_hymns.htm) strukturieren den durch das Gebräu herbeigeführten Bewusstseinzustand; zum einen durch ihren Rhythmus, zum anderen durch ihren sprachlichen Inhalt, in dem immer wieder von Liebe, Wahrhaftigkeit, Mitgefühl und Freude die Rede ist. Aus Sicht der Praktizierenden wird damit keine Gegenwelt entworfen, sondern eine „vertiefte Erfahrung genau dieser Welt im Hier und Jetzt“, wie ein anonymes Mitglied sagt.

Mitglieder der Cefluris beim Gottesdienst
Mitlieder der Cefluris bei einem Gottesdienst

Wer heute Erfahrungen mit dem allumfassenden Einen (vulgo: Gott) oder einer „heilen Welt“ hat, ist leider eher ein Fall für die Klappse als für die Kanzel. Irgendeine Institution wird für ihn feststellen, ob das nur eine luftige Halluzination oder eine ernst zu nehmende „Erscheinung“ war. Spirituelle Jubelfahrten unterliegen seit jeher einer sozialen Kontrolle, früher war die Kirche dafür zuständig festzustellen, ob man es mit einem Mystiker oder einem Scharlatan zu tun hatte. Sie war es auch, die die „korrekte“ Deutung des Erlebten vornahm. Wer heute glaubt, tief ins spirituelle Gewebe vorgedrungen zu sein, für den gibt es mehrere Optionen: Entweder wird er oder sie von den Freunden sanft von der Tanzfläche in den Chill-Out Bereich geführt oder eine andere Art von Peergroup verordnet den beruhigten Verarbeitungszustand.

Das Wundersame: Auch der Religions- und Sektenexperten Michael Utsch nimmt an, dass Rauschmittel durchaus gottesnahe Erfahrungen verursachen können. „Es gibt in dieser Gesellschaft eine Sehnsucht nach spirituellen Erlebnissen, und die sind garantiert, wenn halluzinogene Drogen ins Spiel kommen.“ Das Problem sei, dass die Deutung dieser Erlebnisse die Ritual-Gruppe übernähme und so Einfluss auf Neugierige gewänne.

Wo die Deutungshoheit nicht mehr beim Individuum selbst, sondern bei einer anderen Institution liegt, ist schnell von „Sekten“ die Rede. Für die kollektiven Liebhaber von Ayahuasca trifft diese Bezeichnung aber wohl eher nicht zu. Weder expandieren die Clubs aggressiv, noch werden aus den Mitgliedern willenlose Zombies. „Die Frage ist doch, ob die Gesellschaft Angst vor dem Phänomen haben muss“, gibt Henrik Jungaberle von der Universität Heidelberg zu bedenken. „Und das kann man verneinen, denn die Santo Daime ist in Europa nicht nur sehr lose organisiert, sondern operiert auch nicht mit einem abgeschlossenen Weltbild, welches keine anderen Meinungen zulässt.“

Henrik Jungaberle, Universität Heidelberg
Henrik Jungaberle, Universität Heidelberg

Der Mediziner und ein Team erforschen in Rahmen der von der DFG (http://www.dfg.de) geförderten RISA-Studie (http://www.risa.uni-hd.de/) Ritualgruppen und den Gebrauch und Missbrauch von psychoaktiven Substanzen. Wo der Begriff „Ritual“ lange Zeit nur in religiösem Zusammenhang gebraucht wurde, ziehen die Heidelberger die Grenzen weiter: Es geht um regelhaft-inszeniertes Verhalten, das Rauscherlebnisse kultiviert. Neben der Intention und inneren Haltung zum Drogenkonsum, dem Einhalten von selbst auferlegten Regeln und dem Einhalten einer Form spielt nach den Ergebnissen der Forscher auch der Sinnhorizont eine maßgebliche Rolle beim „ja durchaus möglichen kontrollierten Umgang mit Drogen“, wie Jungaberle sagt. Genauer: Welche Strukturen und Prozesse sind vorhanden, die ein bizarres oder aufwühlenden Erlebnis unter Drogeneinfluss einordnen?

„Es war ein Fehler“, sagt Hans heute, „Anfang der 90er Jahre diese Sitzungen in Berlin anzubieten. Das würden wir nicht wieder tun.“ Damals, genauer im Jahr 1993, hatte ein Esoterik-Veranstalter zu einem quasi-schmamanistischen Ritual in kleinem Kreis geladen. Das Flugblatt versprach die „Sprengung der Grenzen des Ego“. Was für die Teilnehmer folgte, war ein va banque Spiel mit der Psyche, die aus Brasilien eingeflogenen Cefluris-Mitglieder hatten das Ritual auf europäische Verhältnisse zuschneiden wollen.

Carsten Balzer, Ethnologe an der FU Berlin und Kenner der der brasilianischen Ayahuasca-Religionen,(3) nahm im Rahmen seiner Feldforschungen an dem Seminar teil. Bei einigen Teilnehmern kam es damals zu einschneidenden Erlebnissen, die von Weinen, Schreien und Heulkrämpfen begleitet waren. Der Leiter des Rituals zeigte sich kaum imstande, die unerwarteten Einsichten der Menschen zu kanalisieren.

Nun ist die Einnahme von Ayahuasca auch im brasilianischen Kontext kein Zuckerschlecken, immer wieder kommt es auch dort zu sogenannten „Peias“, dem Aufkommen verdrängter Erlebnisse. Diese enden aber nicht im berühmt-berüchtigten „Horrortrip“, sondern werden durch gleich mehrere Prozesse aufgefangen. Zum einen wird das Ayahuasca-Ritual durch gemeinsames Singen und Beten zum Kollektiverlebnis. In keinem der über 30 von Balzer im brasilianischen Bundesstaat Acre und in brasilianischen Großstädten wie Manaus oder Rio de Janeiro besuchten Ritualen, „entstand eine Situation die der in Berlin erlebten Situation vergleichbar wäre“. Innere Einstellung und äußere Umgebung (set und setting), insbesondere der kulturelle oder subkulturelle Kontext spielen, so Balzer, eine maßgeblich Rolle beim Erleben starker Halluzinogene wie Ayahuasca.

Zudem, merkt der Ethnologe an, sind im brasilianischen Kontext gute und schlechte Geister fest im Weltbild verankert. „Und wenn man dann während der Ayahuasca-Erfahrung einem „Krankheitsgeist“ begegnet, dann ist das keine unbedingt erschreckende Erfahrung, da die Anhänger der Religion im Ritual die „guten Geister“ rufen, von denen sie spirituelle Hilfe erhalten.“ Balzer hat vor allem die Kultur der kleinsten der drei Ayahuasca-Religionen untersucht, die der Gemeinschaft der Barquinha (port.: „kleine Fähre“), die in der ruralen Zone Rio Brancos, der Hauptstadt des Bundesstaates Acre, tätig ist. Dort habe die Gemeinschaft schon in den 60er Jahren eine Schule gebaut und helfe mit ihrem ungewöhnlichen Sakrament bei der Gesundheitsfürsorge. Balzer scherzhaft: „Leute mit gebrochenem Bein werden aber durchaus weiterhin ins normale Krankenhaus geschickt.“

Die Bindung an die Gemeinschaft sei eng: im Durchschnitt sähen sich die Mitglieder vier Mal pro Woche, dazu kämen die zahlreichen christlichen Feiertage. Trotz der geistigen Kameradschaft ist die Gemeinschaft aus Sicht Balzers keine Sekte: „Die Ayahuasca-verwendenden Gruppen in Acre sind eng mit der Geschichte Acres verwoben und ein Teil der Kultur Acres. In Acre stellen sie lokale Religionen und keine Sekten dar.“ Die nur in Acre beheimatete Barquinha sei beispielsweise nicht auf eine Ausbreitung ihrer Religion bedacht. Ihre Missionierung fände vielmehr im spirituellen Raum statt und beziehe sich vor allem auf büßende Seelen und Krankheitsgeister.

Suchende Gesellschaft

In Rio Branco, dem Entstehungsort der verschiedenen Ayahuasca-Gruppen und der Santo Daime, besteht noch heute die Urkirche des Gründers Raimundo Irineu Serra, die „Alto Santo“. Heute leitet seine Witwe den spirituellen Verein, sie spricht sich eindeutig gegen jede messianische Tätigkeit aus. Die davon abgespaltene Cefluris findet dagegen seit den frühen 80er Jahren auch in den brasilianischen Großstädten Zulauf und gründete zugleich eine Dependance in Boston, USA. Derzeit soll sie um die 5000 Mitglieder haben.

Raimundo Irineu Serra
Raimundo Irineu Serra

 

Die Ausbreitung der Zeremonien in die Städte rief 1985 endgültig die brasilianische Rauschgiftbehörde (CONFEN) auf den Plan. Sie verbot den entheogenen Trank. Die daraufhin eingesetzte Untersuchungskommission kam in ihrem Abschlussbericht zu dem Ergebnis, dass die Teilnahme am religiösen Leben der Gruppe deren Mitglieder aber durchaus „ruhiger und glücklicher“ mache und zu bei vielen zu einer „Reorganisation des eigenen Lebens“ geführt habe. 1987 hob die CONFEN daher das Verbot wieder auf.

Die öffentliche Diskussion um Santo Daime und die anderen Kirchen ebbte ab. Erst 1992, im Rahmen des ersten von der UNO organisierten Weltgipfels in Rio de Janeiro, geriet Santo Daime wieder in die Schlagzeilen: Der damalige Direktor der CONFEN, Domingo Bernardo Da Silva, besuchte mit Amtskollegen in Mapia ein Ayahuasca-Ritual und probte den kollektiven Trance-Zustand. Sein Fazit: „Veränderte Bewusstseinszustände müssen nicht unbedingt eine gefährliche Situation sein.“

Ist das Modell Ayahuasca also eine Variante zur Steigerung des Wohlbefindens ganzer Landstriche – auch im Westen? Ein Grundproblem der westlichen Gesellschaft scheint zu sein, dass sie aus allem und jedem ein Objekt der Begierde macht. Selbst wenn man den rituellen Ayahuasca-Gruppen guten Willen unterstellt: Sie stoßen hier auf eine permanent suchtgefährdetes Millieu, in dem TV-Abhängigkeit, Spielsucht und Kaufrausch herrschen. Unterfüttert wird diese Gemengelage noch von der Tendenz zur „Pharmakologisierung des Alltags“ (http://www.heise.de/tp/r4/artikel/18/18098/1.html), wie Günther Amendt dies genannt hat, in dem der Mensch „nicht mehr als soziales, sondern als manipulierbares und chemisch optimierbares Wesen“ wahrgenommen wird.

Unter den Bedingungen der entfesselten, unreflektierten Marktwirtschaft kann anscheinend Alles zur unkontrollierbaren Obsession führen, überall lauert die potentielle Suchtgefahr. Weniger wissenschaftlich als vielmehr historisch-soziologisch bedingt konzentriert sich dabei die allgemeine Aufmerksamkeit auf substanzbezogene Süchte. In einer weiteren Fokussierung orientiert sich dann die Drogenpolitik hauptsächlich an verelendeten Junkies.

So braucht nur das Stichwort der „Rauschmittel“ fallen und Oma fällt der (Kaffee-!) Löffel aus der Hand. Keine guten Karten für Gemeinschaften, die meinen, mit Hilfe eines speziellen Tees der allgemeinen und damit auch persönlichen Wahrheit näher zu kommen; mehr noch: sich in ihr zu wälzen und wie ein gut gezuckertes Weihnachtsplätzchen auf dem ewig-währenden Gabentisch zu liegen. Schnell wird vermutet, dass hier unter dem Deckmantel der Religionsfreiheit nur wilde Drogenorgien gefeiert werden.

Ein weiteres Phänomen: In Kurse der Psycho-Szene kommen oft Menschen, die nach einer heilenden, aber milden Verführung zur Persönlichkeitsentwicklung suchen. Sie wünschen sich eine sanfte Reinigung ihrer ohnehin schon gläsernen Seele, während der Ayahuasca-Sitzung erhalten allerdings sie einen Vollwaschgang ohne Weichspüler – aber mit anschließendem Schleudern. Eine Reiki-Sitzung lässt sich jederzeit abbrechen, der individuelle Sicherungskasten ist stets in Griffnähe, bei hochdosierter Ayahuasca-Einfuhr weiß der Kunde eventuell nicht mal mehr wie er heißt.

Exportware

Wenn dann noch ein unqualifizierter Zeremonienmeister die Sitzung leitet, können die hochgespülten Psycho-Innereien den Teilnehmer überfordern. „Die Rituale stehen und fallen mit der Person, die sie leitet und die in der Geisteswelt des Ayahuasca mehr als nur ein Besucher sein sollte“, sagt Nana Nauwald, die ihre Erlebnisse mit den Schamanen im Amazonasgebiet in zwei Büchern beschrieben hat.(4) Der Geist dieser Droge, so Nauwald, sei kulturgebunden und ließe sich nicht „als Instant-Geist am anderen Ende der Welt wieder zu dem ihm eigenen wirkungsvollen Einsatz bringen“.

Ethnologen wie Christian Rätsch, Autor der „Enzyklopädie der psychoaktiven Pflanzen“, äußern sich ebenfalls kritisch zum exportierten Schamanismus: „Schamanismus ist eine soziale Definition in traditionellen Gesellschaften. Man braucht ein Berufungserlebnis, man muss von einem amtierenden Schamanen geprüft werden, ob das Erlebnis echt ist, dann muss man in die Lehre und schließlich muss man öffentlich initiiert werden.“ Ab diesem Moment sei der Schamane nur noch für die Menschen da, er opfere sein angstfreies Leben dem Wohl der anderen. „Dies sind Eigenschaften, welche ich bei keinem der selbsternannten Schamanen in unseren Breiten jemals auch nur annähernd beobachten konnte“, behauptet Rätsch.

In den indigenen Gesellschaften des Amazonas-Gebiets führt ein Schamane durch den bewussten Einsatz vor allem musikalischer Elemente, wie Singen, Pfeifen und Trommelschlägen durch das Heil-Ritual und strukturiert die Visionen, die zugleich eine kulturelle Bedeutung erlangen. Für Schulmediziner nach wie vor ein Rätsel, heilen die Schamanen tatsächlich viele Krankheiten ihrer Patienten, in dem sie in der „anderen Welt“ der Ursache der Malade auf den Grund gehen. Die im letzten Jahrhundert daraus entstandenen Ayahuasca-Kirchen kopierten die Technik und vermischten sie mit christlichen und afrikanischen Elementen. Es evolvierten neue Ritualformen, die nun in Europa, Japan und den USA weiter modifiziert werden.

Ursprünge und Evolutionen

In den USA, wo Religionsgemeinschaften seit jeher größeren Schutz genießen, zugleich aber eine rigide Drogenpolitik herrscht, hat man mit substanzeuphorischen Gläubigen mehr Erfahrungen. Schon in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts erkämpfte sich die seit 1870 bestehende „Native American Church“ die Nutzung eines meskalinhaltigen Kaktus. Für sie ist – wie für Santo Daime und die UDV das Ayahuasca – der Peyote-Kaktus weniger eine Droge, als vielmehr ein Sakrament. Heute hat die Konfession um die 250.000 praktizierende Anhänger.

Der rechtliche Status von Ayahuasca ist in den USA unklar, denn die beteiligten Pflanzen sind legal, nicht aber deren Inhaltsstoff DMT. Ein Gericht in New Mexico bestätigte der UDV im November 2004 ein Recht auf Ausübung ihrer Religion(5). Die US-Drogenbehörde DEA muss nicht nur die vor vier Jahren konfiszierten 113 Liter wieder aus der Aservatenkammer holen, sie darf den Trunk zukünftig auch nicht mehr beschlagnahmen. Die Staatsanwaltschaft zeigte sich uneuphorisch, es wird wohl zu weiteren Prozessen kommen.

In Kanada ist den Mitgliedern einer Ayahuasca-Gruppe die Ausübung ihrer Religion mithilfe der Droge seit 2001 gestattet; mehr noch, die kanadischen Behörden beantragten die Ausfuhrgenehmigung des Tees beim brasilianischen Staat – was dieser ablehnte.In Brasilien und Peru(6), wo der rituelle Gebrauch ebenfalls legal ist, haben mittlerweile Zehntausende von Menschen die bittere Medizin getrunken, die größte Vereinigung Brasiliens, die 1961 gegründete UDV, zählt an die 6000 Mitglieder. UDV und die Cefluris sind eher davon überzeugt, dass Ayahuasca in die Welt getragen werden darf – wenn auch nicht muss. „Wenn das Regelwerk genau eingehalten wird, dann kann die Ayahuasca-Erfahrung für jeden Menschen hilfreich sein“, sagt Hans. Gleichwohl biete die Gruppe in Deutschland weiterhin keine Kurse an, „was nicht mit dem Verbot von Ayahuasca zusammenhängt“, wie Hans betont.

Eine Berufung auf die Religionsfreiheit dürfte vor jedem deutschen Gericht scheitern, hat diese doch ihre Grenzen. Witwenverbrennungen sind ebenso verboten wie die Opferung von Tieren – und eben auch der Konsum illegaler Drogen. Diesem wohnt aus Sicht der Juristen eine Gefahr für die ganze Bevölkerung inne, der nur dadurch begegnet werden kann, dass von vornherein verhindert werde, das Drogen zum privaten Gebrauch in die Gesellschaft gelangen.

Wissenschaftliche Untersuchungen über die langfristigen Auswirkungen des Tee-Konsum sind selten. Zehn Jahre nach dem Bericht der CONFEN examinierte eine Gruppe Wissenschaftler in den späten 90er genau 15 Mitglieder der UDV, die den Tee seit zehn Jahren rund zwei Mal monatlich tranken: Die 15 Herren erfreuten sich bester psychischer und physischer Gesundheit.(7) Allerdings fordert die UDV-Kirche von den Mitgliedern eine strenge Abstinenz von allen anderen Rauschmitteln, einschließlich Tabak.(8)

Allein der harmlosen Chemie wollte man die Gesundheit der Probanden nicht zuschreiben. Die Autoren waren sich einig, dass die Ausrichtung auf ein Ritual, das Set und Setting und die Unterstützung der Gruppe essentiell für die positiven Wirkung der Substanz ist. Fazit: Man kann Ayahuasca nicht einfach verabreichen wie ein Medikament. Das dieser Drogenmedizin inne wohnende Potential ist vernachlässigbar gegenüber dem Einfluss der sozialen Umgebung. Der Medizinpsychologe Jungaberle geht noch einen Schritt weiter: „Jede Droge entfaltetet ihre positive oder negative Wirkung primär durch das kulturelle Umfeld, in der sie konsumiert wird.“ Gleichwohl hoffen Teile der psychedelischen Gemeinde mal wieder auf ein Mittel, das Diagnose und Therapie in einem Rutsch liefert.

Was passiert, wenn die urbane Generation Ayahuasca trotz Durchfall und Erbrechen als neuen Hype und Wochenend-Trip entdeckt? Ayahuasca würde dann das gleiche Schicksal teilen wie andere Psychedelika auch, die als hoffnungsvolle Medikamente starteten und später nur noch im Untergrund gehandelt wurden. Bisher ist das nicht in Sicht, die Berichte in den entsprechenden Internet-Drogenforen weisen nicht darauf hin, das die anarchischen Liebhaber psychedelischer Erfahrungen gesammelt in die Santo Daime eintreten wollen. Der Dschungeltrip ist durch das körperliche Unwohlsein nicht besonders reizvoll und wird – wenn überhaupt – lieber in kleinen, selbstorganisierten Gruppen genossen.

Das Dilemma ist deutlich, einerseits ist die konstruktive Wirkung einer Droge ohne Ritual und Gruppenzugehörigkeit stark erschwert, andererseits sind weder die schamanistischen Strukturen noch die Riten der Ayahuasca-Kirchen, mit ihrem Mix aus brasilianischem Zauber und neochristlichen Elementen, passgenau auf westliche Verhältnisse zu übertragen. Alternativen, die sich auf Wurzeln des hiesigen Kulturkreises beziehen könnten, sind entweder unter dem Müll nationaler und nationalsozialistischer Propaganda verschüttet oder wirken durch zwei Jahrtausende Christianisierung obskur. Die mythologische Ausgrabungsarbeit steckt in den Anfängen.(9)

Die nur lockere Kopplung an Weltanschauungs-Cliquen und fromme Kollektive, verbunden mit einer Götterspeise, könnte zwar durchaus dem Zeitgeist der hiesigen individualisierten Gesellschaft entsprechen. Davor stehen aber die Wesenszüge jeder wachsenden Organisation: Wieder in der Alltags-Realität angekommen, bilden sich nämlich gerne die typischen Muster sich institutionalisierender, klerikaler Organisationen: Aus lockeren Gebrauchsmuster werden feste Ordensregeln, im Netzwerk der Gleichgesinnten entsteht eine Hierarchie, später wird die „reine Lehre“ festgelegt, Ego-Freaks mit höheren Weihen bereichern sich psychisch und materiell. Schließlich kommt es zu Abspaltungen, Aussteigern und Neugründungen. Henrik Jungaberle: „Wo man sich hauptsächlich um eine Idee oder einen Führer gruppiert, stehen immer auch die Türen zu wirren Gedankenräumen offen, zudem fühlen sich Menschen mit Unterordnungsbedürfnis angezogen.“

Grüne Träume

Seit der Mythos von der magischen Wirkung des Dschungeltrunk Ayahuasca unter den Freaks und New-Age-Jüngern die Runde macht, sieht sich das Amazonas-Gebiet einem vermehrten Ritual-Tourismus gegenüber. Wie genau sich dies auf die dort lebenden indigenen Kulturen auswirkt ist noch gar nicht abzusehen. Nach den Jesuiten kamen die Kautschukpflanzer, dann die Pharma-Konzerne auf der Jagd nach patentierbaren Urwald-Mixturen, nun die Heilssucher.

Viele der Besucher kommen nur, um Dschungel-Kino zu genießen, müssen aber nach kurzer Zeit einsehen, dass der mächtige Trunk nicht nur den Magen, sondern auch den Geist auf den Kopf stellt. Andere beteiligen sich an den angegliederten Agrar-Projekten. Für die Neo-Hippies und Hobby-Ethnologen, die fernab der westlichen Zivilisation und abseits des christlichen Glaubens ihr Seelenheil suchen, wirkt es seltsam, dass sich aus den schamanistischen Ursprüngen Religionsgemeinschaften gebildet haben, die alle eines gemeinsam haben: Sie verquicken den Gebrauch des DMT-haltigen Seelenerfrischungsgetränks mit indigenen, christlichen und afrikanischen Komponenten. Die brasilianische Gesellschaft ist reich an synkretistischen Religionen, die afro-katholischen mit indianischen Elementen mixen. Die Santo Daime entstand auf diesem Nährboden, der Erzengel Michael wird ebenso angerufen wie die Pflanzengeister.

Marienbild Auch die europäischen Ableger beten zu christlichen Heiligen, ein Umstand, der die Strafverfolgungsbehörden nicht beeindruckte. In Italien kam es im Sommer 2004 zu Durchsuchungen bei einem Santo Daime Mitglied, in Frankreich stehen momentan vier Mitglieder der Vereinigung vor Gericht – wegen des Vergehens gegen das französische Betäubungsmittelrecht drohen bis zu 12 Monaten Haft auf Bewährung.

In den Niederlanden kam es im Frühjahr 2001 zu einem Gerichtsurteil, welches von den Daime-Liebhabern als Durchbruch im europäischen Raum gefeiert wurde. Die Polizei hatte zwei Santo-Daime Mitglieder verhaftet und im konfiszierten Tee DMT gefunden. Die Ritualbrüder beriefen sich auf ihre Glaubensfreiheit, medizinische, psychologische und Religions-Experten holländischer Universitäten sagten vor Gericht aus; der Richter sprach die Angeklagten auf Grundlage der europäischen Regelungen zur Religionsfreiheit frei. Seither ist die Einnahme von Ayahuasca im Rahmen religiöser Zeremonien erlaubt.(10) Im Januar 2005 folgte nun ein französisches Gericht dieser Linie. Da zwar DMT, nicht aber Ayahuasca im französischen Betäubungsmittelgesetz steht, wurden zwei Teetrinker freigesprochen.

In Deutschland herrscht zur Zeit eine – aus Sicht Hans trügerische – Ruhe. Bei ihm fand 1999 das Bundeskriminalamt 30 Liter des psychoaktiven Sakraments, Anklage ist aber nie erhoben worden. Für Hans ein unbefriedigender Zustand, er will den Fall durch die Instanzen bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte tragen. Er und einige seiner Glaubensbrüder befinden sich im Exil in den Niederlanden.

Für sie steht fest, dass der Tee zu Einsichten in persönliches Fehlverhalten und zu einer mystischen Offenbarung der Verbundenheit allen Lebens auf der Erde führt. Weiterhin würden Perspektiven für einen sinnvollen Beitrag eines Menschen zur Verbesserung der eigenen und kollektiven Lebensqualität eröffnet. Als einen kollektiven Rausch wollen die Teilnehmer ihren Gottesdienst nicht bezeichnet sehen. Ein Mitglied: „Wieviel Kontrolle über sich selbst ist dafür nötig, um bis zu 12 Stunden einen Tanzschritt auszuführen und dabei Hymnen zu singen, die unaufhörlich den Schöpfer preisen? Zwar können psychische (Bewußtwerdungs)-Prozesse und tonische Reinigungsprozesse ausgelöst werden, die aber dienen der Heilung und nicht dem Selbstzweck eines Rausches oder Kontrollverlustes.“ Tatsächlich werden die Ayahuasca-Sitzungen intern auch „trabalhos“ (Arbeiten) genannt, weil sie von ihren Teilnehmern Disziplin und einen gewissen Gleichmut angesichts der Höhen und Tiefen der psychoaktiven Gemütslage verlangen.

Seiner Gruppe ginge es nicht um einen Export von Ritualen, sondern um „eine Art spirituelle Entwicklungshilfe“, die durch kulturellen Austausch die Entwicklung zu einer weltumspannenden Familie von Menschen weiter antreibe. Durch „die unmittelbare Kommunikation mit Gott, dem höheren Selbst und der Natur“ würde, so das Mitglied, „der Entwicklung eines kollektiven Bewußseins gedient, dass sich sowohl seiner Verantwortung für den ökologischen Schutz von, sagen wir ruhig Gaia, der Mutter Erde, als auch für die geistig-spirituelle Bildung des Menschen bewusst ist.“

Das Falscheste wäre, so meint Jungaberle, die Ritualgruppen durch eine weitere Illegalisierung in den Untergrund zu drängen. „Zwar besteht auch bei so einer Gemeinschaft wie Santo Daime die Gefahr“, so Jungaberle, „dass sich rigide Strukturen und Führerkult herausbilden, aber das ist momentan überhaupt nicht zu beobachten. Es wäre hilfreicher den Dialog zu suchen“. Dies wird unter deutscher Gesellschafts- und Gesetzeslage vorerst ein frommer Wunsch bleiben, denn was für die einen ein Sakrament ist, bleibt für die anderen ein strafbewehrtes Sakrileg. Wer die göttlichen Urgründe des Seins erkunden will bleibt auf weltlich legale Praktiken angewiesen.

Der ewige Wunsch des Menschen nach geistig-spiritueller Bettung geht in bemerkenswerter Weise mit der (seit den 60er Jahren zu beobachtenden) Wiederaufnahme der Kommunikation mit der Natur und dem innersten Selbst zusammen. Protest- und spirituelle Drogenkultur gingen eine kurze Zeit Hand in Hand. Seither ahnen viele was gemeint ist, wenn von „kollektivem Bewusstsein“ die Rede ist – nur über den richtigen Weg in die bessere Welt ist man uneins. Das ausgerechnet die lange verteufelten „Drogen“ eine positive Rolle bei der Entwicklung hin zu einer neuen, ökologisch fundierten Spiritualität spielen könnten, dies ist das eigentliche Tabu, an dem nun die Ayahuasca-Religionen rütteln.

Fußnoten

(1) Umfassend, aber bisher leider nur in portugiesischer Sprache: Beatriz Caiuby Labate and Wladimyr Sena Araújo: O Uso Ritual da Ayahuasca, 2002.
(2) Name von der Redaktion geändert.
(3) Carsten Balzer: Wege zum Heil: Die Barquinha. Ein religiöses Rettungsboot auf den unruhigen Wogen des kulturellen sozialen Chaosmos amazonischer Welten, Berlin 1999.
(4) Nana Nauwald: Bärenkraft und Jaguarmedizin. Die bewusstseinsöffnenden Techniken der Schamanen, 2002. Dieselbe: Der Gesang des Jaguars. Mein Leben bei den Schamanen des Amazonas, 2003.
(5) Fall UDV v. Ashcroft, nachzulesen unter
(6) Zu den indigenen Kulturen dort siehe die Habitulationsschrift von Barbara Keifenheim: Wege der Sinne. Wahrnehmung und Kunst bei den Kashinawa-Indianern Amazoniens. Frankfurt a.M. 2000. Für Kolumbien und die dortige amazonische Ayahuasca-Kultur siehe: Michael Taussig: Shamanism, Colonialism and the Wild Man, 1987.
(7) Charles S. Grob, u.a.: Human Psychopharmacology of Hoasca. A Plant Hallucinogen Used in Ritual Context in Brazil, in: Journal of Nervous and Mental Disease, Nr. 184, 1996, S. 86-94.
(8) Eine Übersicht über das mögliche therapeutische Potential von Ayahuasca gibt Dennis J. McKenna: Clinical investigations of the therapeutic potential of ayahuasca: rationale and regulatory challenges, in: Pharmacology & Therapeutics, Volume 102, Nr. 2, Mai 2004, S. 111-129.
(9) Zur druidischen Kultur siehe Wolf-Dieter Storl: Pflanzen der Kelten. 2000.
(10) Zur Situation in den Niederlanden siehe Govert Derix: Ayahuasca, eine Kritik der psychedelischen Vernunft, 2004. Zugleich ein guter Einblick in die Arbeit der UDV.

Kategorien
Cognitive Enhancement Drogenpolitik

„Hirndopende“, „Soft-Enhancende“ und „Nicht-Anwender“

Deutsche Studenten sind reserviert gegenüber dem Hirndoping – die erste vernünftige Studie zum Thema zeigt die geringe Verbreitung des Phänomens

Begriffe formen die Welt, aber so richtig wollte sich nie jemand mit dem Begriff des „cognitive enhancement“ anfreunden. Also Hirndoping. Das impliziert zwar Illegalität, aber egal, dachten sich die universitären und medialen Wortschöpfer. Die Welle der Studenten und Angestellten, die sich mit allerlei Mittelchen in den hyperkognitiven Orbit schießen, wollte allerdings nie richtig anlaufen. Aus anekdotischen Berichten (Nature-Befragung), kruden Selbsterfahrungsartikeln ((;-))) und Studien (DAK-Erhebung unter Arbeitsnehmern) konnte wenig Konkretes gezogen werden – es rappelte gleichwohl in der Pressekiste (z.B. hier).

Gut, dass es den HISBUS gibt. In diesem Online-Panel finden regelmäßig Befragung von Studenten statt und, wichtig, die Ergebnisse sind repräsentativ für alle Studierenden in Deutschland. Zwischen Dezember 2010 bis Januar 2011 nahmen knapp 8.000 Studenten an einer Befragung teil, die den Dopingleidenschaften der kommenden wirtschaftlichen und kulturellen Intelligencia auf dem Grund gehen wollte. In den Ergebnissen (in ihre Gesamtheit hier als pdf) und ihrer Interpretation finden sich gleich mehrere erhellende Elemente.

Um den freizeitorientierten Gebrauch auszuschließen, wurde in der Untersuchung die entscheidende Frage gestellt: „Welche Substanz(en) haben Sie zur eigenen geistigen Leistungssteigerung und/oder zur Beruhigung (nicht aus Genussgründen oder im Rahmen ärztlicher Verordnung) eingenommen?“

Glaubt man den Antworten, dann haben nur 5% der Befragten jemals eine psychoaktive Substanz eingenommen, um gezielt leistungsfähiger oder entspannter zu werden. Ist das viel? Ist das wenig? Angesichts der verschiedenen Mittel, die hier angegeben wurden, wohl eher wenig. Denn nicht nur die klassischen „cognitive enhancer“ wie Ritalin und Modafinil fallen unter die Autoren-Definition des Hirndoping, sondern auch Drogen wie Cannabis, MDMA, Speed und Kokain sowie Arzneimittel wie Betablocker, Schmerzmittel, Schlafmittel und Antidepressiva. Zudem beruft sich knapp die Hälfte derjenigen, die eine derartige Substanz eingenommen haben, auf den „ganz seltenen“ Gebrauch der Mittel. Am häufigsten werden leistungssteigernde Mittel zur direkten Prüfungsvorbereitung eingesetzt.

In einem mutigen Schritt entschlossen sich die Autoren der Studie, die Studenten in drei Gruppen einzuteilen: „Hirndopende“, „Soft-Enhancende“ und „Nicht-Anwender“. Die Hirndoper sind die oben genannten 5%, die Soft-Enhancenden weitere 5%, die ihre Leistungen versuchen zu optimieren, indem sie Vitaminpräparate, homöopathische und pflanzliche Substanzen sowie Koffein einnehmen.

Erhellend sind ja immer die absoluten Zahlen. Von den 7.989 Studenten, die diese Frage beantwortet haben, gaben 100 (1,3%) Personen Medikamente, 97 (1,2%) Cannabis, 77 (1,0%) Ritalin, 49 (0,6%) Betablocker und 38 (0,5%) Amphetamin an. Die größte Gruppe ist allerdings die der nachkodierten Soft-Enhancer und damit Anwender von pflanzlichen bzw. homöopathischen Mitteln: 344 Personen (4,3%) fügten ein, dass sie mit solchen Mitteln nachhelfen würden. Der eine Zeit lang als der „cognitive enhancer“ schlechthin gefeierte Wirkstoff Modafinil wurde von 17 Personen (0,2%), darunter nur eine Frau, genannt.

Schränkt man die Auswertung auf die sogenannten Hirndopenden ein, nehmen mehr als ein Drittel (35 %) von diesen Medikamente verschiedener Art ein, um sich zu fördern. Cannabis wird von fast jedem vierten Hirndopenden (23 %) zur Bewältigung studienbezogener Leistungsanforderungen konsumiert, Ritalin von 18 % .

Interessant sind die Bezugsquellen dieser substanzaffinen Gruppe. Der Großteil (43%) erhält ihr Mentaldoping nämlich vom Arzt verschrieben oder kauft es sich in der Apotheke (42%). Gewusst wie: Die ärztliche Verschreibung wird von Medizinstudenten mit 62 % signifikant häufiger als von Studierenden anderer Fachrichtungen angegeben. Nur ein Zehntel der Hirndoper bestellt eine Substanz im Internet. Der Hirndoping-Markt, wenn man ihn denn so nennen will, organisiert sich also weitgehend auf legalen oder Off-Label-Wegen über das deutsche Gesundheitssystem. Die Autoren der Studie jedenfalls gehen davon aus, dass die Studierenden beispielsweise auf Rezept Schmerzmittel oder Betablocker erhalten, diese jedoch während der Krankheit nicht vollständig verbrauchen und sie später außerhalb der Indikation für Hirndoping-Zwecke einnehmen.

Als Randbemerkung wird der relativ hohe Anteil der Hirndopenden unter den Studierenden der Veterinärmedizin und des Studienbereichs Sport und Sportwissenschaften (18% bzw. 14%) erwähnt. Es dürfte interessant zu eruieren sein, was genau die Veterinärmediziner hier so gerne einnehmen. Vielleicht sollte man die Ketaminbestände in den Institutskellern mal genauer überprüfen.

Nicht um geistige Leistungssteigerung, sondern um die Linderung von Nervosität und Lampenfieber geht es den Meisten

Nun versucht man wie üblich, den Dopern besondere Persönlichkeitseigenschaften nachzuweisen. Wenn man es genau nimmt, unterscheiden sich die Doper von ihren Komilitonen nur wenig. Obwohl sich die Autoren dazu hinreißen lassen, Hirndopern mangelnde Gewissenhaftigkeit im Studium nachweisen zu wollen. Zitat: „Viele Hirndopende haben offenbar geringer entwickelte Fähigkeiten zu planvollem und organisiertem Vorgehen, was sich auch auf das Lernverhalten im Studium auswirken dürfte. Durch die Einnahme von leistungssteigernden Mitteln versuchen sie möglicherweise, unzureichende Organisationsfähigkeit und einen eventuellen Hang zu Prokrastination zu kompensieren.“ Das ist schön formuliert, anders gesagt nehmen diese sympathischen Mitbürger das Studium einfach etwas lockerer. Im entscheidenden Moment, kurz vor der Prüfung, wird dann durchgebüffelt, wobei es einen kleinen Anteil gibt, denen Kaffee dann nicht mehr ausreicht.

Wohlgemerkt geht es den Hirndopern überwiegend ohnehin nicht um geistige Leistungssteigerung, sondern um die Linderung von Nervosität und Lampenfieber. Daher die „hohen“ Werte für Betablocker und Medikamente. Nach ihrem Grund der Einnahme befragt waren Mehrfachnennungen möglich. Fast 50% der Doper wollen sich beruhigen, nochmal ein Drittel bekämpft Schmerzen. Selbst unter den als „Hirndopern“ definierten Studenten gaben nur 35% an, das Mittel eingenommen zu haben um schlauer zu werden.

Vieles spricht also dafür, das Phänomen „Hirndoping“ in die Mottenkiste der unscharfen Begriffe einzulagern. Hier wird nicht gedopt, sondern sediert, gefeiert und optimiert. Die Übergänge zwischen studentischer Vergnügungslust, Stressabbau, Gesundheitserhaltung über Ernährung und Nahrungsergänzung sowie lernorientierenden Konsumverhalten sind fließend. Und einer Stigmatisierung von Gesellschaftsgruppen zu „Hirndopern“ will ja wohl hoffentlich niemand Vorschub leisten. Ein Trend zu „leistungssteigernden Psycho-Pillen“, wie er gerne behauptet wird, so viel hat die Untersuchung klar gemacht, ist jedenfalls für deutsche Studenten nicht zu erkennen.

Erschienen in der Telepolis unter http://www.heise.de/tp/blogs/3/151391