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Elektronische Kultur

Interface 5

Erschienen in telepolis, 17. Oktober 2000

Jenseits von Gut und Böse

Auf der Interface 5 diskutiert man die Politik der Maschine – allerdings ohne Zuhörer

Interessant wird es auf Symposien ja oft erst, wenn die Zuhörer Fragen stellen oder Anmerkungen haben. Das sind die Momente, in welchen sie beweisen können, dass sie den Referenten verstanden haben oder sogar ein Stück schlauer sind als er. Auf der Interface 5 (www.interface5.de), einer medientheoretischen Veranstaltungsreihe der Kulturbehörde der Hansestadt Hamburg, musste keiner mit Verständnis- oder gar kritischen Fragen rechnen – die Experten blieben wieder einmal unter sich. Schade eigentlich, denn hier wurde die „Politik der Maschine“ diskutiert, die „Bilder, Phantasien und Wirklichkeiten der informierten Gesellschaft“. Immerhin stieg das Publikumsinteresse über die drei Tage sukzessiv an: Vier, zehn und fünfzehn zahlende Gäste verbuchte die Kasse.

Einstimmen auf den bunten Nachmittag will Wolfgang Coy, Professor für Informatik an der Humboldt-Universität Berlin, mit seinem Vortrag über „Die virtuelle Logik der Maschine“. Um „Logik“ geht es allerdings nicht, eher um „Imanigation“ und die historische Aufarbeitung der Überzeugungskraft von Bildern und Illustrationen. Von den geometrischen Beweisen eines Pythagoras oder Euklids, über die Seekarten, den mathematischen Beweisen bis hin zu den Schaltpläne der Elektronik; das Bild, so Coy, stand und steht als visuelle Argumentation gleichwertig neben der Schrift und kann durchaus dessen Präzision erreichen. Mit den technischen Instrumenten wie dem Mikroskop oder dem Fernglas eines Galileo Galilei erhielten die Bilder zwar eine neue Beweiskraft, sollten sie doch exakte Abbildungen des Wirklichen sein, zugleich wurde aber immer deutlicher, dass auch das berechnete Bild unscharf ist und der Interpretation bedarf. „Wobei die Trennung von logischer und emotionaler Argumentation oft schwierig ist“, wie Coy annimmt. Wem das im Raum nicht klar ist, dem hilft Coy mit einem Beispiel auf die Sprünge: Hersteller wie Siemens und Phillips verraten den Ärzten, dass ihre kernspintomografischen Geräte nicht nur Falschfarben integrieren, sondern auch vorinterpretieren und extrapolieren. „Kein Tumor hat solch exakte Grenzen wie uns eine Aufnahme weiß machen will.“ Simples Credo: Zum einen ist für Coy die Betrachtung eines Bildes nicht nur in der Kunst der Kontext (kursiv) relevant, zum anderen „kann der Text nicht alles ersetzen“, das Bild bleibt Stütze argumentativer Strukturen medialer Gesellschaften. Pause.

Zurück im Saal steht Friedrich Kittler auf dem Podium. Ist es dessen kaum verständliches Stakkato aus Militär-Metaphern oder die Tatsache, dass er keine eigene Präsenz im WWW besitzt, die ihn zum „führenden Vertreter der deutschen Medientheorie“ macht? Von Beruf ist Friedrich Kittler Professor für Ästhetik und Geschichte der Medien , ebenfalls an der Humboldt-Universität in Berlin. Während seines „Ausblicks in die nächste Computerzukunft“, welcher der Verteufelung von Microsoft und der historisch falschen Heroisierung von Linus Torvald weiter Vorschub leistet, kommt es zu fluchtartigen Abgänge der Zuhörer. Da staunen auch die Kollegen aus der scientific community nicht schlecht. Nach mehr oder weniger gelungenen Metaphern, „…und so stieß das Internet wie ein Falke auf unsere Schreibtische“, ist die Zeit für Tabakgenuss reif.

Lässig geht es Steven Johnson an. Der Autor von Interface Culture (http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/buch/3453/1.html) ist Fan von Slashdot , der Online Community, die als eine Quelle der Open-Source-Bewegung in den USA gilt. Sein Vortrag „The Internet from below“ kreist um die Frage, ob die Qualität der Kommunikation in Online Communities gehalten werden kann, wenn diese eine gewisse Größe übersteigen. Seine Antwort: Ja – und Slashdot zeigt seiner Ansicht nach auch wie.

Jede Mailing-Liste leide unter zwei Typen: Dem Lurker, der nur mit liest und damit zu wenig mailt und dem Crank, der gerne stänkert und zuviel mailt. „Wir kennen ihn alle, den Typen, der jede Diskussion auf sein Lieblingsthema zurück führt oder einfach nur spam erzeugt“, vermutet Johnson in den Saal hinein. Das Problem: Der Crank gibt die Themen vor. Auch Slashdot kämpfte mit diesen Problemen, bis, ja bis die Quality Filter eingeführt wurden. Zunächst Privileg einer Elite durfte später jeder User jede Mail auf einer Skala von eins bis fünf bewerten.

Johnson kommt in Fahrt: „Denken sie an Norbert Wiener und seine Feedback-Schleifen, das System bewertet sich selbst!“ Heute arbeitet beispielsweise amazon (http://www.amazon.com) mit einem Rating System und Johnsons Ansicht nach wird in Zukunft kaum noch eine Webpage ohne Bewertungssystem arbeiten. „Das ist irgendwann so wie heute eine Website ohne Link.“

Damit ist das Stichwort für den zweiten Tag des Symposions gefallen, dass der „Selbstorganisation“. In der Liste der paradigmatischen Begriffshypes hat es der Begriff der „self organization“ auch bei den Medientheoretikern ganz nach oben und damit bis nach Hamburg geschafft. Hier war die zirkuläre Logik allerdings schon länger bekannt – die Hafenarbeiter dürfte es freuen, dass ihr „Wat mut, dat mut“ es bis in die höchsten Höhen der Elfenbeintürme geschafft hat.

So auch bei Klaus Mainzer, Philosoph, Wissenschaftstheoretiker und Professor. Die Analogie der Evolution, dem Gehirn und den Computernetzen ist Thema seines Vortrags und seine Reise durch zelluläre Automaten, DNA-Computing und genetische Algorithmen ist komplex und schnell. Neben einem Gruß an die Apologeten des gedruckten Buches („…und diejenigen, die das heilige Buch hochhalten, müssen sich vorhalten lassen, dass die Gutenberggalaxis eben auch nur eine sozialisierte Welt ist, zudem nur ein paar 100 Jahre alt, und lineare Wissensvermittlung kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein…“) führt er aus, dass die Zukunft des Computers in seiner Verlagerung in intelligente Umgebungen liegt. „Computer sollen den Kopf frei machen, uns nicht überlasten. Auch das Global Networking sollte als technischer Dienst am Nutzer entwickelt werden, nicht als dessen Vergewaltigung.“ Offenbar arbeitet der Mann mit Windows.

Begeisterung ist im Raum zu spüren, als Mainzer die suggestive Ähnlichkeit von Internet und neuronalen Netzen wie dem menschlichen Gehirn visualisiert. Das Netz als Ausstülpung des Hirn, da wartet Super-Intelligenz, aber auch verkopfter Größenwahn eines Marvin Minkys oder Hans Moravecs. Ob die von Mainzer geforderte Besinnung auf alteuropäische Werte angesichts der Hegemonie der US-amerikanische Ideologie des „it´s good because it works“ ausreicht? Und: Diejenigen, die das heilige Gehirn hochhalten, müssen sich vorhalten lassen, dass die Suggestionskraft der „Ausstülpung des Gehirns“ eben auch Ausfluss und Nachwehe des „Decade of the brain“ ist. Leerer Magen und krummer Rücken denken anders.

Womit der Übergang zu Hartmut Böhmes Vortrag gelungen ist, welcher über die historischen Vorläufer der Enträumlichung und Körperlosigkeit im Cyberspace referiert. Schon Emanuel Swedenborg entwarf 1758 in einer Erzählung eine Population, deren Mitglieder ihr Fleisch und Blut abstreifen mussten, um die Schwelle zu einer körperlichen Sphäre zu überschreiten. Akribisch malte Swedenborg das Bild einer himmlischen Gesellschaft, die den Konzepten des heutigen Cyberspace schon sehr nahe kam. Damals war es die aufkeimende Wissenschaft von der Elektrizität, die Phänomene wie den Mesmerismus hervorbrachte. Böhme, Professor für Kulturtheorie, unterstreicht damit anschaulich, dass an jedes neue technische Medium Heilserwartungen und auch transzendente Wünsche gestellt wurden. Böhme: „Noch sind wir meist Schamanen, die ins Netz mit ihrem Namen gehen uns zwischen den Realitäten wandern. Interessant wird es, wenn die Referenzadresse in der Realität fehlt. Dann hat man keine Adresse, man ist eine Adresse.“ Letztlich sei der Cyberspace aber „nur“ die Fortsetzung des Eintauchens in virtuelle Welten, wie sie die Menschen schon aus dem Lesen von Romane und dem Betrachten von Theaterstücken kennen. „Nur haben wir hier eine neue Art der Überwältigungsästhetik, die -multimedial komplex- die gesamten sensorischen Sinne aufgreift. So gesehen wäre der Cyber-Leib die Vollendung unserer Kultur, ihr wahrer Himmel – oder ihre wahre Hölle.“

Was bleibt mehr sagen am Ende der Interface 5? Um in der Sprache der Experten zu bleiben: Im selbstreferentiellen Reigen sich selbst bestätigen und im vorauseilenden Theoretisieren von der Praxis entfernen, dies wird vielleicht von der Kulturbehörde großzügig gesponsort, vom Publikum aber ignoriert. Völlig ausgeblendet blieb die „Stecker-Raus“-Problematik, denn bei fortschreitender Umweltzerstörung wird auch das Novum des ausgehenden Jahrtausend, der Cyberraum, nicht mehr existieren, basiert er doch wie letztlich Alles auf den Ressourcen der natürlichen Umwelt. Dies war nicht Ziel der Interface 5, wäre aber sicherlich für weitere Veranstaltungen dieser Art zu berücksichtigen, sieht man einmal von einer Öffentlichkeitsarbeit ab, die mehr als 30 Bürger in drei Tagen lockt.

 

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Cannabis Grower Area

Warnung, Tarnung, Mimikry – Indoor-Anlagen

HanfBlatt 9-10/2000

Warnung, Tarnung, Mimikry

Gegenwart und Zukunft von kleinen und mittleren Indoor-Anlagen

Der Entschluss steht, Tomaten sollen im Haus gezüchtet werden. Einige Tipps für den Start in die Karriere als Gemüsebauer unter besonderer Berücksichtigung der Energieversorgung, der Tarnung und des Internet.

Klein anfangen ist immer besser als groß enttäuscht werden, also schnappt man sich zunächst die Abstellkammer, die zwischen 1 und 2 m/2 bietet, bevor man die Carrera-Bahn aus dem Weg räumt um auf 4 m/2 sein Glück zu versuchen. Da bietet sich entweder eine 400 oder 600 Watt Lampe an, um die Lieblinge gen Decke streben zu lassen. Die Birne einer 400er Funzel ist aber schon nach der zweiten Ernte so abgenutzt, dass sie nicht mehr die nötigen Lumen (etwa 50.000) pro m/2 abstrahlt. Also lieber gleich in eine 600er Lampe investieren. Weder der Raum noch der Betreiber der Anlage sollten unter Strom stehen, wenn die Energieversorgung geplant und gelegt wird.

Wichtig ist, dass eine Sicherung im Haus- bzw. Wohnungskasten frei ist. An diese hängt man die gesamte Growanlage und nix anderes. An eine gängige 16 Ampere Sicherung können maximal 3600 Watt angeschlossen werden. Betreibt man später 4 Lampen mit 600 Watt und dazu Pumpen, Ablüfter und Wasserpumpen wird dieser Wert annähernd erreicht. Dazu kommen die Spannungspitzen beim Anschalten der Lampen, die ohnehin zeitversetzt angeworfen werden sollten. Entgegen aller Angaben ist die normale Haussteckdose nur in der Lage maximal 10 Ampere (2200 Watt) zu liefern. Darüber schmurgeln die Stecker. Als Bahilge bieten sich blaue Campingsstecker an, die im Fachhandel zu bekommen sind.

Im Grow-Raum läuft neben Strom auch Wasser: Hier heißt es sauber arbeiten, billige Kabel und Zeitschaltuhren gehören zum Aquarium, nicht in diesen Raum! Physik, 7. Klasse: Je größer der Durchmesser einer Kupferader, desto geringer ihr Widerstand gegenüber dem Strom. Ergo: Möglichst dicke, steife Kabel und nicht die von der 40 Watt Schreibtischlampe übrig gebliebenen verwenden. 2-Wege-Digital-Zeitschaltuhren sind zwar teuer, im Elektrofachhandel aber oft im Angebot. Ein FI-Schutzschalter schützt vor tödlichen Stromschlägen, sollte aber auf der anderen Seite nicht zu empfindlich sein, damit er nicht ständig die Lichter ausfallen. Ein 25A/0.01 FI-Schutzschalter beispielsweise setzt schon mal gerne aus, wenn ein Hund an die Laterne vorm Haus pinkelt.

Klug ist das setzen eines Nachtstromzählers. Dies kostet neben einem Anruf beim Elektrizitätswerk etwa 100 Mark, die sich aber schnell amortisieren. Ein paar Tage später kommt der freundliche Mann vom E-Werk und stellt den Zähler um, der sich zumeist im Hausflur und nicht in der Wohnung befindet. Stromdiebstahl und Wasserklau sind äußerst unklug bei einer so heiklen Angelegenheit wie der Tomatenzucht. Denn dann geht es auch noch um Diebstahl.

Unter Strom

Der erhöhte Stromverbrauch fällt bei den voll automatisierten Abrechnungssystemen der E-Werke kaum noch auf. Trotzdem ist es klug, langsam den Verbrauch zu erhöhen und nicht gleich mit einer 20 Lampen Anlage ans Netz zu gehen. Falls jemand dumm fragt – immer einen lockeren Spruch auf den Lippen parat halten. Wäschetrockner, Radiatoren, Halogenfluter und Scheinwerfer für Fotostudios verbrauchen ebenfalls viel Strom. Ein weiterer Tipp: Für die monatlichen Abschlagszahlungen sollte man vorher den Stromverbrauch errechnen und sich dann gleich hoch einstufen lassen. Dann ist der Puffer größer, falls man eine zweite und dritte Lampe hinzunimmt. Spätestens jetzt gilt es mal zusammen zu rechnen, was sonst noch so an Strom im Haus verbraucht wird. Alte Waschmaschinen brauchen ebenfalls viel Strom – wenn dann noch Computerbildschirm und Staubsauer laufen bretzeln die Leitungen. Vorsicht!

Der Growraum ist im Keller meist besser aufgehoben als unter dem Dach, denn hier wird es im Sommer meist zu warm. Ab 28 Grad geht es abwärts mit den Lieblingen, sich stauende Wärme mögen sie überhaupt nicht. So oder so sollte man mit dem Ablüfter großzügig sein. Zu präferieren sind Schneckenhauslüfter – diese sind robuster und leiser als Axiallüfter. Der Durchmesser der Flatter- bzw. Ventilklappe für die Zuluft muss unbedingt größer als der Durchmesser für die Abluft sein, sonst pfeift es.

Nach einiger Zeit der sorgsamen Beäugung der Pflanzen und der erfolgreichen Ernten wächst meist der Wunsch nach Vergrößerung und Automatisierung der Anlage. Hierzu folgendes: Bei einem gut ausgestatteten Raum mit rund vier m/2 kommen schnell 4000-5000 Mark Anschaffungskosten zusammen – das will gut überlegt sein für eine einfache Tomatenzucht. Beliebt sind und bewährt haben sich die Poot HS-2000 600 Watt HPS für die vegetative Phase und die 600 Watt PHILIPS SON-T Plus HPS für die Blütephase. Dazu das Hygro/Thermostat der Firma EBERLE und man ist ganz vorne dabei. Mit dieser Steuerungseinheit können vier verschiedene Geräte kontrolliert werden: Lüfter, Heizsystem, Befeuchtungssystem und Entfeuchtungssystem. Wichtig: Für die Kontrolle einen Halogendimmer verwenden.

Auf gute Nachbarschaft

Die Planung fängt allerdings bei einem sauberen An- und Abtransport der Anlage an. Es ist unreif Nährboden (am besten Kokos-Perlit oder Seramis), Lüfter und Lampen offen über die Straße zu tragen. Die Geräte gehören in Kartons verpackt. Das selbe gilt für den Abtransport von Müll und den etwaigen Umzug der Anlage. Von Anfang an gilt es darauf zu achten nicht zum Freak in der Straße zu werden. Nachbarschaft will gepflegt werden und der „Künstlertyp, der anscheinend nur Nachts arbeitet“ erregt schnell Aufsehen. Und: Auf dem Land wird man noch schneller zum Sonderling, vor allem wenn man viel zu Hause arbeitet. Also nicht nur Nachts vorfahren, um die Schätzchen ins Bett zu bringen.

Duft-, Licht- und Geräuschaufälligkeiten müssen vollkommen vermieden werden. Gummiabdichtungen im Türrahmen sind Pflicht, das helle Licht der Anlage gilt es vollkommen abzuschirmen. Bei Räumen mit Fenstern zur Straße oder dem Hinterhof bietet sich die Konstruktion eines zweiten Fensterrahmens an, in welchen man eine Schreibtischlampe stellt, die per Zeitschaltuhr an- und ausgeschaltet wird. Wechselnde Designs (Blumen, Bilder usw.) täuschen zudem hervorragend Leben vor. Die Wasserpumpe muss gedämpft aufgestellt werden. Wer hat nicht schon einmal Nachts wach gelegen und auf die vielen Geräusche im Haus geachtete. Wenn dann die Pumpen dröhnen klappt es nicht mehr mit dem Nachbarn. Alle Vibrationen sind gut abzufedern. Benutzt man ein Holzgestell für die „Sea of Green“ sollte dieses nicht an die Wand gebohrt werden. Den Lüfter kann man beispielsweise an dünne, aber starke Segelseile hängen.

Für die Zukunft bietet sich die verstärkte Einbeziehung des Internet an: Flatrates kosten heute wenig, der PC oder Mac kann über 24 Stunden am Netz gehalten werden. Eine alter Computer reicht vollkommen aus, um dann die Daten der Grow-Anlage aufzunehmen und verschlüsselt ins Internet zu senden. Vier Messwerte reichen aus, um einen reibungslosen Lauf der Anlage zu gewährleisten: Luftfeuchtigkeit, Temperatur, EC- und PH-Wert. Wer es ganz besonders sicher machen will, lässt auch noch etwaiges Klingeln an der Haustür speichern. Schon heute gibt es die Möglichkeit, eine Webcam vor den Instrumenten aufzustellen und den PC zu festgesetzten Zeiten eine Netzverbindung etablieren zu lassen. Über eine „geheime“ Adresse im WWW lassen sich dann die Instrumente ablesen: Der Stand der Dinge ist stets überprüfbar – und das ohne den Raum persönlich besuchen zu müssen.

Wasserschäden sind der häufigste Grund für Auffliegen von Zuchträumen. Teichfolie im Raum schützt, vor allem aber ein Rückschlagventil und ein Kapilar, welches am höchsten Punkt der Anlage bei Unterdruck im Kreislaufsystem das Wasser in die Tonne zurück laufen lässt (s. Zeichnung). Hier hilft der Fachhandel gerne weiter. Und der wichtigste Tipp zum Schluss: Immer etwas Gaffa-Band in der Hosentasche haben.

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Mixed

Ottensen III

Veröffentlicht unter www.ottensen.de (Echolot 10/2000)

Rundgang in Ottensen III

Ottensener Hauptstrasse, Bahnhof und Stuhlmann-Brunnen

Spät Abends spielt Ottensen seine Vorteile aus. Die hektischen Renner sind in ihre Wohnwaben zurück gehastet, die Waren der Händler und Höker liegen schwach erleuchtet im Schaufenster, eine leichte Mattigkeit liegt über dem Viertel. Ein weiterer Tag im sonnigen Spätkapitalismus ist vorüber und die Gewinner und Verlierer dieses Spiels um Geld und Ruhm sortieren sich. Wer nicht vor der Glotze hängen bleibt und lieber das Kopfsteinpflaster spürt, will sich amüsieren. Die Nachtarmada rüstet sich zum Kampf gegen Langeweile. Und los geht´s.

Was lässt die ausländischen Imbiss-Besitzer bei der Einrichtung ihres Ladens mit sicheren Griff zur Neon-Röhre greifen? Wollen sie ihre weißhäutigen Gäste besser sehen? Oder ihre Köfte? Sie sollten doch wissen, dass selbst in Ottensen nur die Simulationsräume urdeutscher Gemütlichkeit die Kasse zum rattern bringen. Das hintergründige Summen dieser Operationssaal-Illumination scheint den Türken im weißen Kittel heute in eine Art Kontemplation zu versetzen. Mit verträumten Blick wetzt er seine Giros-Machete. Woran denkt er? Hüpfende Lämmer, wackelnde Hüften oder The Green, Green Grass of Home? Egal. Mit sicherem Schnitt trennt er das Pressfleisch vom Giros-Spieß. Ich freue mich: Gleich wird die brennende Würze den Faden Geschmack des Schlachthof-Abfallprodukts übertünchen und mit dem Krautsalat tue ich mir auch noch was Gutes. Jedenfalls dann, wenn nicht die Hälfte auf dem T-Shirt landet. Irgendwie wahrt mein ausländischer Freund gerne den Abstand. Lächeln ist selten, aber seine Frage „Mit alles?“ ist mir ans Herz gewachsen. Und deswegen antworte ich seit Jahren zärtlich mit „Ja, nur kein Rotkohl bitte“. Die Psychoanalyse hat die Kunst der Übertragung ja leider ins Pathologische abgeschoben, aber dieser Mann hier ist für mich nach einem Tag am Schreibtisch der erste Beweis für die Widerlegung der Einsamkeit. Ich zahle.

Der Musikant sitzt auf seinem Gitarrenkoffer und dreht sich eine Zigarette. Er hat den ganzen Tag gearbeitet und deswegen gibt es zum Tabak ein Holsten. Er sieht traurig aus und seine Lieder klingen so. Sehnsucht – aber wonach? Wünscht er sich eine Frau, die ihm abends die vorgewärmten Puschen an den Fernsehsessel bringt? Oder hat er genau diese Szenerie satt gehabt? Verdammte Anonymität der Großstadt – würde ich auf dem Land wohnen wüsste ich wahrscheinlich sogar seine Schuhgröße. Auch deswegen muss man doch öfter auf eine allzu einnehmende Arbeitswelt motzen: Die Leute haben keine Zeit füreinander – sie werden mitgerissen im Fluss von Information (die morgen nix mehr wert ist), von Aufträgen (die morgen storniert werden), vom Glauben der Unersetzbarkeit (und morgen wird ihnen gekündigt). Und die Werbeindustrie impft ihnen täglich neu den Wunsch nach Mehr ein. Proteste gegen Konsumtempel, wie zum Beispiel damals gegen das Mercado, sind eben nicht nur letzte punkig-anarchische Zuckungen gegen das Kapital, sondern auch die Angst vor dem Verlust von Solidarität unter Bewohnern eines Viertels. Wenn nur noch geldgesteuerte Mutanten durch die Straßen hetzen, dann reißt das unsichtbare Band, welches Nachbarn, Mitmenschen und Gleich-Tickende zusammen hält.

Eine Ecke weiter höre ich das schnelle Klackern hochhackicker Damenschuhe. Eine blonde, etwa 45 Jahre alte Frau klackert an mir vorbei und der Duft ihres Parfums weht in meine Nase. Der zügige Auftritt erinnert mich an meine Mutter und ihr Bild erscheint vor mir. Wie oft sah ich sie vom Bahnhof kommen, die Handtasche links, den Einkaufsbeutel rechts. Um ihren Sohn nicht nur zu versorgen, sondern auch zu sehen, arbeitete sie nur halbtags. Fünf nach halb zwei kam die Bahn an der Station Mundsburg an und ich holte sie ab. Kleine, schnelle Schritte machte diese Frau, oft gestresst, aber meist gut gelaunt. Die italienische Mutteranbetung hat ihr Gutes, erweist sie doch den Schöpferinnen allen menschlichen Lebens die nötige Ehre. Wie viele Menschen knüpfen ihre Liebe an Bedingungen – nicht so meine Mutter. Sie glaubte immer an ihren leicht missratenen Sohn, leitete ihn mit leichter Hand durch alle Widerstände. „Du hast ein sonniges Gemüt“, sagte sie oft – ahnte sie, dass sich dies aus der Zweisamkeit mit ihr speiste? Und so liefen wir von der U-Bahn-Station Richtung Wohnung und später trug ich die Taschen.

Der Altonaer Bahnhof liegt unter einer Dunstglocke von Bier und Rauch. An dieser Relaisstation flitzen die humanen Elektroimpulse mit Höchstgeschwindigkeit, nirgends wo sonst wird so schnell gegangen wie im und rund um den Bahnhof. Die Geschwindigkeit bringt es mit sich: Hier kennt wirklich keiner mehr den anderen und der Kopf wird ungern zum Blickkontakt gehoben. Wer hier langsam geht ist verdächtig. Wie dieser Mann mit der Bierdose. Ist das sein lang ersehnter und gepflegter Feierabenddrink? Oder hält er sich an der Dose fest? Ohne soziales Ritual scheint mir (s)ein Alkoholkonsum nicht ganz unproblematisch, aber wer will den Wust der legalen und illegalen Süchte der modernen Zeit moralisch ordnen? Der Bahnhof spuckt mich am vor dem Stuhlmann-Brunnen aus. Viel Geld wurde für die Restauration der speienden Monstranz berappt, das Knäuel aus Tier und Mensch erinnert an den zusammengefegten Bodenbelag einer Wurstfabrik. Ich denke kurz an eine Petition an das Bezirksamt: Man möge das Kunstwerk doch bitte in „Stuhlgang-Brunnen“ umbenennen, verwerfe den Plan aber schnell wieder und trolle mich nach Hause.