Auf der Interface 5 diskutiert man die Politik der Maschine – allerdings ohne Zuhörer
Interessant wird es auf Symposien ja oft erst, wenn die Zuhörer Fragen stellen oder Anmerkungen haben. Das sind die Momente, in welchen sie beweisen können, dass sie den Referenten verstanden haben oder sogar ein Stück schlauer sind als er. Auf der Interface 5 (www.interface5.de), einer medientheoretischen Veranstaltungsreihe der Kulturbehörde der Hansestadt Hamburg, musste keiner mit Verständnis- oder gar kritischen Fragen rechnen – die Experten blieben wieder einmal unter sich. Schade eigentlich, denn hier wurde die „Politik der Maschine“ diskutiert, die „Bilder, Phantasien und Wirklichkeiten der informierten Gesellschaft“. Immerhin stieg das Publikumsinteresse über die drei Tage sukzessiv an: Vier, zehn und fünfzehn zahlende Gäste verbuchte die Kasse.
Einstimmen auf den bunten Nachmittag will Wolfgang Coy, Professor für Informatik an der Humboldt-Universität Berlin, mit seinem Vortrag über „Die virtuelle Logik der Maschine“. Um „Logik“ geht es allerdings nicht, eher um „Imanigation“ und die historische Aufarbeitung der Überzeugungskraft von Bildern und Illustrationen. Von den geometrischen Beweisen eines Pythagoras oder Euklids, über die Seekarten, den mathematischen Beweisen bis hin zu den Schaltpläne der Elektronik; das Bild, so Coy, stand und steht als visuelle Argumentation gleichwertig neben der Schrift und kann durchaus dessen Präzision erreichen. Mit den technischen Instrumenten wie dem Mikroskop oder dem Fernglas eines Galileo Galilei erhielten die Bilder zwar eine neue Beweiskraft, sollten sie doch exakte Abbildungen des Wirklichen sein, zugleich wurde aber immer deutlicher, dass auch das berechnete Bild unscharf ist und der Interpretation bedarf. „Wobei die Trennung von logischer und emotionaler Argumentation oft schwierig ist“, wie Coy annimmt. Wem das im Raum nicht klar ist, dem hilft Coy mit einem Beispiel auf die Sprünge: Hersteller wie Siemens und Phillips verraten den Ärzten, dass ihre kernspintomografischen Geräte nicht nur Falschfarben integrieren, sondern auch vorinterpretieren und extrapolieren. „Kein Tumor hat solch exakte Grenzen wie uns eine Aufnahme weiß machen will.“ Simples Credo: Zum einen ist für Coy die Betrachtung eines Bildes nicht nur in der Kunst der Kontext (kursiv) relevant, zum anderen „kann der Text nicht alles ersetzen“, das Bild bleibt Stütze argumentativer Strukturen medialer Gesellschaften. Pause.
Zurück im Saal steht Friedrich Kittler auf dem Podium. Ist es dessen kaum verständliches Stakkato aus Militär-Metaphern oder die Tatsache, dass er keine eigene Präsenz im WWW besitzt, die ihn zum „führenden Vertreter der deutschen Medientheorie“ macht? Von Beruf ist Friedrich Kittler Professor für Ästhetik und Geschichte der Medien , ebenfalls an der Humboldt-Universität in Berlin. Während seines „Ausblicks in die nächste Computerzukunft“, welcher der Verteufelung von Microsoft und der historisch falschen Heroisierung von Linus Torvald weiter Vorschub leistet, kommt es zu fluchtartigen Abgänge der Zuhörer. Da staunen auch die Kollegen aus der scientific community nicht schlecht. Nach mehr oder weniger gelungenen Metaphern, „…und so stieß das Internet wie ein Falke auf unsere Schreibtische“, ist die Zeit für Tabakgenuss reif.
Lässig geht es Steven Johnson an. Der Autor von Interface Culture (http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/buch/3453/1.html) ist Fan von Slashdot , der Online Community, die als eine Quelle der Open-Source-Bewegung in den USA gilt. Sein Vortrag „The Internet from below“ kreist um die Frage, ob die Qualität der Kommunikation in Online Communities gehalten werden kann, wenn diese eine gewisse Größe übersteigen. Seine Antwort: Ja – und Slashdot zeigt seiner Ansicht nach auch wie.
Jede Mailing-Liste leide unter zwei Typen: Dem Lurker, der nur mit liest und damit zu wenig mailt und dem Crank, der gerne stänkert und zuviel mailt. „Wir kennen ihn alle, den Typen, der jede Diskussion auf sein Lieblingsthema zurück führt oder einfach nur spam erzeugt“, vermutet Johnson in den Saal hinein. Das Problem: Der Crank gibt die Themen vor. Auch Slashdot kämpfte mit diesen Problemen, bis, ja bis die Quality Filter eingeführt wurden. Zunächst Privileg einer Elite durfte später jeder User jede Mail auf einer Skala von eins bis fünf bewerten.
Johnson kommt in Fahrt: „Denken sie an Norbert Wiener und seine Feedback-Schleifen, das System bewertet sich selbst!“ Heute arbeitet beispielsweise amazon (http://www.amazon.com) mit einem Rating System und Johnsons Ansicht nach wird in Zukunft kaum noch eine Webpage ohne Bewertungssystem arbeiten. „Das ist irgendwann so wie heute eine Website ohne Link.“
Damit ist das Stichwort für den zweiten Tag des Symposions gefallen, dass der „Selbstorganisation“. In der Liste der paradigmatischen Begriffshypes hat es der Begriff der „self organization“ auch bei den Medientheoretikern ganz nach oben und damit bis nach Hamburg geschafft. Hier war die zirkuläre Logik allerdings schon länger bekannt – die Hafenarbeiter dürfte es freuen, dass ihr „Wat mut, dat mut“ es bis in die höchsten Höhen der Elfenbeintürme geschafft hat.
So auch bei Klaus Mainzer, Philosoph, Wissenschaftstheoretiker und Professor. Die Analogie der Evolution, dem Gehirn und den Computernetzen ist Thema seines Vortrags und seine Reise durch zelluläre Automaten, DNA-Computing und genetische Algorithmen ist komplex und schnell. Neben einem Gruß an die Apologeten des gedruckten Buches („…und diejenigen, die das heilige Buch hochhalten, müssen sich vorhalten lassen, dass die Gutenberggalaxis eben auch nur eine sozialisierte Welt ist, zudem nur ein paar 100 Jahre alt, und lineare Wissensvermittlung kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein…“) führt er aus, dass die Zukunft des Computers in seiner Verlagerung in intelligente Umgebungen liegt. „Computer sollen den Kopf frei machen, uns nicht überlasten. Auch das Global Networking sollte als technischer Dienst am Nutzer entwickelt werden, nicht als dessen Vergewaltigung.“ Offenbar arbeitet der Mann mit Windows.
Begeisterung ist im Raum zu spüren, als Mainzer die suggestive Ähnlichkeit von Internet und neuronalen Netzen wie dem menschlichen Gehirn visualisiert. Das Netz als Ausstülpung des Hirn, da wartet Super-Intelligenz, aber auch verkopfter Größenwahn eines Marvin Minkys oder Hans Moravecs. Ob die von Mainzer geforderte Besinnung auf alteuropäische Werte angesichts der Hegemonie der US-amerikanische Ideologie des „it´s good because it works“ ausreicht? Und: Diejenigen, die das heilige Gehirn hochhalten, müssen sich vorhalten lassen, dass die Suggestionskraft der „Ausstülpung des Gehirns“ eben auch Ausfluss und Nachwehe des „Decade of the brain“ ist. Leerer Magen und krummer Rücken denken anders.
Womit der Übergang zu Hartmut Böhmes Vortrag gelungen ist, welcher über die historischen Vorläufer der Enträumlichung und Körperlosigkeit im Cyberspace referiert. Schon Emanuel Swedenborg entwarf 1758 in einer Erzählung eine Population, deren Mitglieder ihr Fleisch und Blut abstreifen mussten, um die Schwelle zu einer körperlichen Sphäre zu überschreiten. Akribisch malte Swedenborg das Bild einer himmlischen Gesellschaft, die den Konzepten des heutigen Cyberspace schon sehr nahe kam. Damals war es die aufkeimende Wissenschaft von der Elektrizität, die Phänomene wie den Mesmerismus hervorbrachte. Böhme, Professor für Kulturtheorie, unterstreicht damit anschaulich, dass an jedes neue technische Medium Heilserwartungen und auch transzendente Wünsche gestellt wurden. Böhme: „Noch sind wir meist Schamanen, die ins Netz mit ihrem Namen gehen uns zwischen den Realitäten wandern. Interessant wird es, wenn die Referenzadresse in der Realität fehlt. Dann hat man keine Adresse, man ist eine Adresse.“ Letztlich sei der Cyberspace aber „nur“ die Fortsetzung des Eintauchens in virtuelle Welten, wie sie die Menschen schon aus dem Lesen von Romane und dem Betrachten von Theaterstücken kennen. „Nur haben wir hier eine neue Art der Überwältigungsästhetik, die -multimedial komplex- die gesamten sensorischen Sinne aufgreift. So gesehen wäre der Cyber-Leib die Vollendung unserer Kultur, ihr wahrer Himmel – oder ihre wahre Hölle.“
Was bleibt mehr sagen am Ende der Interface 5? Um in der Sprache der Experten zu bleiben: Im selbstreferentiellen Reigen sich selbst bestätigen und im vorauseilenden Theoretisieren von der Praxis entfernen, dies wird vielleicht von der Kulturbehörde großzügig gesponsort, vom Publikum aber ignoriert. Völlig ausgeblendet blieb die „Stecker-Raus“-Problematik, denn bei fortschreitender Umweltzerstörung wird auch das Novum des ausgehenden Jahrtausend, der Cyberraum, nicht mehr existieren, basiert er doch wie letztlich Alles auf den Ressourcen der natürlichen Umwelt. Dies war nicht Ziel der Interface 5, wäre aber sicherlich für weitere Veranstaltungen dieser Art zu berücksichtigen, sieht man einmal von einer Öffentlichkeitsarbeit ab, die mehr als 30 Bürger in drei Tagen lockt.
Gegenwart und Zukunft von kleinen und mittleren Indoor-Anlagen
Der Entschluss steht, Tomaten sollen im Haus gezüchtet werden. Einige Tipps für den Start in die Karriere als Gemüsebauer unter besonderer Berücksichtigung der Energieversorgung, der Tarnung und des Internet.
Klein anfangen ist immer besser als groß enttäuscht werden, also schnappt man sich zunächst die Abstellkammer, die zwischen 1 und 2 m/2 bietet, bevor man die Carrera-Bahn aus dem Weg räumt um auf 4 m/2 sein Glück zu versuchen. Da bietet sich entweder eine 400 oder 600 Watt Lampe an, um die Lieblinge gen Decke streben zu lassen. Die Birne einer 400er Funzel ist aber schon nach der zweiten Ernte so abgenutzt, dass sie nicht mehr die nötigen Lumen (etwa 50.000) pro m/2 abstrahlt. Also lieber gleich in eine 600er Lampe investieren. Weder der Raum noch der Betreiber der Anlage sollten unter Strom stehen, wenn die Energieversorgung geplant und gelegt wird.
Wichtig ist, dass eine Sicherung im Haus- bzw. Wohnungskasten frei ist. An diese hängt man die gesamte Growanlage und nix anderes. An eine gängige 16 Ampere Sicherung können maximal 3600 Watt angeschlossen werden. Betreibt man später 4 Lampen mit 600 Watt und dazu Pumpen, Ablüfter und Wasserpumpen wird dieser Wert annähernd erreicht. Dazu kommen die Spannungspitzen beim Anschalten der Lampen, die ohnehin zeitversetzt angeworfen werden sollten. Entgegen aller Angaben ist die normale Haussteckdose nur in der Lage maximal 10 Ampere (2200 Watt) zu liefern. Darüber schmurgeln die Stecker. Als Bahilge bieten sich blaue Campingsstecker an, die im Fachhandel zu bekommen sind.
Im Grow-Raum läuft neben Strom auch Wasser: Hier heißt es sauber arbeiten, billige Kabel und Zeitschaltuhren gehören zum Aquarium, nicht in diesen Raum! Physik, 7. Klasse: Je größer der Durchmesser einer Kupferader, desto geringer ihr Widerstand gegenüber dem Strom. Ergo: Möglichst dicke, steife Kabel und nicht die von der 40 Watt Schreibtischlampe übrig gebliebenen verwenden. 2-Wege-Digital-Zeitschaltuhren sind zwar teuer, im Elektrofachhandel aber oft im Angebot. Ein FI-Schutzschalter schützt vor tödlichen Stromschlägen, sollte aber auf der anderen Seite nicht zu empfindlich sein, damit er nicht ständig die Lichter ausfallen. Ein 25A/0.01 FI-Schutzschalter beispielsweise setzt schon mal gerne aus, wenn ein Hund an die Laterne vorm Haus pinkelt.
Klug ist das setzen eines Nachtstromzählers. Dies kostet neben einem Anruf beim Elektrizitätswerk etwa 100 Mark, die sich aber schnell amortisieren. Ein paar Tage später kommt der freundliche Mann vom E-Werk und stellt den Zähler um, der sich zumeist im Hausflur und nicht in der Wohnung befindet. Stromdiebstahl und Wasserklau sind äußerst unklug bei einer so heiklen Angelegenheit wie der Tomatenzucht. Denn dann geht es auch noch um Diebstahl.
Unter Strom
Der erhöhte Stromverbrauch fällt bei den voll automatisierten Abrechnungssystemen der E-Werke kaum noch auf. Trotzdem ist es klug, langsam den Verbrauch zu erhöhen und nicht gleich mit einer 20 Lampen Anlage ans Netz zu gehen. Falls jemand dumm fragt – immer einen lockeren Spruch auf den Lippen parat halten. Wäschetrockner, Radiatoren, Halogenfluter und Scheinwerfer für Fotostudios verbrauchen ebenfalls viel Strom. Ein weiterer Tipp: Für die monatlichen Abschlagszahlungen sollte man vorher den Stromverbrauch errechnen und sich dann gleich hoch einstufen lassen. Dann ist der Puffer größer, falls man eine zweite und dritte Lampe hinzunimmt. Spätestens jetzt gilt es mal zusammen zu rechnen, was sonst noch so an Strom im Haus verbraucht wird. Alte Waschmaschinen brauchen ebenfalls viel Strom – wenn dann noch Computerbildschirm und Staubsauer laufen bretzeln die Leitungen. Vorsicht!
Der Growraum ist im Keller meist besser aufgehoben als unter dem Dach, denn hier wird es im Sommer meist zu warm. Ab 28 Grad geht es abwärts mit den Lieblingen, sich stauende Wärme mögen sie überhaupt nicht. So oder so sollte man mit dem Ablüfter großzügig sein. Zu präferieren sind Schneckenhauslüfter – diese sind robuster und leiser als Axiallüfter. Der Durchmesser der Flatter- bzw. Ventilklappe für die Zuluft muss unbedingt größer als der Durchmesser für die Abluft sein, sonst pfeift es.
Nach einiger Zeit der sorgsamen Beäugung der Pflanzen und der erfolgreichen Ernten wächst meist der Wunsch nach Vergrößerung und Automatisierung der Anlage. Hierzu folgendes: Bei einem gut ausgestatteten Raum mit rund vier m/2 kommen schnell 4000-5000 Mark Anschaffungskosten zusammen – das will gut überlegt sein für eine einfache Tomatenzucht. Beliebt sind und bewährt haben sich die Poot HS-2000 600 Watt HPS für die vegetative Phase und die 600 Watt PHILIPS SON-T Plus HPS für die Blütephase. Dazu das Hygro/Thermostat der Firma EBERLE und man ist ganz vorne dabei. Mit dieser Steuerungseinheit können vier verschiedene Geräte kontrolliert werden: Lüfter, Heizsystem, Befeuchtungssystem und Entfeuchtungssystem. Wichtig: Für die Kontrolle einen Halogendimmer verwenden.
Auf gute Nachbarschaft
Die Planung fängt allerdings bei einem sauberen An- und Abtransport der Anlage an. Es ist unreif Nährboden (am besten Kokos-Perlit oder Seramis), Lüfter und Lampen offen über die Straße zu tragen. Die Geräte gehören in Kartons verpackt. Das selbe gilt für den Abtransport von Müll und den etwaigen Umzug der Anlage. Von Anfang an gilt es darauf zu achten nicht zum Freak in der Straße zu werden. Nachbarschaft will gepflegt werden und der „Künstlertyp, der anscheinend nur Nachts arbeitet“ erregt schnell Aufsehen. Und: Auf dem Land wird man noch schneller zum Sonderling, vor allem wenn man viel zu Hause arbeitet. Also nicht nur Nachts vorfahren, um die Schätzchen ins Bett zu bringen.
Duft-, Licht- und Geräuschaufälligkeiten müssen vollkommen vermieden werden. Gummiabdichtungen im Türrahmen sind Pflicht, das helle Licht der Anlage gilt es vollkommen abzuschirmen. Bei Räumen mit Fenstern zur Straße oder dem Hinterhof bietet sich die Konstruktion eines zweiten Fensterrahmens an, in welchen man eine Schreibtischlampe stellt, die per Zeitschaltuhr an- und ausgeschaltet wird. Wechselnde Designs (Blumen, Bilder usw.) täuschen zudem hervorragend Leben vor. Die Wasserpumpe muss gedämpft aufgestellt werden. Wer hat nicht schon einmal Nachts wach gelegen und auf die vielen Geräusche im Haus geachtete. Wenn dann die Pumpen dröhnen klappt es nicht mehr mit dem Nachbarn. Alle Vibrationen sind gut abzufedern. Benutzt man ein Holzgestell für die „Sea of Green“ sollte dieses nicht an die Wand gebohrt werden. Den Lüfter kann man beispielsweise an dünne, aber starke Segelseile hängen.
Für die Zukunft bietet sich die verstärkte Einbeziehung des Internet an: Flatrates kosten heute wenig, der PC oder Mac kann über 24 Stunden am Netz gehalten werden. Eine alter Computer reicht vollkommen aus, um dann die Daten der Grow-Anlage aufzunehmen und verschlüsselt ins Internet zu senden. Vier Messwerte reichen aus, um einen reibungslosen Lauf der Anlage zu gewährleisten: Luftfeuchtigkeit, Temperatur, EC- und PH-Wert. Wer es ganz besonders sicher machen will, lässt auch noch etwaiges Klingeln an der Haustür speichern. Schon heute gibt es die Möglichkeit, eine Webcam vor den Instrumenten aufzustellen und den PC zu festgesetzten Zeiten eine Netzverbindung etablieren zu lassen. Über eine „geheime“ Adresse im WWW lassen sich dann die Instrumente ablesen: Der Stand der Dinge ist stets überprüfbar – und das ohne den Raum persönlich besuchen zu müssen.
Wasserschäden sind der häufigste Grund für Auffliegen von Zuchträumen. Teichfolie im Raum schützt, vor allem aber ein Rückschlagventil und ein Kapilar, welches am höchsten Punkt der Anlage bei Unterdruck im Kreislaufsystem das Wasser in die Tonne zurück laufen lässt (s. Zeichnung). Hier hilft der Fachhandel gerne weiter. Und der wichtigste Tipp zum Schluss: Immer etwas Gaffa-Band in der Hosentasche haben.
Ottensener Hauptstrasse, Bahnhof und Stuhlmann-Brunnen
Spät Abends spielt Ottensen seine Vorteile aus. Die hektischen Renner sind in ihre Wohnwaben zurück gehastet, die Waren der Händler und Höker liegen schwach erleuchtet im Schaufenster, eine leichte Mattigkeit liegt über dem Viertel. Ein weiterer Tag im sonnigen Spätkapitalismus ist vorüber und die Gewinner und Verlierer dieses Spiels um Geld und Ruhm sortieren sich. Wer nicht vor der Glotze hängen bleibt und lieber das Kopfsteinpflaster spürt, will sich amüsieren. Die Nachtarmada rüstet sich zum Kampf gegen Langeweile. Und los geht´s.
Was lässt die ausländischen Imbiss-Besitzer bei der Einrichtung ihres Ladens mit sicheren Griff zur Neon-Röhre greifen? Wollen sie ihre weißhäutigen Gäste besser sehen? Oder ihre Köfte? Sie sollten doch wissen, dass selbst in Ottensen nur die Simulationsräume urdeutscher Gemütlichkeit die Kasse zum rattern bringen. Das hintergründige Summen dieser Operationssaal-Illumination scheint den Türken im weißen Kittel heute in eine Art Kontemplation zu versetzen. Mit verträumten Blick wetzt er seine Giros-Machete. Woran denkt er? Hüpfende Lämmer, wackelnde Hüften oder The Green, Green Grass of Home? Egal. Mit sicherem Schnitt trennt er das Pressfleisch vom Giros-Spieß. Ich freue mich: Gleich wird die brennende Würze den Faden Geschmack des Schlachthof-Abfallprodukts übertünchen und mit dem Krautsalat tue ich mir auch noch was Gutes. Jedenfalls dann, wenn nicht die Hälfte auf dem T-Shirt landet. Irgendwie wahrt mein ausländischer Freund gerne den Abstand. Lächeln ist selten, aber seine Frage „Mit alles?“ ist mir ans Herz gewachsen. Und deswegen antworte ich seit Jahren zärtlich mit „Ja, nur kein Rotkohl bitte“. Die Psychoanalyse hat die Kunst der Übertragung ja leider ins Pathologische abgeschoben, aber dieser Mann hier ist für mich nach einem Tag am Schreibtisch der erste Beweis für die Widerlegung der Einsamkeit. Ich zahle.
Der Musikant sitzt auf seinem Gitarrenkoffer und dreht sich eine Zigarette. Er hat den ganzen Tag gearbeitet und deswegen gibt es zum Tabak ein Holsten. Er sieht traurig aus und seine Lieder klingen so. Sehnsucht – aber wonach? Wünscht er sich eine Frau, die ihm abends die vorgewärmten Puschen an den Fernsehsessel bringt? Oder hat er genau diese Szenerie satt gehabt? Verdammte Anonymität der Großstadt – würde ich auf dem Land wohnen wüsste ich wahrscheinlich sogar seine Schuhgröße. Auch deswegen muss man doch öfter auf eine allzu einnehmende Arbeitswelt motzen: Die Leute haben keine Zeit füreinander – sie werden mitgerissen im Fluss von Information (die morgen nix mehr wert ist), von Aufträgen (die morgen storniert werden), vom Glauben der Unersetzbarkeit (und morgen wird ihnen gekündigt). Und die Werbeindustrie impft ihnen täglich neu den Wunsch nach Mehr ein. Proteste gegen Konsumtempel, wie zum Beispiel damals gegen das Mercado, sind eben nicht nur letzte punkig-anarchische Zuckungen gegen das Kapital, sondern auch die Angst vor dem Verlust von Solidarität unter Bewohnern eines Viertels. Wenn nur noch geldgesteuerte Mutanten durch die Straßen hetzen, dann reißt das unsichtbare Band, welches Nachbarn, Mitmenschen und Gleich-Tickende zusammen hält.
Eine Ecke weiter höre ich das schnelle Klackern hochhackicker Damenschuhe. Eine blonde, etwa 45 Jahre alte Frau klackert an mir vorbei und der Duft ihres Parfums weht in meine Nase. Der zügige Auftritt erinnert mich an meine Mutter und ihr Bild erscheint vor mir. Wie oft sah ich sie vom Bahnhof kommen, die Handtasche links, den Einkaufsbeutel rechts. Um ihren Sohn nicht nur zu versorgen, sondern auch zu sehen, arbeitete sie nur halbtags. Fünf nach halb zwei kam die Bahn an der Station Mundsburg an und ich holte sie ab. Kleine, schnelle Schritte machte diese Frau, oft gestresst, aber meist gut gelaunt. Die italienische Mutteranbetung hat ihr Gutes, erweist sie doch den Schöpferinnen allen menschlichen Lebens die nötige Ehre. Wie viele Menschen knüpfen ihre Liebe an Bedingungen – nicht so meine Mutter. Sie glaubte immer an ihren leicht missratenen Sohn, leitete ihn mit leichter Hand durch alle Widerstände. „Du hast ein sonniges Gemüt“, sagte sie oft – ahnte sie, dass sich dies aus der Zweisamkeit mit ihr speiste? Und so liefen wir von der U-Bahn-Station Richtung Wohnung und später trug ich die Taschen.
Der Altonaer Bahnhof liegt unter einer Dunstglocke von Bier und Rauch. An dieser Relaisstation flitzen die humanen Elektroimpulse mit Höchstgeschwindigkeit, nirgends wo sonst wird so schnell gegangen wie im und rund um den Bahnhof. Die Geschwindigkeit bringt es mit sich: Hier kennt wirklich keiner mehr den anderen und der Kopf wird ungern zum Blickkontakt gehoben. Wer hier langsam geht ist verdächtig. Wie dieser Mann mit der Bierdose. Ist das sein lang ersehnter und gepflegter Feierabenddrink? Oder hält er sich an der Dose fest? Ohne soziales Ritual scheint mir (s)ein Alkoholkonsum nicht ganz unproblematisch, aber wer will den Wust der legalen und illegalen Süchte der modernen Zeit moralisch ordnen? Der Bahnhof spuckt mich am vor dem Stuhlmann-Brunnen aus. Viel Geld wurde für die Restauration der speienden Monstranz berappt, das Knäuel aus Tier und Mensch erinnert an den zusammengefegten Bodenbelag einer Wurstfabrik. Ich denke kurz an eine Petition an das Bezirksamt: Man möge das Kunstwerk doch bitte in „Stuhlgang-Brunnen“ umbenennen, verwerfe den Plan aber schnell wieder und trolle mich nach Hause.
„Reisende soll man nicht aufhalten“, sagte schon Alt-Komiker Otto zu seiner abschiedswilligen Braut. Europa wächst zusammen, die Grenzen sind so leicht zu passieren wie nie zuvor. Eine lockere Reise ins nahe Ausland endet aber für so manchen Kiffer im Desaster, denn mit etwas Gras in den Taschen erwischt, landet er oder sie blitzschnell im Gefängnis. Eine erste Regel für einen wirklich ungestörten Trip lautet deshalb: „Lass den Kram zu Hause.“ Wer meint schon die Autofahrt oder den Flug nicht ohne Dope überstehen zu können, dem seien geringe Mengen angeraten. In den meisten Ländern wird zwischen Mengen zum Eigenkonsum und Handelsmengen deutlich unterschieden. Wer meint mit einem Pfund Gras im VW-Bus Bj. ´74 an die Atlantikküste donnern zu müssen, darf sich nicht wundern, wenn der französische Provinzrichter glaubt, dass sich hier einer seinen Urlaub finanzieren wollte. Ein Wort zum Thema „Verstecken“: Das beste Versteck für Gras oder Haschisch nützt wenig, wenn Polizei oder Zoll Verdacht geschöpft haben. Und dies ist meistens dann der Fall, wenn man dem stereotypen Idealbild des Kiffers entspricht. Aber wer hat schon Lust wegen zwei Gramm Hasch in den blauen Zweireiher zu schlüpfen um unbehelligt durch alle Kontrollen zu eiern? Darum sei hier die asketische Variante empfohlen – ein paar Tage ohne Rauch haben noch niemanden geschadet. Wenn es aber doch nicht anders geht, sollte man sich und seinen BegleiterInnen wenigsten ab und zu zumurmeln, dass man ja „im Auftrag des Herrn“ unterwegs ist.
In einigen Ländern in Europa ist es wie in Good Old Germany: In den verschiedenen Bundesländern, Distrikten und Städten sind die Richtlinien unterschiedlich streng. Aus diesem Grund ist die nachfolgende Übersicht als grobe Richtlinie zu verstehen. Insgesamt steigt die Beliebtheit von Rauschhanf in Europa zwar weiter an, aber das ist kein Freifahrtschein, denn in fast allen Ländern steigt auch die Anzahl der Sicherstellungen (im Klartext: Der Kiffer-Aufgriffe). Wer vorsichtig sein will, sollte sich im Freundes- und Bekanntenkreis Tipps für die angepeilte Region holen. Wer es besonders sicher angehen will, der holt sich über die in Deutschland ansässigen Strafverteidiger-Vereinigungen die Telefonnummer eines Anwalts im Zielland. Und Vorsicht: Dieser Text stammt aus dem Jahr 2000 und Gesetze ändern sich. In einigen vermeintlich liberalen Ländern können inzwischen ganz andere Regeln herrschen…
Vor Ort
Man kann Glück haben und den Touristen-Bonus erheischen. Dann geht man dem Kraut verlustig oder wird im schlimmsten Fall zur Grenze gebracht. Es kann aber auch gleich in das Dorfgefängnis gehen. Vorsicht ist selbst in den liberalen Ländern angesagt: Vernünftig ist es, erst mal die Lage vor Ort abzuchecken und nicht den erstbesten langhaarigen Freak „nach Peace“ anzuhauen. Wird man trotz aller Vorsicht von der Polizei aufgegriffen, ist es klüger die Aussage bis zum Eintreffen des Anwalts zu verweigern. Die Angehörigen und das Konsulat können dann über den Anwalt kontaktiert werden. Und: Ein Rechtsbeistand kostet überall Geld.
Die folgende Übersicht der Gesetzgebung und Strafpraxis bezieht sich in erster Linie auf den Besitz kleiner Mengen Cannabis, wobei die genaue Höhe der „kleinen Menge“ von Land zu Land variiert. Zur Klarstellung: In einigen Ländern ist der Konsum zwar nicht verboten, wohl aber der Besitz. Und ohne Besitz kein Konsum.
Belgien
Belgien unterscheidet zwischen individuellem und Gruppenkonsum. Nur der Gruppenkonsum von Cannabis wird bestraft: Drei Monate bis fünf Jahre Gefängnis und/oder 1000 bis 100.000 Belgische Franken Bußgeld. Die Realität ist nicht so harsch: Seit 1998 sehen die Strafverfolgungsbehörden von Übergriffen auf Kiffer fast gänzlich ab. Die Polizei und Staatsanwaltschaft haben die Verfolgung von Fällen des privaten Gebrauchs fast vollständig eingestellt. Dies gilt auch für den privat organisierten Anbau kleiner Mengen Hanfs.
Dänemark
Der Besitz und Konsum kleiner Mengen ist quasi legal. Der Erwerb von kleinen Mengen wird von den Gerichten nicht mehr als Vergehen angesehen, obwohl die Gesetze dies noch so vorsehen. Wer meint vor den Augen der Polizei rauchen zu müssen: Im Normalfall wird das Kraut konfisziert und eine Verwarnung ausgesprochen. Bei Besitz von größeren Mengen können bis zu zwei Jahren verhängt werden, bei Handel zwischen zwei bis zu zehn Jahren. Ersttäter werden in ein Zentralregister eingetragen. Zur Info: In Kopenhagen hat die Hälfte aller 18-Jährigen schon mal gekifft.
Finnland
Hier heißt es aufpassen: Ob Konsum, Erwerb, Besitz, Handel – in Finnland sind dies alles kriminelle Straftaten. Das Gesetz kennt keine Unterschiede zwischen verschiedenen Substanzarten. Die Gerichte schauen sich die sozialen Umstände bei Straftaten im Zusammenhang mit Cannabis genau an – und strafen dann meist hart. Vergehen in Zusammenhang mit kleinen Mengen Cannabis wird mit Geldbuße oder bis zu 2 Jahren Knast bestraft. Nun ist es aber nicht so, dass in Finnland das gute Kraut unbekannt ist: In Helsinki haben 30 Prozent der 17-19-Jährigen Schüler schon mal gekifft. Der Handel mit Cannabis wird mit Freiheitsstrafen zwischen 2 und 10 Jahren belohnt.
Frankreich
Konsum und Besitz von Cannabis ist illegal. Das französische Gesetz unterscheidet nicht zwischen Cannabis und anderen Substanzen. Der Handel und der Konsum mit jedweden illegalen Substanzen ist verboten. Laut Gesetz kann der Konsum illegaler Substanzen mit einer Strafe von zwei Monaten bis einem Jahr und/oder Bußgeld von 500 bis 15.000 Franc bestraft werden. Transport, Besitz und Angebot mit 2 bis 10 Jahren Haft. In Frankreich betritt man die Problemzone bei einer Menge von über 30 Gramm Cannabis. Transport und Angebot von größeren Mengen Wunderkraut werden mit zwei bis zehn Jahren Haft belohnt. Auch in Frankreich legen die Gerichte die strengen Gesetze unterschiedlich aus: Bei kleinen Mengen von Haschisch oder Marihuana wird das Verfahren zum Teil sofort eingestellt und eine Verwarnung ausgesprochen, teilweise wird keine Anklage erhoben, wenn der Betroffene sich einer recht strengen Therapie unterzieht. In den großen Städten ist Cannabis-Genuss unter den Jugendlichen weit verbreitet, so dass Polizei und Staatsanwaltschaft den realistischen Weg wählen: In Paris beispielsweise sehen sich die Ordnungshüter erst bei einer Menge ab fünf Gramm Haschisch genötigt einzuschreiten. Trotzdem entscheidet in Frankreich weiterhin nicht die Produktart, sondern die Tat das Strafmaß.
Griechenland
Erstens: Die Griechen unterscheiden per Gesetz nicht zwischen harten und weichen Drogen. Zweitens: Drogenkonsum ist in Griechenland nur dann kein Vergehen, wenn man als „süchtig“ eingestuft wird. Wer hier die Lücke ahnt: Als Tourist wird man schwer nachweisen können, dass man von Cannabis „abhängig“ ist. Drittens: In Griechenland ist Einfuhr, Handel, Besitz und Konsum von allen Drogen verboten. Der Erwerb von Drogen zum persönlichen Gebrauch ist strafbar und kann mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft werden. Die Praxis der Strafverfolgung scheint sehr uneinheitlich zu sein: Wer mit größeren Mengen Cannabis erwischt wird auf den warten garantiert saftigen Strafen; unklar ist aber, wie mit Genießern von kleinen Mengen verfahren wird. Teilweise wird selbst der Besitz kleiner Mengen mit Gefängnisaufenthalt belohnt. Und man hört man immer wieder, dass die Verhältnisse in den griechischen Gefängnissen unmenschlich sind. Auf der anderen Seite soll die Polizei die Verfolgung von Kiffern in den letzten zwei Jahren so gut wie eingestellt haben. Die Lage scheint insgesamt zu unsicher, um wirklich entspannt genießen zu können. Dann doch lieber Ouzo.
Großbritannien
Trotz Prohibition ist unter britischen Schülern der Rauschhanf beliebt: Knapp 40 Prozent der 15-16-Jährigen geben an schon mal am Joint gezogen zu haben. Es existiert kein Verbot für den Konsum, wohl aber für den Besitz von Cannabis. Die Strafen für Herstellung, Beihilfe zur Herstellung und für Vertrieb sind allerdings hoch. Cannabis gilt zusammen mit den Amphetaminen und Barbituraten als Klasse-B Droge. Der Besitz von bis zu 30 Gramm Cannabis kann mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft werden. Bei reinem Cannabis-Konsum wird aber heutzutage meist nur eine Verwarnung ausgesprochen und ein Bußgeld verhängt. Trotz der niedrigen Strafen bei geringen Mengen wird der Konsum durch die Polizei verfolgt: Auf die jährlich rund 40 Tausend Personen, welche von der Polizei wegen Mitteln aller Art angehalten werden, sind über 90 Prozent Cannabiskonsumenten. Die Aufzucht für den persönlichen Bedarf und der Handel in kleinen Mengen werden mit bis zu 6 Monaten gemaßregelt. Mit etwas Glück kostet es auch „nur“ 400 Pfund. Auf der Insel fangen die schweren Probleme dann an, wenn mehr als 30 Gramm Cannabiskraut gefunden werden. Die Höchststrafe für den Handel beträgt 14 Jahre.
Irland
Weder der Konsum noch der Erwerb von Cannabis ist eine Straftat in Irland. Wohl daran wird es liegen, dass in Irland der Anteil der Jugendlichen mit Cannabis-Erfahrung so hoch ist wie nirgendwo sonst in Europa. Trotzdem wird der Besitz bestraft – und zwar im allgemeinen „nur“ mit einem Bußgeld von bis zu 1000 Pfund. Cannabis wird vom Gesetz anders eingeordnet als andere Substanzen: Die Strafen in Zusammenhang mit Cannabis-Konsum sind meist niedriger als bei „harten“ Drogen. Trotzdem sei zur Vorsicht geraten: Die Gerichte folgen zum Teil streng den Gesetzen und diese kennen keinen Unterschied zwischen persönlichem und groß aufgezogenen Handel. Bei einer Schuldigsprechung im großen Rahmen drohen bis zu sieben Jahren Aufenthalt hinter Gittern.
Italien
Achtet man auf den leichten Inhalt seines Dope-Beutelchens kann man den Urlaub in Umbrien relativ entspannt angehen. Wird man mit (maximal) 1,5 Gramm Marihuana oder 0,5 Gramm Haschisch erwischt, droht höchstens eine Verwarnung. Drogenkonsum ist in Italien keine Straftat, seit 1998 auch nicht mehr der Erwerb und Besitz für den persönlichen Gebrauch. Zwischen Händler und Genießer wird deutlich unterschieden: Der Kleinhandel mit Cannabis wird mit Ordnungsgeldern belegt, der professionelle angelegte Vertrieb kann bis zu 6 Jahren Knast einbringen. Italien versucht statt Strafrecht das Verwaltungsrecht sprechen zu lassen: Bei wiederholten Cannabis-Konsum wird der Führerschein eingezogen. 1975 bis 1990 war der Hanfgenuss dekriminalisiert, 1992 sprachen sich 52 Prozent der Bevölkerung in einer Volksabstimmung wiederum für die Dekriminalisierung von Cannabis aus. Vorsicht: Die häufigen Regierungswechsel in Italien erhöhen die Chance fluktuierender Verordnungen in Bezug auf Cannabis-Konsum.
Kroatien
Wie in vielen osteuropäischen Ländern liegt die Verfolgung von Cannabis-Konsumenten oft im Ermessen der Ordnungshüter. Glaubt man den spärliche Informationen, ist der Besitz von kleinen Mengen Cannabis in Kroatien keine Straftat.
Luxemburg
Der Konsum von Cannabis ist illegal. Laut Gesetz sind zwischen drei Monaten und drei Jahren Gefängnisaufenthalt selbst für den Konsum vorgesehen. Die Praxis sieht freilich anders aus: Falls die Polizei den Fall überhaupt aufnimmt, sprechen die meisten Gerichte bei kleinen Mengen nur eine Verwarnung oder ein Bußgeld aus – es sei denn es kommen erschwerende Umstände hinzu. Wiederholungstäter sind anscheinend auf der gesamten Welt ungern gesehen.
Niederlande
Konsum erlaubt, Besitz verboten. Faktische Legalisierung von Cannabis bei kleinen Mengen bis fünf Gramm. Strafen: Bei geringen Mengen keine. Größere Mengen können Freiheitsstrafen bis zu 2 Jahren und/oder eine Geldbuße zur Folge haben. Im- und Export Geschäfte bleiben gefährlich: Maximal vier Jahre Haft. In Coffee-Shops kann der interessierte Tourist Kostproben holländischer Drogenpolitik legal genießen. Maximal dürfen hier fünf Gramm erworben und mitgeführt werden. In diesen Läden ist der zulässige Handelsvorrat 500 Gramm, allerdings können die Kommunen geringere Mengen vorschreiben.
Norwegen
Der Konsum von Cannabis ist zwar nicht verboten, wohl aber der Besitz. Dann drohen Geldbußen, für Kultivierung oder Handel sogar zwei Jahre Freiheitsentzug. Der Im- und Export kann bis zu zehn Jahren einbringen. Die Strafverfolgungs-Praxis im Land ist hart.
Österreich
Konsum und Besitz von Cannabis sind zwar verboten, kleine Mengen werden von der Polizei aber meist geduldet. Von Bundesland zu Bundesland existieren zum Teil erhebliche Unterschiede – vor allem was die Reaktion der Polizei angeht. Bei geringen Mengen zum Eigengebrauch wird aber in allen Bundesländern von einer Anzeige abgesehen und der österreichische Einwohner muss sich einer einstündigen Beratung durch einen Arzt unterziehen. In Wien ist Cannabis beliebt – wie man hört gibt es dort keine Probleme mit der Polizei beim Konsum kleinerer Mengen. Ansonsten gilt hier wie überall: Anbau und Handel mit kleineren Mengen können mit bis zu sechs Monaten Gefängnis bestraft werden. Der Handel mit größeren Mengen wird dagegen in Österreich streng verfolgt, der Besitz größerer Mengen bestraft: Eine „große Menge“ sind zur Zeit mindestens 20 Gramm reines THC. Ab da gibt´s Saures: Drei bis fünf Jahre Haft.
Polen
Lange Zeit wusste die polnische Polizei gar nicht so recht was Cannabis ist und wie es riecht. Dies hat sich mit den Jahren zwar geändert, aber der Konsum von Cannabis wird in Polen für Touristen selten zum Problem. Rauchbarer Hanf ist relativ selten: Nur 2 Prozent der 15-16-jährigen Schüler und 5 Prozent der Schülerinnen probierten schon einmal Cannabis.
Portugal
Drogenkonsum und -besitz sind in Portugal seit kurzem keine Straftaten mehr. Kleinere Mengen zum persönlichen Gebrauch zu besitzen ist zwar verboten, wird aber nur noch als Ordnungswidrigkeit geahndet. Die Strafen für mittlere Mengen reduzieren sich auf Bußgelder und Sozialarbeit. Aber: Einheimischen droht der Entzug der Fahrerlaubnis. Der Handel wird dagegen hart bestraft und das Dasein im portugiesischen Knast soll extrem ungemütlich sein: Zwischen 6 und 12 Jahren gibt´s aufgebrummt.
Schweden
Hier ist alles verboten was Spaß macht. Konsum, Erwerb, Besitz jeglicher illegaler Substanzen. Die Strafen sind hart. Die Polizei konfisziert radikal selbst Rauchgeräte und andere Paraphenalia. Delikte werden nach drei Gruppen kategorisiert: Klein, einfach und schwer. Schon kleine Vergehen werden mit bis zu 6 Monaten Ansicht der landeseigenen Gardinen belohnt, einfache Vergehen mit bis zu drei Jahren, schwere Vergehen mit bis zu zehn Jahren. Die Menge und der Typ der Droge spielen die entscheidende Rolle für die Kategorisierung und das Strafmaß. In der Praxis wird bei sehr geringen Mengen von Cannabis von einer strafrechtlichen Verfolgung abgesehen. In größeren Städten wie Stockholm und Göteborg wird bei dem Besitz kleiner Mengen Cannabis und deren Konsum dieser nicht durch die Staatsanwaltschaft interveniert. Aber verlassen kann man sich auf die Gnade der Polizei nicht. In Schweden heißt es so oder so äußerst vorsichtig zu sein: Jeder zweite Gefängnisinsasse in Schweden sitzt wegen eines Verstoßes gegen die Drogengesetze.
Schweiz
Das wird ein Ski-Urlaub! Ab 2001 schien Cannabis fast legal, aber seither wird zwar kräftig angebaut, aber das ist dann doch nicht so richtig erlaubt. Auch in den legendären Duftkissli-Läden gibt es immer wieder Razzien. Wer mit ein wenig Gras in der Tasche erwischt wird, dem droht aber kaum Ungemach in der Schweiz.
Spanien
In Spanien kann gerade im privaten Rahmen entspannt gekifft werden. Das Land unterscheidet zum einen zwischen „harten“ und „weichen“ Drogen, zum anderen sind Konsum und Besitz zum Eigengenuss für beide Substanzgruppen entkriminalisiert. Seit 1991 werden Ordnungsbußen für das Kiffen in öffentlichen Einrichtungen und den Besitz von Cannabis verhängt – in der Praxis geschieht dies selten. Nur der Anbau, der Handel und die Anstiftung zum Konsum von Cannabis ist strafbar. Wem das Gericht nachweist, dass er mit Cannabis gehandelt hat, dem drohen zwischen 3 und 6 Jahren Gefängnis.
In den diversen Touristenhochburgen des Landes, aber auch in den abgelegenen Teilen des Halbinsel herrscht lockeres laissez faire. Marokko liegt nicht weit entfernt, dem entsprechend gibt´s mit guten Connections auch feine Ware. Die Grenze für die Menge des persönlichen Gerbrauchs ist festgelegt: 50 Gramm Haschisch (wenn denn die öffentliche Gesundheit nicht gefährdet war). Erst darüber gibt es Ärger mit den Hombres.
Tschechien
25 Prozent der 15-16-jährigen Schüler und 18 Prozent der Schülerinnen probierten schon mindestens einmal Cannabis. Der persönliche Cannabiskonsum und Besitz kleinerer Mengen wird nicht bestraft. In den vielen Clubs in Prag zirkuliert weiterhin der freundliche Nebel.
Ungarn
Hanf hat in Ungarn Tradition. Liegt es daran, dass hier der Besitz kleiner Mengen kaum verfolgt wird? Erst bei größeren Mengen setzt sich das Mühlwerk der Justiz in Bewegung.
TEUFELSDROGEN oder
DIE NÄCHSTE HORRORDROGE KOMMT BESTIMMT
SIE NENNEN ES „NUTS“
Erstmals wurde jetzt bei einer Razzia in einer Hamburger Techno-Diskothek eine Substanz beschlagnahmt, die Insidern bislang nur als eine der neuen Teufelsdrogen aus den USA bekannt war. Polizeiexperten befürchten, dass die unter dem Szenenamen „Nuts“ verkaufte Designerdroge nun auch in die deutsche Technoszene herübergeschwappt ist. „Nuts“ wird aus den Schalen exotischer Nüsse gewonnen und kann schon von Schülern mit einfachen chemischen Kenntnissen in jeder normalen Küche hergestellt werden. Das Teufelszeug ist viel gefährlicher als die bisher aufgetauchten Discodrogen wie „Ecstasy“, „Shabu“, „GHB“ und „Speed“. „Nuts“ wird in der Szene je nach Reinheitsgrad für 10 bis 30 DM pro Dosis gehandelt. Die Horrordroge unterdrückt jegliches Hunger- und Schlafbedürfnis. Die Konsumenten fühlen sich völlig enthemmt und unbesiegbar. Ständiger Drang nach höherer Dosis, dann schreckliche Depressionen, Verfolgungswahn, Herzrhythmusstörungen und bei einer Überdosis schliesslich Tod durch plötzliche Atemlähmung sind die Folgen. „Nuts“ führt schon nach mehrmaligem Gebrauch unweigerlich in die Abhängigkeit und schliesslich in den körperlichen Ruin. Drogenberatungsstellen sind bisher noch in keiner Weise auf die neue Drogenwelle vorbereitet. „Wir haben zur Zeit genug damit zu tuen, Cracksüchtigen Konsumgelegenheiten zu verschaffen“, so Heribert Bossorski von der DROBS, „Nuts-Konsumenten sind bei uns noch nicht aufgelaufen.“ Doch die Polizei ist nach den ersten Beschlagnahmungen gewarnt und plant weitere Razzien in Diskotheken und auf Openair-Musikveranstaltungen, sowie Kontrollen an Schulen und Universitäten, jenen Orten an denen ein Handel mit der gefährlichen Partydroge vermutet wird.
So lautete eine in diesem Jahr als Aprilscherz ins Internet geschickte „Presseagenturmeldung“. Und tatsächlich unterscheidet sie sich kaum von dem in den Medien üblichen Stil, eine „neue“ „Horrordroge“ anzupreisen. Meist sind diese „teuflischen“ Substanzen nicht „neu“. Aktuelles Beispiel: „Yaba“ („Crazy Man“), früher auch „Yama“ („Crazy Horse“, nach dem Emblem einer bekannten Marke), ist die in Thailand geläufige Bezeichnung für ein dort in Tablettenform erhältliches Anregungsmittel, das geschluckt, aber auch von Alufolie geraucht wird, und nun über Traveller und Prostituierte Europa erreicht haben soll.Die gleiche Substanz ist in Japan und anderen ostasiatischen Ländern als „Shabu“ bekannt und wird dort meist injiziert oder geschluckt. Aus Hawaii wurde Ende der Achtziger Jahre der Gebrauch dieser Substanz in einer rauchbaren kristallinen Form unter dem Namen „Ice“, auch „Glass oder „Batu“ (Filipino für „Rock“=Fels) bekannt. In den USA kennt man die schnupf-, schluck- und injizierbare, mehr oder weniger gestreckte Pulverform als „Crank“, „Crystal“, „Meth“ oder „Speed“. Im bayrischen Wald tauchte sie kürzlich als „Crystal“ oder „Tschechen-Speed“ in einer hochreinen kristallinen Form auf. Chemisch handelt es sich um Methamphetamin oder d-Desoxyephedrin. Unter Präparatenamen wie „Pervitin“, „Desoxyn“ und „Methedrin“ wurde es lange Zeit in vielen Ländern als Medikament vermarktet. Das wahrscheinlich 1919 erstmals synthetisierte Methamphetamin (von so etwas Absurdem wie einer „Nazi-Droge“ wie in manchen Artikeln erwähnt, kann also keine Rede sein), das nahe verwandte bereits 1887 hergestellte Amphetamin (bekanntester Präparatename: „Benzedrin“) und diverse strukturell und in der Wirkung ähnliche Aufputschmittel vom Typ des Amphetamins, die man deshalb oft pauschal als Amphetamine bezeichnet, wurden in grossen Mengen seit den Dreissiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts von Ärzten bei diversen Indikationen verschrieben und in Apotheken erworben. In den Sechziger Jahren lauteten zum Beispiel die Indikationen der Temmler-Werke in Marburg/Lahn für ihr Präparat „Pervitin“: Niedriger Blutdruck, Allergische Erkrankungen, Kollapsgefahr, Depressionen, Fettsucht, Schlafmittel-, Alkohol- und Kohlenmonoxidvergiftung, Atemstillstand, Nierenversagen, Narkolepsie usw. usf. . Noch 1979, mittlerweile nur noch auf Betäubungsmittelrezept verschreibbar, lauteten die Indikationen ganz ähnlich. Man sieht, bei der dämonisierten „Designerdroge“ handelt es sich wie so oft (weitere aktuelle Beispiele sind die Narkosemittel GHB aka „Liquid Ecstasy“ und Ketamin, sowie das Schlafmittel aus der Benzodiazepingruppe Rohypnol Roche) eigentlich um ein in Verruf geratenes Medikament.
Berüchtigt geworden ist der von kriegführender staatlicher Seite massenhaft verordnete Einsatz von Amphetaminen im Zweiten Weltkrieg. Amerikaner, Briten, Japaner und Deutsche brachten nicht nur Durchhalteparolen sondern auch unzählige der peppenden Pillen unter ihre Soldaten. Allein an die in Grossbritannien stationierten amerikanischen Truppen wurden etwa 2 Millionen Amphetamintabletten ausgegeben.
Japan bekämpfte schon in den 50er Jahren den ärztlich nicht legitimierten Konsum von Methamphetamin ohne dauerhaften Erfolg. Schweden erwarb in den 60er Jahren den Ruf einer Amphetamin-Hochburg, da sich hier das intravenöse Injizieren des „Speeds“ als besonders bedenkliche Konsumform etabliert hatte. In vielen Ländern etablierten sich die Wachmacher und Appetitzügler bei Studenten, Hausfrauen, Fernfahrern, Prostituierten, Zuhältern, Trinkern und Partyvolk. Ende der Sechziger Jahre begann man in den USA sowohl von staatlicher Seite als auch aus der Hippiekultur heraus den Konsum von Stimulantien kritisch zu sehen. „Speed kills“ wurde zum geflügelten Wort. Der Erwerb von pharmazeutisch produzierten Amphetaminen wurde in den USA und in Europa durch die entsprechende Drogengesetzgebung soweit erschwert, dass sich eine Untergrundproduktion etablierte.
In der Bundesrepublik boomte der Handel mit illegal synthetisiertem und meist in Pulverform vermarktetem Amphetamin allerdings erst richtig in den 90er Jahren. Das mag auf der Angebotsseite mit der wachsenden Produktion in den Nachbarländern zu tuen haben, auf der Verbraucherseite dagegen mit einer exzessiven leistungsorientierten Ausgeh- und Konsumkultur, die geradezu nach Durchhaltemitteln schreit. Parallel dazu wurde die Abzweigung verschreibungspflichtiger Amphetamine zum Verkauf auf dem Graumarkt durch eine stark eingeschränkte Indikationsstellung (lediglich, und dabei noch umstritten, für Narkolepsie=“Schlafsucht“ und „hyperkinetische Verhaltensstörungen bei Kindern“) und Aufnahme ins Betäubungsmittelgesetz praktisch unterbunden. So verschwanden in den 70er Jahren „Pervitin“, in den 80er Jahren „Captagon“ (Fenetyllin) und in den 90er Jahren „AN 1“ (Amfetaminil) aus dem Milieu. Der letzte Mohikaner unter diesen Präparaten war das kaum euphorisierende, aber dafür umso länger wachmachende „Tradon“ (Pemolin), keine enstzunehmende Konkurrenz mehr für die preiswerteren schnupfbaren Schwarzmarktpülverchen.
Bei den illegal synthetisierten Amphetaminen gab es lange Zeit regionale Vorlieben, die wohl teils mit der lokalen Verfügbarkeit ihrer Ausgangschemikalien, teils mit den Neigungen der Konsumenten zu tuen haben. In den USA bevorzugte man das aus dem dort lange Zeit leicht erhältlichen Ephedrin synthetisierbare, als etwas euphorischer geltende, aufs Gewicht bezogen potentere und länger wirkende, aber körperlich bedenklichere Methamphetamin, in Europa das Amphetamin. Wie dem auch sei, „Speed“ steht nun schon lange in der ein oder anderen Form überall auf der Welt zur Verfügung. Die Risiken und Gefahren sind seit langem bekannt. Verblüffend nur, wie immer wieder mit derselben Substanz unter neuem Vorzeichen Politik gemacht wird. Eigentlich auch wieder nicht. Angst ist ein wichtiges Produkt der Medien. Fast immer stehen hinter den deshalb von den Medien bereitwillig aufgegriffenen Angstkampagnen politische und/oder finanzielle Interessen. In den USA sind es häufig Politiker kurz vor den Wahlen, die mittels Panikmache die Aufmerksamkeit auf sich lenken und mit erhobenem Zeigefinger die Lorbeeren als grosse Warner einheimsen wollen. Auch die Strafverfolgungsbehörden haben nicht selten ein Interesse daran über die Verbreitung von Schreckensmeldungen eine Aufstockung ihres Budgets zu erzwingen. Das gilt auch für präventive und therapeutische Einrichtungen unter denen genau wie in der freien Marktwirtschaft Trends aufgezeigt werden, die man dann institutionell aufzufüllen trachtet, sofern irgendjemand bereit ist, dafür zu zahlen. Aber wo kein Druck gemacht wird, fliessen bekanntlich auch keine Gelder. Am Ende, wenn die angekündigte Welle dann doch nicht eintrifft, kann man sich auf die Schulter klopfen, das läge daran, dass man rechtzeitig gewarnt hätte, oder wenn sich die verteufelten Substanzen dann plötzlich steigender Beliebtheit erfreuen, kann man seine Stimme erheben, man habe ja rechtzeitig davor gewarnt. Eine Lobby, die die Fakten geraderückt, gibt es aus Sicht dieser Interessengruppen praktischerweise in dem Bereich der unterdrückten Drogen nicht. Konsumenten, Händler und Produzenten werden sich hüten, ihre Stimme öffentlich zu erheben solange sie von Strafverfolgung, Stigmatisierung und gesellschaftlicher Ausgrenzung bedroht sind. Eine objektive wissenschaftliche Beforschung gibt es auf Grund der von staatlicher Seite zögerlichen allenfalls auf das Aufzeigen negativer Konsequenzen fixierten Finanzierung von entsprechend aufgebauten Untersuchungen kaum, und wenn, dann verschwinden politisch unerwünschte Ergebnisse schnell wieder in irgendeiner Schublade. Mit einer Liberalisierung der Drogenverbotsgesetzgebung lässt sich eben kein Blumentopf gewinnen, meint man zumindest in der auf Macht versessenen opportunistischen Parteienlandschaft.
Der Kenntnisstand der breiten Öffentlichkeit ist so gering, dass ihr hierüber praktisch alles weissgemacht werden kann. Das Interesse von Journalisten, sich schlau zu machen, ist in der Regel gering, da einerseits entsprechende Kenntnisse letztlich der etablierten Publikationsform widersprechen würden, wie sie der Leser gewohnt ist, und immer wieder mit dem entsprechenden Schauder zu lesen wünscht, und andererseits die Praxis des buschfeuerartigen weltweiten Weiterreichens sensationeller Meldungen meist keinen grossen Raum für tiefschürfende Recherche lässt. Mit ein wenig Abschreiben und Rumtelefonieren ist der Job erledigt und der neue Drogenhype aus den Redaktionsbüros in die Welt posaunt bevor die, zwar irgendwie negativ, so doch kräftig beworbenen Drogen auf dem lokalen Markt eingetroffen sind, wenn sie dies denn überhaupt in nennenswerter Form jemals tuen werden. So profitieren am Ende alle Beteiligten von diesem propagandistischen Trick, kurioserweise inklusive der Produzenten der „neuen“ gehypten Drogen, nur nicht die Drogengebraucher, denen von Süchtigkeit bis hin zu Gehirnschäden alles Mögliche „präventiv“ unterstellt wird, und die letztlich unter der am ungeschütztesten Glied ansetzenden, verbohrten aber auf Dauer erfolglosen Strafverfolgung am meisten zu leiden haben.
Wer in diese Materie tiefer einsteigen will, und das sollte eigentlich jeder, der drogenpolitisch aktiv ist oder in der Medienbranche mit Meldungen zum Thema Drogen zu tuen hat, dem sei folgendes Buch wärmstens empfohlen:
Philip Jenkins
„Synthetic Panics. The Symbolic Politics of Designer Drugs.“
New York University Press 1999
ISBN 0-8147-4244-0
http://www.nyupress.nyu.edu
Im beschaulichen Frankfurter Stadtteil Oberrad am Main, wo Gartenbaubetriebe die Kräuter für „Grüne Soße“ sprießen lassen, feiert ein außergewöhnliches mittelständisches Unternehmen sein 10jähriges Bestehen: Die THC-Pharm (The Health Concept) GmbH. Fünf befreundete Gesellschafter hatten das Unternehmen 1996 aus einer Patienteninitiative heraus gegründet um Schwerkranken, insbesondere als austherapiert geltenden Schmerzpatienten Delta-9-Tetrahydrocannabinol (THC) auf legale Weise verfügbar zu machen. Durch die Änderung des Betäubungsmittelgesetzes (BtmG) im Jahre 1998 wurde es Ärzten möglich Delta-9-THC als Medikament zu verschreiben. Im gleichen Jahr konnte Christian Steup, der Hauschemiker von THC-Pharm, erstmals in einer Apotheke Delta-9-THC als Rezeptursubstanz herstellen. Dank anhaltendem Engagement und guter Öffentlichkeitsarbeit, der Geschäftsführer Holger Rönitz arbeitete einst als Sprecher für Greenpeace, hat THC-Pharm heute 17 MitarbeiterInnen, macht einen Umsatz im Millionenbereich und versorgt durch den Großhandel über etwa 2000 Apotheken mehrere Tausend Patienten mit Medikamenten auf Hanfbasis.
Das mittlerweile zu bemerkenswerten 99,5% reine Delta-9-THC, das hier in Oberrad im Labor teilsynthetisch hergestellt wird, wird unter dem Namen „Dronabinol“ als Rezeptursubstanz vertrieben. Als Ausgangsmaterial für die Synthese wird in Hessen biologisch angebauter Hanf zugelassener Faserhanfsorten verwendet. Die getrockneten Blütenstände inklusive Samen und Stengeln werden mit einem lipophilen Lösungsmittel extrahiert. Aus diesem Extrakt wird als weiße kristallinische Substanz Cannabidiol (CBD) abgeschieden. Die Ausbeute liegt dabei bezogen auf das allerdings relativ kostengünstige Ausgangsmaterial im Promillebereich. Das CBD wird nun auf chemischem Wege mittels Isomerisierung in das bei Zimmertemperatur feste und im Idealfall wasserklare Delta-9-THC umgewandelt.
Es muss vor Zersetzung im Kontakt mit der Luft geschützt werden. Deshalb wird es im erwärmten Zustand auf Spritzen aufgezogen und zur Sicherheit im dunklen Kühlschrank aufbewahrt. So ist es relativ lange haltbar. Durch Luftkontakt verfärbt es sich an der Kontaktfläche erst rosaviolett, dann hin zu braun. Bei der Zersetzung entsteht das in reinem Zustand als weiße Kristalle dem CBD optisch ähnliche Cannabinol (CBN). CBN weist keine nennenswerte mit dem Delta-9-THC vergleichbare Psychoaktivität mehr auf, wurde aber in Zusammenhang mit leicht unangenehmen Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen gebracht. Interessanterweise ist das Delta-9-THC auch in äthanolischer Lösung luftabgeschlossen aufbewahrt ohne allzu große Verluste lange haltbar. Wird es jedoch in Ölen gelöst, beschränkt sich die Haltbarkeit auf einige Monate bei schließlich vollständiger Zersetzung.
Man mag sich fragen, warum THC-Pharm diesen kompliziert anmutenden Weg zur Gewinnung des nach allen bisherigen Kenntnissen mit Abstand bedeutenden Hanfwirkstoffes, dem Delta-9-THC, geht. Dieses erklärt sich aus der komplizierten Rechtslage unter den Bedingungen des real existierenden BtmGs. Das gestattet den Anbau THC-reichen Hanfes nämlich allenfalls für wissenschaftliche Zwecke, nicht jedoch zur Herstellung pharmazeutischer Präparate. Nebenbei bemerkt, wäre die Gewinnung reinen Delta-9-THCs aus an diesem reichen Hanf, wie er beispielsweise für pharmazeutische Zwecke staatlich kontrolliert in den Niederlanden angebaut wird, bei der dortigen Preislage gegenwärtig nicht wesentlich günstiger. In der Schweiz ist gar nur die Verwendung vollsynthetischen Delta-9-THC`s (wie im US-Präparat „Marinol“) gestattet.
Immer wieder wird kritisch ins Feld geführt, warum man nicht einfach einen standardisierten Extrakt aus psychoaktivem Delta-9-THC-reichem Hanf mit dem gesamten Spektrum der Inhaltsstoffe herstellt. Dies hat neben den erwähnten rechtlichen Gründen noch den, dass die meisten wissenschaftlichen Studien im medizinischen Bereich mit der Reinsubstanz erfolgt sind. Diese wird auch für das Gros der erwünschten Wirkungen verantwortlich gemacht. Die Dronabinol-Patienten legen in erster Linie wert auf ein legal verschriebenes Präparat zur Linderung ihres Leids und sind nicht unbedingt genussmittelerfahren und so vielleicht auf Hanf fixiert. In Zukunft wäre sicherlich ein breiteres Spektrum an Präparaten wünschenswert.
Ein weiterer die Vermarktung erschwerender Punkt ist, dass nur den Apothekern die Weiterverarbeitung des Delta-9-THCs zu pharmazeutischen Präparaten für den Endverbraucher gestattet ist. Aus diesem Grunde verschickt THC-Pharm seit 2003 Dronabinol-Sets an die Apotheker, die diesen erlauben, den Wirkstoff mit Kakaobutter zu verschmelzen und in Kapseln zu füllen, ihn in Öle (wie Sesamöl) einzubringen oder aufgelöst in 97%igem Alkohol zu einem Inhalat zu verarbeiten. Das bringt zwar den Apotheker im klassischen Sinne wieder auf Trab und gewährt ein frisches Präparat, erhöht aber die Kosten für die Endabgabe erheblich.
Für den Patienten ist der Weg zum Dronabinol immer noch kompliziert. Leider ist es THC-Pharm auf Grund des BtmGs nämlich nicht gestattet potentielle Patienten über das medizinische Potential von Delta-9-THC direkt zu informieren. Wer meint, sein Leiden könne eventuell durch Delta-9-THC gelindert werden, sollte sich deshalb an den Arzt seines Vertrauens wenden, denn nur Ärzte und Apotheker können entsprechendes Material anfordern. Sie sollten sich nicht scheuen, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen, zumal THC-Pharm über ein umfangreiches gut sortiertes Archiv verfügt und obendrein seine Homepage laufend mit Daten wissenschaftlicher Studien aktualisiert.
Die Hauptindikationen, bei denen Delta-9-THC auf Grund seiner entspannenden, entkrampfenden, schmerzlindernden, appetitanregenden, übelkeitvertreibenden etc. Wirkungen zur Anwendung gelangt, sind schwerwiegende Krankheitsbilder, wie Spastiken, Querschnittslähmung, neuropathische Schmerzen und Tumorkachexie. Weitere Indikationsfelder sind der Einsatz als Anti-Emetikum bei der Tumortherapie (hier nur über wenige Tage), bei therapieresistenten Schmerzen, auch in Co-Medikation mit Opioiden, bei MS, bei Dystonien und Tourette-Syndrom. Unter anderem bei ALS, COPD, Parkinson und Alzheimer scheint es Potentiale zu geben. Durch die Entdeckung des körpereigenen Cannabinoid-Systems haben sich hier ganz neue wissenschaftliche Perspektiven eröffnet.
Bei regelmäßiger Medikation muss ein Patient, der Dronabinol-Zubereitungen über seinen Arzt per Btm-Rezept verschrieben und von seinem Apotheker zubereitet bekommt, mit monatlichen Kosten von 200-500 Euro rechnen. Theoretisch sollten die Krankenkassen diese Kosten im Einzelfall in den erwähnten schweren Krankheitsfällen übernehmen. Hierfür gibt es aber leider immer noch keine verbindliche Regelung, so dass in der Praxis immer noch mehr als die Hälfte der Patienten die Kosten selbst tragen müssen. Generell würden die Kosten deutlich sinken, wenn sich die in vielen Fällen sinnvolle Anwendung von Delta-9-THC als wertvolles Medikament auf breiterer Ebene durchsetzen würde und auch Fertigpräparate ausgeliefert werden könnten. Dann ist allerdings zu vermuten, dass sich auch größere weniger enthusiastische Unternehmen für diesen Markt interessieren werden.
Dronabinol ist zweifellos das wichtigste Produkt von THC-Pharm. Gelegentlich bestellen Apotheker auch CBD, um es allein oder in Kombination mit Dronabinol einzusetzen. Selbst kaum psychoaktiv, soll es das Wirkspektrum von Delta-9-THC variieren können. Eine medizinisch hochinteressante Substanz ist das im Kolben glasartig erstarrte vollsynthetisch hergestellte Propyl-delta-9-THC (THCV), das mir der Chemiker zeigt. Es wurde verschiedentlich aus Rauschhanfproben isoliert und stand einst fälschlich im Ruf eines Super-THCs. Jetzt hat man herausgefunden, dass es als starker Antagonist für das körpereigene Cannabinoid Anandamid (nicht aber für THC!) wirkt. Ein anderes für die Forschung attraktives synthetisches Cannabinoid ist das Heptyl-delta-9-THC. Eine einzige Dosis soll bis zu einer Woche lang wirken können.
Ein Standbein jüngeren Datums in der Firmengeschichte ist die Synthese von möglichst reinen Researchchemikalien für wissenschaftliche Forschungsarbeiten und als Referenzsubstanzen für die Analysen der Landeskriminalämter. Bei den Btm-Substanzen sind extrem hohe Auflagen der Bundesopiumstelle zu erfüllen. Dementsprechend ist der dick gepanzerte Tresorraum des Labors von THC-Pharm a la Fort Knox mit Bewegungsmeldern und einem direktem Draht zur lokalen Polizei gesichert. Hier glitzern hinter Türen, die sich für den neugierigen Journalisten wie einst „Sesam“ öffnen, in Erlenmeyerkolben fluffig rosig Lysergid-Kriställchen und schimmern schneeweiße DMT- und gräulich-weiße Psilocybin-Kristalle in kleinen Glasphiolen. Allein der Anblick hat schon was. Einen sinnvollen Einsatz dieser Steinchen der Weisen bei einer entspannteren Gesetzgebung kann man sich da für die Zukunft nur wünschen.
„Unglücklicherweise wissen wir nicht genug über Cannabis, dabei wäre es einfach heraus zu finden.“
Interview mit Jonathan Ott, Autor von „Pharmacotheon“, einem Standardwerk über psychoaktive, visionäre Pflanzen und deren Anwendungen, über den Kokain-Handel, die Wirkung von Marihuana, den Schamanismus und den Gebrauch von psychoaktiven Drogen.
In Zusammenarbeit mit Albert Hofmann, dem Entdecker des LSD, entwarf Ott das Wort „Entheogene“, das Substanzen beschreibt, welche „Spirit“ oder den persönlichen Gott in uns wecken. Wir besuchen Jonathan Ott an einem milden Spätsommerabend in der Wohnung des Ethnopharmakologen Christian Rätsch und der Kulturwissenschaftlerin Claudia Müller-Ebeling. Das Forscherpaar hat einen kleinen Empfang für Ott organisiert – das gibt uns Zeit ein Interview mit dem Ottilie zu führen.
HanfBlatt
Ich möchte mit einer witzigen Einleitung beginnen. Ein Geschenk von mir, welches du wahrscheinlich noch nicht kennst. Manche Zeitgenossen sagen es wäre die schrecklichste Droge auf Erden… was sagst du? Es ist eine Flasche Mariacron, die „Droge der Tanten“.
Ott
Ahh, Weinbrand, genial. Sind da Cannabinole drin?
HanfBlatt
Nein, es ist nur das Kaffee-Kränzchen Getränk unserer Tanten. Wir nennen es „Sprit“, aber es hat keinen Spirit.
Ott
Nun, es hat ein schönes Etikett. Und es scheint vollmundig zu sein. Danke.
HanfBlatt
Mit Pharmacotheon hast du einen Meilenstein der wissenschaftlichen Literatur über psychoaktive Pflanzen und deren Inhaltsstoffe verfasst. Das Buch ist äußerst präzise und gibt einen klaren Blick darauf, was wir über diese Pflanzen tatsächlich wissen. In „Ayahuasca Analoge“ gibst du allerhand nützliche Informationen über eine Anzahl von Ingredienzien, welche zu einem hoch potenten oral aktiven Trunk verarbeitet werden können. Nebenbei führst du die Absurdität und Unmöglichkeit der Kriminalisierung des Natürlichen vor. So sind deine Publikationen so wichtig wie „Thikal“ und „Phikal“ von den Shulgins. Was hat sich seit der Veröffentlichung von „Pharmacotheon“ für dich verändert?
Ott
„Pharmacotheon“ wurde 1993 veröffentlicht, eine zweite Ausgabe und eine spanische Übersetzung 1996. Aber insgesamt hat sich nichts geändert, ich gehe nur immer weiter in die Einzelheiten. Als Beispiel: Das Ayahusca-Buch war zunächst ein Kapitel in „Pharmacotheon“ und wuchs später zu einem vollständigen Buch. Ich wollte dann die gleichen Methoden -Bio-Proben und Analysen- auf die südamerikanischen Schnupfdrogen anwenden. Just habe ich eine weiteres Buch fertig geschrieben, „Schamanische Schnupfdrogen“, welches in Kürze in der Schweiz erscheinen wird. Die deutsche Ausgabe folgt später. Dort habe ich die psychonautische Anwendung von 5-MeO-DMT und Bufotenin beschrieben. Das Buch handelt weniger von DMT, mehr von den drei Hauptbestandteilen der großen Schnupffamilie: Bufotenin, 5-MeO-DMT und Nikotin. Statt Pharmahuasca hat man also Pharmaepena, welches das geschnupfte 5-MeO-DMT ist und Pharmayopo, welches das geschnupfte Bufotenin ist. Diese Arbeit ist komplett neu, weil bislang kein Forscher seine Aufmerksamkeit auf die Schnupfdrogen gerichtet hat. Als Homestead und Lindgren, die schwedischen Chemiker, zum ersten Mal die Idee des „Ayahuasca-Effekts“ beschrieben, den Zusammenhang zwischen MAO-Hemmern und Tryptaminen, sprachen sich eigentlich von den Schnupfdrogen und erst später wurde dies auf Ayahuasca übertragen – nämlich dann als DMT in nachträglich in Ayahuasca gefunden wurde. Ich wollte schon immer zurück zu den Schnupfdrogen kommen. Geschnupft sind die Inhaltsstoffe tatsächlich sehr viel potenter als oral eingenommen. Dies war schon eine Überraschung. Ich analysierte und probierte über sechzig Kombinationen. Dazu musste ich zunächst die Ingredienzien isolieren, weil Bufotenin eine illegale Droge ist…
HanfBlatt
… in den USA…
Ott
Ja, nur in den USA, glaube ich. Aber aus praktischen Gesichtspunkten ist es einfacher es zu isolieren, nicht zuletzt weil ich mein eigenes Labor in Mexiko habe. Es wurde viel über Bufotenin geschrieben, meistens Unsinn, über den Mangel an Psychoaktivität, visionäre Kraft und so weiter. Aber durch die Zusammenarbeit mit Christian Rätsch und mit Manuel Torres, einem Kollege aus Cuba, welcher die Schnupfdrogen seit mehr als zwanzig Jahren studiert, werden wir mehr Informationen erhalten. Torres trug den Wunsch der Kooperation an uns heran – Christian übernahm die Feldforschung und arbeitete mit den Schamanen in Nord-Argentinien zusammen und ich analysierte die Schnupfdrogen. Zunächst studierten wir die Samen und -wie in der Literatur beschrieben- fanden wir hohe Mengen an Bufotenin – bis zu 12,4mg- und fast keine anderen Tryptamine. Wir fanden zudem heraus, dass die Samen geschnupft wie geraucht sehr aktiv waren. Daraufhin war ich natürlich daran interessiert das Bufotenin zu isolieren.
Wie sich herausstellte ist Bufotenin tatsächlich visionär und zudem ebenso psychoaktiv wie 5-MeO-DMT, wenn es geraucht beziehungsweise als freebase konsumiert wird. Aber seine Psychoaktivität als Schnupfdroge ist ähnlich wie DMT, welches erheblich weniger psychoaktiv ist. 5-MeO-DMT ist also oral aktive, auch ohne MAO-Hemmer, obwohl eine höhere Dosis nötig ist. Momentan schreibe ich zusammen mit Christian Rätsch an einem Buch mit dem Titel: „Just say Blow. Coca and Cocaine, a scientific Blowjob“. Dieses wird nächstes Jahr auf deutsch im AT-Verlag erscheinen.
HanfBlatt
Bevor wir fortfahren: Prost.
Ott
Prost.
HanfBlatt
Die Thema Bufotenin wirft einen komplett neues Licht auf die Frage der Kröten.
Ott
Vielleicht. Ich denke nicht, dass in irgendeiner dieser Kröten genug Bufotenin ist, um psychoaktive Effekte zu erzielen. Tatsächlich finden sich nur kleine Mengen von Bufotenin in den Kröten, sie beinhalten dafür sehr hohe Mengen anderer giftiger Substanzen, unter anderem Phenylethylamine. Zum Teil haben wir es auch mit sehr gefährlichen Stereoiden zu tun. Ich habe zu wenig Erfahrung mit ihnen, sieht man einmal von der „Bufo Alvarius“ Kröte ab. Dies ist die einzige Kröte von der man weiß, dass sie 5-MeO-DMT enthält. Zwischen 10 und 15 Prozent im „Gift“, dem Drüsen-Sekret dieser Kröte. Dieses ist geraucht äußerst potent. Der Effekt ist aber nicht nur wie bei 5-MeO-DMT, es müssen noch andere Substanzen eine Rolle spielen, die man bisher noch nicht gefunden hat. Bufotenin ist definitiv oral aktiv: Es gibt Beweise, dass die Kröten dem „Chicka“ zugeführt wurden, einem tropischen amerikanischen Wein, in Anteilen über die wir noch keine Theorie haben. Ich denke nicht das es das Bufotenin ist, es muss etwas anderes sein, was für die Psychoaktivität zuständig ist.
HanfBlatt
Vielleicht wird es auch durch die Haut absorbiert, wie bei den Hexensalben?
Ott
Ja, das ist möglich, aber dafür liegen mir keine Beweise vor. Bei Nikotin stimmt dies. Momentan fokussiere ich mich auf Nikotin, weil es eine wichtiges Thema ist. Mein Schnupfdrogenbuch hat ein Kapitel über Epena, diverse Schnupfdrogen, welche 5-MeO-DMT und andere Tryptamine enthalten. Ein anderes Kapitel handelt von Sebil und Nopo, welches Bufotenin enthält. Ein weiteres Kapitel behandelt Tabak und nikotin-basierte Schnupfdrogen. Schon seit längerer Zeit erforsche ich Nikotin, obwohl ich normalerweise keinen Tabak konsumiere. Lieber nehme ich eigentlich pures Nikotin, beispielsweise als nasales Spray. Tatsache ist, dass in normalen kommerziellen Zigaretten nicht genügend Nikotin ist, um irgendeinen Effekt zu erzielen. Nikotin an sich ist wie Kokain keine Substanz die Sucht erzeugt – legt man eine rationale Definition an. Es gibt keine Entzugserscheinungen und es passiert gar nichts, wenn man viel davon über einen längeren Zeitraum konsumiert und dann plötzlich aufhört. Kommerzielle Zigaretten beinhalten vielleicht ein Milligramm Nikotin pro Stück und man absorbiert rund die Hälfte davon in einem Zeitraum von zehn Minuten. Ich nehme normalerweise zehn Milligramm als einzelne Dosis und das entspricht der Mengen einer ganzen Packung Zigaretten.
HanfBlatt
Und deine momentane Arbeit?
Ott
Ich schreibe an eher praktischen Beiträgen für das Journal of Psychoactive Drugs. Der erste ist bereits unter dem Titel „Pharmahuasca“ erschienen, demnächst erscheinen „Pharmaepena“ und „Pharmayopo“. Just schreibe ich an einem Artikel mit dem Namen „Pharmanubil“, der sich mit den tabakhaltigen Schnupfdrogen beschäftigt. Es gibt noch so viele unbekannte Pflanzen die wir identifizieren müssen. Wie man in der exzellenten „Enzyklopädie der psychoaktiven Pflanzen“ von Christian Rätsch gut sehen kann, existieren buchstäblich hunderte, vielleicht tausende von visionären Pflanzen und wir kennen erst die Wichtigsten. Seit dreizehn Jahren lebe ich in Mittelamerika und in meinem Garten wachsen sechs sehr bekannten mittelamerikanische Entheogene, die chemisch wie pharmakologisch noch komplett unerforscht sind. Ich hatte bisher nur keine Zeit sie zu prüfen oder auszuprobieren und genau das muss man tun, wenn man sie studieren will. Man braucht keine Labortiere, man braucht keine großartige Forschungsfinanzierung, man braucht keine Unmengen von Universitätspersonal, man muss nur die Aktivität der Pflanzen verstehen und man muss sie halt kosten. Aber sei´s drum.
Diese Pflanzen sind auch in ihrem historischen Kontext wohl bekannt und es besteht keine Gefahr, dass sie in nächster Zeit verschwinden werden. Die meisten werden momentan kaum genutzt und somit ist es kein Problem, welches auf eine schnelle Lösung drängt. Ich fokussiere mich nun auf Südamerika, nicht zuletzt weil es dort -beispielsweise in Brasilien- eine alte, aber akut vom Aussterben bedrohte Gebrauchskultur gibt. Zudem existiert kein oder nur wenig historisches Hintergrundwissen wie in Mittelamerika. Aus diesem Grund werde ich demnächst nach Südamerika ziehen, vielleicht Kolumbien, um das Studium dieser Pflanzen und ihres Gebrauchs zu vereinfachen.
Confessions of a chocolate addict. J. Ott mit seinem Schokoladenkuchen.
HanfBlatt
Die US-Regierung lässt eine Menge Geld nach Kolumbien fließen.
Ott
Ja, sie nennen das den „Plan Columbia“ und der sieht folgendes vor: Die US-Regierung kontrolliert momentan den Kokain-Handel nach Europa und die Alte Welt über Bolivien. Die USA haben großen Einfluss in Bolivien und das Land so gut wie übernommen – weniger militärisch, als vielmehr ökonomisch, indem sie die Politiker und viel Land gekauft haben. Der Kokain-Handel läuft dabei über die US-Botschaft. Sie haben ihren eigenen Air-Force Hangar im Hauptflughafen in Santa Cruz. U.S.-Militär-Transporte fliegen hier fast täglich ein und aus und niemand weiß was dort verladen wird. Offiziell sind es Arzneimittel für die Bevölkerung, de facto sind sie es aber, die damit den Kokain-Handel kontrollieren. Die USA versuchen seit längerem Kolumbien aus dem Kokain-Handel auszuschließen. Schon in der Präsidentsschaftszeit von Jimmy Carter wurden darum Kontakte nach Bolivien geknüpft. Später, im Jahre 1979, wurde ein Staatsstreich protegiert und die USA setzten diesen Typ namens Luis Garcia Meza, der als Staatspräsident das Land regierte. Kurz nach seiner Amtseinsetzung wurde in Bolivien massiv Koka gepflanzt und in riesigen Laboratorien zu Kokain weiter verarbeitet. All das Koka wurde bis dahin von Bolivien und Peru nach Kolumbien transportiert, dort raffiniert und die Kolumbianer kontrollierten den Zugang zum US-Markt. Man muss wissen, dass in den USA 70 Prozent des weltweit hergestellten Kokains konsumiert wird. Und natürlich ist das US-Militär in den Transport involviert, speziell während der Reagan-Zeit. Das war doch die Geldquelle für den illegalen Krieg gegen die Sandinistas in Nicaragua. Im Grunde ging es immer darum Kolumbien aus dem Geschäft zu treiben. Heute ist die kolumbische Regierung in schlechter Verfassung: die Rebellen kontrollieren die Hälfte des Landes und sie kontrollieren vor allem die Koka-Zone. Damit war die Regierung letztlich gezwungen die militärische Hilfe der USA zu akzeptieren. Angeblich um den Drogenkrieg zu bekämpfen, in Wahrheit aber um die Kokain-Produktion in Kolumbien zu kontrollieren. Sollte dies den USA tatsächlich gelingen, wäre die gesamte Kokain-Produktion der Region in ihren Händen, denn in Peru besitzt die US-Regierung ebenfalls großen Einfluss.
Dies ist der Hauptgrund weshalb ich seit 13 Jahren nicht mehr in den USA wohne. In diesem Land ist der Puritanismus Grundlage jeden Handelns und dieser Schwindel, der sich „War on Drugs“ nennt, ist nur eine Entschuldigung dafür Menschen die ihnen missfallen ins Gefängnis zu stecken.
HanfBlatt
Der „Krieg gegen die Drogen“ geht weiter. Gibt es eine Chance ihn zu beenden?
Ott
Es existiert definitiv eine Chance – er liegt schon in den letzten Zügen. Noch treibt er zwar weiter seine unsäglichen Blüten, aber die Kräfte gegen ihn wachsen. Dieser Krieg ist gegen die Geschichte, gegen die Ökologie, gegen die Ethik, den gesunden Menschenverstand und die Realität. Ich sehe ihn mehr oder weniger als historisches Ereignis – maximal noch zehn Jahre. Die Drogenpolitik der USA ist in zunehmenden Maße unpopulär auf der Welt. Ich denke schon, dass die Situation so wie in Holland oder Spanien enden wird. In Spanien herrscht zwar ein Verbot, man kann aber bis zu drei Marihuana-Pfllanzen besitzen, bis zu fünfzig Gramm Haschisch, bis zu zehn Gramm Heroin oder Kokain und bis zu 100 LSD-Tripps. Das wird als Eigenbedarf angesehen. Meistens gibt es eine Geldbuße, aber es ist kein Verbrechen für welches man eingesperrt wird.
Nebenbei: Ich bin nicht für die Legalisierung oder irgendeinen anderen Deal mit dem Staat, denn das bedeutet nur mehr Steuern. Legalisiert man Cannabis, würden die großen Tabak-Konzerne den Markt beherrschen. In alten Zeiten war Tabak eine sehr potente, visionäre Droge, später wurde es zu einem Laster: Gerade gut genug um Menschen zu verletzten, aber nicht high zu machen. Ich befürworte daher eher die Dekriminalisierung des Drogenmarktes. Ich versuche mehr und mehr die Verwicklung der Staatsorgane in den Drogenhandel aufzudecken. Es gab und gibt Drogen-Skandale in Europa und in anderen Ländern, während deren Aufklärung nachgewiesen wurde, dass die offiziellen Leute aus den Drogendezernaten in den Handel involviert waren. Mehr und mehr Menschen dämmert es, dass der eigenen Staat mit seinen ausführenden Organen in den Handel verwickelt ist. Für die Regierung ist es eine großartige Möglichkeit viel Geld zu verdienen und nebenbei auch noch die Menschen, die sie nicht mögen, ins Gefängnis zu schicken.
Mein Ziel ist daher nicht ein neues Kontrollsystem für Substanzen, welches von irgendeiner Regierung kontrolliert wird. Momentan haben wir doch eine sehr gute Marktsituation – die Preise fallen und die Reinheit steigt an. Die Prohibition gibt unseren Leuten die Chance auf ein recht gutes Leben im Drogenproduktions- und verteilungsgeschäft. Ansonsten müssten sie mit den Tabak- und Alkohol-Firmen konkurrieren. Ich würde gerne eine Art von Waffenstillstand sehen, indem es unmöglich ist jemanden wegen dieser Art von Geschäften ins Gefängnis zu stecken. Und dann sagt man halt: „O.k., ihr Typen von der CIA, der DEA und dem US-Militär, ihr könnt ja gerne mit den Drogen handeln, aber wir wollen mit euch konkurrieren und dann wird man sehen wer gewinnt.“ Dies wird, denke ich, nicht durch irgendeine Art von öffentlichen Entscheidungsprozess geschehen, eher durch Zermübungstaktik. Früher oder später wird der politische Wille sterben, immer mehr Menschen ins Gefängnis zu werfen. Sie nennen die USA „The Land of the Free“, aber in dem Land sitzen 25 Prozent aller Gefängnisinsassen der Welt! Es besitzt die höchste Gefangenenrate in bezug auf die Bevölkerung der Welt, sieht man einmal von China ab. Momentan sitzen zwei Millionen Gefangene in den USA, die meisten von ihnen wegen Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz. Das ist fast Einer in 100 Leuten. Das ist teuer, es kostet mehr als die Leute auf eine private Universität zu schicken. Es gibt kaum irgendeine Familie im Land, die nicht jemanden kennten der im Knast sitzt, zum Teil ein Familienmitglied oder ein naher Freund. Diese Menschen verstehen all die Lügen des „War on Drugs“. Es geht darin nicht um Gerechtigkeit oder darum gefährliche Leute hinter Gitter zu bringen. Umgekehrt wird ein Schuh daraus, denn mittlerweile werden die wirklich gefährlichen Verbrecher wegen Platzmangel entlassen. Umso mehr Menschen ins Gefängnis müssen, umso mehr begreifen die Menschen das es in diesem System nicht um Gerechtigkeit geht.
HanfBlatt
Das System wird sich selbst auflösen?
Ott
So läuft es immer. Jeder glaubte an die langlebige Existenz der Sowietunion. Diese Dinge sind wie ein Szenenaufbau in Hollywood, nach außen stark, aber das Gerüst ist dünn und es vergammelt schnell.
HanfBlatt
Potemkinsche Dörfer.
Ott
Richtig. Die Nazis raffte die Zeit dahin und das selbe wird mit der US-Regierung geschehen. In weniger als fünfzig Jahren werden die Präsidenten, Premierminister und Regierungschefs das sein, was die Könige heute sind. Sie durchschneiden Bänder um Autobahnen und Fabriken einzuweihen und am Unabhängigkeitstag treten sie auf um eine Rede zu halten. Die wahre Macht halten sie aber nicht mehr in den Händen, weil diese in die Hände der großen, multinationalen Konzerne übergegangen ist. Gore, Schröder und all die anderen sind dann Marionetten, die die Interessen dieser Unternehmen vertreten. Die großen Firmen sind das kleinere Übel als die Regierungen, denn sie operieren in vielen Ländern der Welt. Und weil dies so ist, wollen sie Probleme mit diesen Ländern vermeiden. Zudem sind sie demokratischer; es ist leichter einen Chef einer Firma als den Chef eines Landes zu stürzen. Alles was man tun muss ist Aktien kaufen und ihn rauswählen.
Vielen Leuten ist diese Idee nicht sehr sympathisch, speziell den Sozialisten, aber ich denke es ist besser wenn man Macht offen und ehrlich so betrachtet. Die Waffenindustrie wird eingehen, denn nur der Nationalismus speist diesen Industriezweig. In Wirklichkeit ist dies der Motor des globalen Welthandels: Waffen und Drogen. Aber wenn es keine nationalistischen Politiker mehr gibt – wer will diese Waffen noch haben?
HanfBlatt
Ein Themensprung. Welche Rolle spielt Cannabis für dich?
Ott
Cannabis spielt keine Rolle in meiner täglichen Arbeit, es ist mehr ein soziales Genussmittel. Natürlich ist es die am weitesten verbreitete Droge in der Welt, zehnmal häufiger als Kokain, welches wohl auf Nummer zwei der Liste steht. Allein in den USA konsumieren laut Regierung 25 Millionen Menschen Cannabis und eventuell sind es doppelt so viele. In Europa gibt es noch mehr Genießer. Zudem ist Cannabis eine Kernthema beim politischen Paradigmenwechsel, welcher durch die Bürgerbewegung für den Medizinalhanf angeschoben wurde. Selbst die US-Regierung war gezwungen THC wieder auf die Liste der verschreibungsfähigen Mittel zu setzen, bis dahin war es auf der Liste der gänzlich illegalen Substanzen, wo die Pflanze selbst heute noch steht. Und ich denke sie werden gezwungen sein auch die Pflanze verschreibungsfähig zu machen, nicht zuletzt weil zu viele Patienten bezeugen, dass THC (Marinol) nicht so gut wirkt wie das Rauchen von Cannabis. Das Rauchen von Marihuana hilft ihnen und es ist preiswerter. Elf Staaten haben es für den medizinischen Gebrauch legalisiert und eine Art von Verschreibungssystem aufgebaut. Aber einige Politiker bekämpfen dies bis auf Teufel komm raus. Sie weigern sich die Marihuana-Gesetze zu ändern, nicht zuletzt deswegen, weil die DEA (Drug Enforcement Administration) dann ihre Daseinsberechtigung verlieren würde. 75 Prozent der Inhaftierung wegen Drogenbesitz in den USA geschehen im Zusammenhang mit Marihuana.
Eine andere Kraft zur Änderung der bestehende Gesetze ist die Faserhandindustrie. In Ländern wie Kanada und Finnland war Hanf ein wichtiges landwirtschaftliches Erzeugnis und langsam kommt es zurück. Dies sind die beiden maßgeblichen verbindenden Elemente, die weit über das hinaus gehen, was früher „Hippie versus Alki“ genannt wurde oder dieses andere dumme Zeug, welches im Zusammenhang mit Marihuana immer wieder auftaucht. Die Leute sehen das heutzutage in Begriffen wie „landwirtschaftlich“ oder “ ökologisch. Es geht dann nicht mehr nur darum, von was du high wirst, es ist eine politische Frage. Aber natürlich ist Hanf Cannabis. Und das sieht man ganz klar in Mexiko, wo ich lebe. In Mexiko kümmert sich keiner um den Kokainkonsum – das ganze Land lebt unter Kokaineinfluss. Es ist die Droge der politischen Klasse, der Konservativen, der Börsenmakler, es wird in Firmen genauso genutzt wie im Weißen Haus und der Drogenszene. Marihuana allerdings wird als gefährliche Droge behandelt, weil es mit den linksorientierten Intellektuellen in Zusammenhang gebracht wird, mit Studenten und der Gegenkultur. Es ist ein politisches Thema, welches man mit Kokain nicht hat, denn Koks ist das Herzblut der Politiker in Mexiko, genauso wie in vielen anderen Ländern auch.
HanfBlatt
Hast du eine Übersicht über das Thema Marihuana in den spanisch sprechenden Ländern?
Ott
Spanien hat eine enorm hohe Rate an Cannabis-Konsumenten und das Haschisch kommt traditionell aus Marokko. Es ist wirklich schlechtes Haschisch, mit meistens nicht einmal zwei Prozent THC. Canamo, das spanische HanfBlatt wenn man so will, hat chemische Analysen von marokkanischen Haschisch durchführen lassen and es ist wirklich schlecht, eher wie wild wachsendes Marihuana. Mehr und mehr Leute züchten darum ihr Cannabis selbst, dass kann man gut auf einigen Stadtbalkonen beobachten. In Zukunft wird die Situation also besser werden, allerdings nicht für das korrupten Regime in Marokko und den korrupten Zoll in Spanien.
HanfBlatt
Wenn ich unterbrechen darf: Was ist der aktuelle Wissensstand über Cannabis? Was ist für die Psychoaktivität verantwortlich?
Ott
O.k., seht, dass ist nicht meine Fachgebiet. Ich besitze zwar eine Menge Literatur darüber, aber das ist ein weites Feld. Fest steht: Irgend jemand muss psychonautische Studien mit Cannabis durchführen; das heißt, man muss all die potentiell aktiven Bestandteile isolieren – und das sind viele. Es scheint momentan klar, dass es zwei Klassen von psychoaktiven Verbindungen gibt: Die Cannabidiole, welche eine eher beruhigende, körperliche Wirkung haben und die THC-Isomere, besonders das Delta-1 THC, welche eine sehr stimulierende und visionäre Wirkung haben. Und es existiert mindestens noch ein weiteres aktives Isomer des THC, das Delta-8 THC. Schaut man aber in die wissenschaftliche Literatur, um die für einen Menschen wirksame Dosis von Delta-1 THC zu erfragen, steht dort: „Nun, drei bis dreißig Milligramm.“ Das ist nicht gut genug, um nicht zu sagen, dass ist ziemlich ungenau. Ein weiterer Punkt ist die Anwendung – oral, geraucht, geschnupft oder injiziert? Es hängt natürlich von der Art der Einnahme ab. Vor einiger Zeit, während eines Seminars in Palenque, Mexiko, gab mir ein Typ der Krebs hatte ein paar Pillen Marinol. Er gab mir eine 45 Milligramm Dosis, ich nahm alles und wartete. Nach einer Weile vergaß ic, dass ich überhaupt was genommen hatte. Es passierte gar nichts! Geraucht wäre ein Zehntel davon eine starke Dosis gewesen.
Jemanden der in der Cannabis-Forschung tätig ist würde ich vorschlagen: Nimm ein bekannte Probe, beispielsweise von Sensi-Seed, lass das Gras wachsen und erstelle ein chemisches Profil. Isoliere all die unterschiedlichen Isomere der Cannabinoide und teste um die zehn verschiedenen Verbindungen in dem Verhältnis wie vorgefunden, alleine und in Kombination. Ich vermute, dass es mehr aktive Verbindungen gibt.
Die kurze Antwort auf eure Frage ist, dass wir es nicht genau wissen und das Wissen was wir haben ist sehr ungenau. Aber wir haben die Chance es genauer zu wissen, nun, wo die Anandamid-Verbindungen isoliert und der sogenannte „Cannabis-Rezeptor“ im Gehirn gefunden wurde. Alles was wir brauchen ist Human-Pharmakologie und zur Zeit geschieht dies nur in den Keller-Laboratorien der Gegenkultur. Zumindest in den USA ist es nicht möglich so etwas in einer offenen Forschung zu betreiben. In einem Land, in dem sie seit 30 Jahren jährlich Milliarden von Dollar ausgeben und immer noch sagen drei bis dreißig Milligramm sei die aktive Dosis, während sie eine Medikament produzieren, welches nicht wirkt, nur um Leute zu nerven die Marihuana rauchen. Unglücklicherweise wissen wir nicht genug über Cannabis, dabei wäre es einfach heraus zu finden.
HanfBlatt
Was sind deine bevorzugten Strategien zur Risikominimierung bei dem Gebrauch von Entheogenen?
Ott
Nun, wissen was man nimmt ist der erste Schritt. Zweitens sollte man die Situation kontrollieren, in welcher man es nimmt. Ich bin kein wahrer Freund davon, visionäre Drogen in der Stadt, auf einem Rave oder einem Rock-Konzert zu nehmen, außer es ist eine geringe Menge mit etwas was man bereits kennt und von dem man auch weiß, wie es zu dosieren ist. Aber es hängt auch von der Erfahrung der Person ab. Übergeordnet ist aber für mich die Kontrolle des Setting – am besten in einer komfortablen und sicherer Umgebung, in der man nicht Gefahr läuft jemanden Unangenehmen zu begegnen. Oder Leute die man nicht kennt und mit denen man plötzlich umgehen muss. Schön ist es zu Hause oder auf dem Land. Natürlich ist es wichtig die Substanz und ihre Dosierung zu kennen und der Schwarzmarkt macht dies nahezu unmöglich. Darum ist das alles einfach für mich zu sagen, weil ich im allgemeinen die Substanzen gut kennen die ich nehmen. Normalerweise nehme ich keine Pillen vom Schwarzmarkt, obwohl dies in der Vergangenheit durchaus vorkam.
Diese Substanzen sind nicht für jeden bestimmt, einige Menschen sind keine gute Kandidaten für etwas wie LSD, Pilze oder Ayahuasca. Wirklich nervöse Menschen, Menschen, die nicht leicht entspannen können, sind keine Kandidaten. Diese Substanzen sind nicht für jedermann – für viele Menschen können sie wundervoll sein und ihr Leben verändern, aber sie können Menschen auch schaden.
HanfBlatt
Siehst du einen Unterschied zwischen Konsum und einem Ritual?
Ott
Das sehe ich auf meine Weise. Viele Leute denken sie brauchen Kontakt zu Schamanen vom Amazonas, aus Mittelamerika oder von sonstwo her. Das halte ich für nicht richtig. Zum einen ist es nicht gut für die Schamanen, weil sie meistens diesen Kontakt nicht wollen, zum anderen kommen die falschen Leute, die das Tor zum Massentourismus öffnen. Ich möchte den Grund für die Existenz des Schamanismus in der heutigen Welt zeigen und ich denke nicht, dass der Tourismus das leisten kann. Es fördert eher den Hollywood-artigen Schamanismus. Zudem ist es keine feste Einnahmequelle, denn plötzlich sagen die Fans: „Oh, es ist nicht der Amazonas, es gibt das etwas neues woanders“. Die Pilze haben so eine Zeit des Hypes erlebt, Ayahuasca ist es nun und vielleicht wird es demnächst Iboga werden. Es schadet den Leuten die davon abhängig sind, wenn plötzlich das Geschäft woanders hinrennt.
Ein Ritual muss nicht etwas aus einer anderen Kultur sein, geschweige denn etwas archaisches. Die Menschen sollten eigenen Rituale entwickeln, die Bedeutung für sie und das eigene Leben haben. Das würde ich bevorzugen. Es ist halt eine Frage von Ernsthaftigkeit und Respekt für die althergebrachte Umwelt und die heilige Natur. Wenn man diesen richtigen Respekt und etwas Wissen über die Natur mit einbringt, dann ändert das die Einstellung und der Genuss der Droge atmet etwas von einem Ritual. Für mich macht es beispielsweise für Leute in Hamburg mehr Sinn zu sagen: „Nun, wir nehmen es im Freundeskreis“ und so weiter, statt zum Amazonas zu schielen und die Riten dort zu imitieren. Es macht mehr Sinn auf deutsche Traditionen zurückzugreifen, auf Strukturen und Methoden des alten Schamanismus und des Heidentums aus der Gegend in der man lebt, in der heimischen Sprache und dem heimischen Kontext. Dies gilt auch dann, wenn die Substanz ganz woanders her kommt. Um eure Frage zu beantworten: Es ist eine Frage der Einstellung und Ernsthaftigkeit. Wenn jemand es wirklich respektiert und es aufrichtig und bestimmt nimmt, dann ist das ein ritueller Akt an sich. Und das ist viel wichtiger als Trommeln, Federn und Gürtel. Und es reicht für den rituellen Kontext vollends aus. Das heißt nun nicht, dass es falsch ist diese Dingen nur aus Spaß zu nehmen – daran ist nichts modernes oder neues, Schamanen tun das und haben es immer getan.
HanfBlatt
Aber Wunder dich nicht, wenn du das Licht siehst.
Ott
In Mittelamerika existieren exzellente historische Aufzeichnungen des Pilzkonsums der Einwohner. Daraus wird deutlich, dass sie für Heil- genauso wie für Staatszeremonien genutzt wurden, aber auch um ein erfolgreiches Geschäft zu feiern. Ganz genau so, wie man hier einen Cocktail trinkt, eine Nase Kokain schnupft oder einen Joint raucht. Und auch für fette Party-Settings wurden Pilze genutzt.
Christian Rätsch (betritt den Raum)
Es ist Party-Stimmung! Und zwar jetzt!
Ott
Ja?
Rätsch
Ja, es wartet ein nette kleine Runde von Leuten draußen auf dich. Oh, was ist das?
Ott
Eine Flasche Mariacron.
Rätsch
Uhh, das ist der schlechteste Schnaps den du kriegen kannst.
HanfBlatt
Ich sagte dir, dass es eine der übelsten Drogen der Welt ist.
Ja, Mann, heute ist Hanffest und nichts in der Welt wird mich vom Besuch dieses Mega-Events abhalten. Leute anschauen, Fotos schießen, 20 Hanfburger in mich reinfuttern. Zunächst trage ich aber erst mal für Freunde Möbel von einer Wohnung in die andere und bin damit schon Teilnehmer eines Umzugs. So verpasse ich den anderen, Mann. Egal, das Samstags-Fest im Schanzenpark ist ohnehin der Höhepunkt der dreitägigen Feier – jedenfalls für mich. Ok, Mann, ich hätte mir auch den honorigen, aus der Versenkung auftauchenden Günther Amendt reinziehen können, der keine Zukunft ohne Pharma-Drogen sieht. Hui! Oder den Anwalt des Rechts, Uwe Maeffert heißt er glaube ich, der die Strafverfolgung beäugt. Der Info-Kiffer kommt auf seine Kosten dieses Jahr. Da darf sich niemand beschwerden, Mann, von wegen „was soll ich denn auf dem Fest?“. Gesundheitskräuter der besonderen Art erfreuen meine Einheit als ich dies denke und der Sternschanzenbahnhof spuckt aus seinem Rot-Klinker-Maul stetig neue Fans aus.
Der letzte Wagen der Hanf-Parade biegt um die Ecke, yes, Mann, ich bin noch rechtzeitig. Das rhythmische Grunzen von Papa Bär klingt aus der Ferne und gibt die Richtung vor. Vier Keulen, Mann, der Typ wirft vier Keulen in die Luft und fängt sie sogar wieder. Welch ein luftiger Einlass und ich friemel die Kamera aus der Tasche. Kein Film im Apparat. Eine sich im Gras wälzende Oma hilft weiter und zaubert einen Kodak 200 ASA aus der Kunstkroko-Tasche. Hey, genau das was ich brauche und ich knipse was das Zeugt hält. Der Jongleur möchtet ein Exemplar der Zeitschrift, wenn denn sein Foto erscheint. Ich verspreche ihm das Blaue vom Himmel herunter.
Und dieser Himmel zeigt endlich Gnade und lässt das Fest in trockenen Tücher. Wieder inhaliere ich die vietnamesischen Gesundheitskräuter. Liebliche Stimmung umhüllt das Festchen, mich und auch die Hunde. Das scheint auch Christian Rätsch, Kenner vieler Kräuter, zu spüren als er sagt: „Fragt die Pflanzen!“ Wow, echter Heidenspruch, könnten sie es hören, würde dem Sprengelvorstand der nordelbischen Gemeinde ganz anders werden. Kein schlechter Trick, und ich frage die asiatischen Highflyer in meinem Jute-Beutel „Wohin jetzt?“ Die Antwort: „Und so soll er sich zum Hot-Dog Stand begeben, um toten Darm in sich zu schlingen!“ Wow, es funktioniert, Mann, und der Hot-Dog Stand ist keine zehn Schritte entfernt. Dieser Schanzenpark eignet sich vortrefflich zur Etablierung einer temporär autonomen Zone. Hier, wo die Gesetze außer Kraft sind und doch ein innerer Zusammenhang die Ordnung erhält. Deswegen fehlen trotzdem die Röstzwiebeln auf der Schweine-Wurst. Voll krass, Hot-Dog ohne Röstzwiebeln. Ich esse nur drei.
Das Völlegefühl schubst mich kurz Richtung Paranoia: Gleich kommen die Bullen und sacken alle Leute ein. Gut, dass ich Jan treffe, ein nicht ganz so größenwahnsinniger Obrigkeitsanbeter wie ich. Aber bei bester Laune ist er auch nicht: „Kein Haschisch hier am Start, ich habe zehn Leute gefragt, aber keiner kann mir was verkaufen.“ Die Rettung naht wie so oft als Frau. Sie baut aus indischen Gewürzen eine befriedende Zuckertüte und die Augen des Jan leuchten. Ich ziehe meinen Fan aus der Tasche und mit sanftem Brummen fächel ich mir etwas Atmosphäre zu.
„Ich sehe keine Bewegung“, an diesen Satz erinnere ich Hans-Georg Behr, den Mediziner, bekennenden Kiffer und Autor des 2001-Klassikers „Von Hanf ist die Rede“. Er zeigt sich trotzig und sieht auch weiterhin keine Bewegung in der Cannabis-Politik, läuft aber trotzdem über das Fest. Nun gut, hier bewegt sich doch aber was, das Hanffest ist so gut besucht wie nie, die Leute knutschen, Seifeblasen fliegen durch die Luft, Mann. Die laute Musik macht ein Gespräch schwierig, wir verabreden uns für später. Yeah, Mann, nicht nur ein gutes Fest, auch einen weiterer Auftrag eingeheimst. Das bedeutet bald gute Laune und neue Talerchen.
Strahlende Gesichter auch am Stand von den Grünen. Eine mutige Splittergruppe der Partei setzt sich für eine neue Drogenpolitik ein und verteilt Safer-Use Broschüre wie warme Semmeln. Cool.
Mittlerweile heizen Hippie-House der Menge ein. Auch hier ist Psy-Trance das Mittel für Bewusstseinkapriolen. Mann, hoffentlich spaltet das die Menge nicht und irgendwann kommen nur noch Goa-Fraggles aufs Hanffest. Hanf-Punk am Hafenrand, dass ist auch der Vorschlag von Sven Meyer, dem Organisator des Festes.
Es ist 20 Uhr und viele verlassen das Fest um die Tagesschau zu sehen. Ok, Irrtum, die Party geht weiter. Das bunte Völkchen ist inzwischen bei bester Polit-Laune und man sieht ihnen die fortgeschrittene Agitation für ihre Rechte an. Mann, denn trotz aller Harmonie hat das Fest einen ernsten Hintergrund über den man durchaus schwadronieren sollte: Es ist, jawohl, Symbol des Widerstands gegen eine Drogenpolitik, die ihre Zielgruppe zu unmündigen und kranken Menschen macht. Selbst wenn man den Damen und Herren in Berlin und Bonn keine böse Absicht unterstellt – das kommt dabei hinten raus. Uncool. Nun, Mann, der bester Weg um Ärger darüber zu verdeutlichen ist in Zeiten der Spätmoderne nicht mehr der gezielte Wurf mit dem Pflasterstein, sondern die freudig-trotzige Beharrlichkeit auf Einräumung der Grundfreiheiten des Menschen. Yeah, Mann, so schwer ist das doch nun wirklich nicht.
Genug Gedanken, Mann, ich will die Ziehung der Lotto-Zahlen nicht verpassen, löse mich vom grünen Band der Sympathie und stolpere aus dem Park.
Angst und Schrecken beim Hexenmeister von Winterhude
„Roh genossen brechreizerzeugend, sonst aber hervorragend.“ Der Mann vor mir spricht von Mahonien, die selbst im klugen Brockhaus als „Ziersträucher mit bläulichen Beeren“ ausgegeben werden. Hans-Georg Schaaf weiß es besser. Nach der Erhitzung verarbeitet er die Früchte zu einem seltenen und vor allem leckeren Wein.
Mittlerweile exisiteren eine Menge Versender von exotischen Kräuterchen, Schaaf dagegen schreibt die einheimischen Gewächse wieder auf den Speisezettel. Manche Pflanzen wirken dabei so gut, dass die Hüter der Ordnung selbst ohne deren Konsum ausrasten. „Ich verarbeite heimische Pflanzen und da sind viele dabei, die dem Gesundheitsamt sauer aufstoßen“, repetiert Schaaf.
Dann wird der einsichtig: „Ich habe vorgestern ein wenig Tollkirsche probiert – das macht hellsehend ohne Ende. Du liegst im Bett, bist wach und siehst hell. Das ist erstaunlich, ergreifend, vielleicht auch Angst einflössend, wenn man nicht stark genug ist. Und bei Überdosierung ist es tödlich.“
Die Preisfrage wird in den Raum geworfen. Wie dosiert man die Nachtschattengewächse, so, dass man damit was anfangen kann und nicht delirös in der Gegend rum rennt? Dafür braucht man halt einen Hexenmeister, einen, der die Dosierung auf jeden Menschen neu einschätzt, einen, der aus einem blinden Konsumenten einen kritischen, vorsichtigen Genießer macht. „Ich bin nicht bereit, meine Produkte auf die Individuen einzustellen, die Individuen müssen sich auf meine Produkte einstellen.“ Bingo, das genau scheint doch ein Teil der Zauberformel für einen vernünftigen Umgang mit Drogen in der Gesellschaft zu sein. Selbst die offizielle nicht zum Verzehr geeigneten „Ritusprodukte“ verkauft Schaaf nur in kleinen Mengen und auch nur dann, wenn er sich von der Integrität des Kunden überzeugt, dieser einen sechsseitige Merkzettel gelesen und mindestend zwei Stunden Zeit mitgebracht hat.
Wir sind beruhigt. Erst jetzt bemerken wir, dass wir neben dem Tisch stehen und der Hamburger-Kleinspur-Schamane lädt uns zum Sitzen ein. Wir kommen auf das Deutsche Reinheitsgebot für Bier zu sprechen. „Das Reinheitsgebot gilt nicht mehr. Heute gilt das vorläufige deutsche Biergesetz von 1931, welches sich vom Reinheitsgebot dahin gehend unterscheidet, dass die Art des Malzes nicht mehr vorgeschrieben ist. Das Gesetz sagt nach wie vor nichts darüber aus, wie es abgefüllt wird, nur, wie es gebraut wird. Dementsprechend werden fast alle Biere sterilisiert, obwohl das eigentlich nicht sein muss und sein sollte. Zusätzlich bekommen sie oft Kohlensäure zugesetzt. Damit ist das Bier zum Massenprodukt und so unindividuell geworden, dass es fast witzlos ist es zu trinken.“
„De facto ist es Bier was ich verkaufe. Ich müsste aber Kräuterbier sagen, so die Behörde. Oder noch besser: <Bierähnliches Getränk mit Kräutern>“.
Zwischen den ganzen Flaschen, Kübeln und Gefäßen wird man schon vom Riechen duhn, wir aber bekommen vom Meister Wermuth mit einem Alkoholgehalt jenseits von Gut und Böse serviert. Der Edel-Schnaps schmeckt kräftig und vor leicht bitter. Nippen sollte reichen, schließlich muss noch ein Auto gesteuert werden. Wir diskutieren weiter:
So mancher Mensch stellt ja das vielzitierte Reinheitsgebot als erstes Prohibitionsgesetz dar. Was Schaaf davon hält wollen wir wissen: „Zu 50 Prozent ist meine Antwort ja. Der Klerus gönnte den anderen Menschen nicht, dass sie über die Betten kotzen. Andererseits konserviert Hopfen hervorragend und bot sich bei der Herstellung von Bier an. Ich recherchiere da momentan und forsche nach, warum ab einem gewissen Zeitpunkt Biere mit psychoaktiven Substanzen nicht mehr exisitierten. Verboten worden sind sie offenbar nicht – das Reinheitsgebot hat ja auch erst Ende des 19 Jahrhunderts gegriffen.“
Leckereien wie Bilsenkraut- oder Alraune-Bier darf der Druide momentan nicht ausschenken. Das Gesundheitsamt beäugt Schaaf kritisch und beschlagnahmt auch mal die eine oder andere Fuhre. Der Ausweg aus dem Dilemma: Wenn es denn an die sogenannten „Ritualprodukte“ geht, lässt sich Schaaf vom Käufer bestätigen, dass er das Produkt nicht einnimmt oder äußerlich anwendet. Also bleibt nur die Tinkturen um das Bett zu träufeln und auf Wirkung zu hoffen. Vorteilhaft, denn dann riecht es zu Hause endlich wie in der Kneipe.
Achtung, Raver aller Ländern: Unerschrocken von dem Behördenstress will der Mann zur nächsten Love-Parade Kräuterbier anbieten. Vielleicht braut der Bürgermeister von Psycho-Pannenberg das gesunde Mischgetränk. Der Mann aus Winterhude hat aber noch weitere Pläne. Er will den Hanf zur Verarbeitung in Ritus-Produkten genehmigt bekommen. „Ich habe da eine Argumentation, die ich hier aus verständlichen Gründen nicht breit treten möchte.“
Das dient aber nicht dem Selbstzweck, sondern für Schaaf sind diese Elexiere die Schlüssel zu einem Zugang zu unseren Wurzeln abseits der amerikanisierten, medikamentisierten, Ecstasy oder Instant-Erleuchtung erheischenden Kultur.
Und so behauptet der Mann das „Bier mit Alraune ist das mildeste und das mit Porst und Fliegenpilz das psychoaktivste“. Und wir glauben ihm, denn inzwischen kredenzt uns der Mann die dritte Sorte Wermuth. Dieser schmeckt bitter wie die die Europameisterschaft mit den Jungs um Sir Erich, wir aber rollen mit den Augen und loben den Trunk. Langsam hüllt mich der sanfte Nebel des Rausches ein und durch diesen schönen Schleier nehme ich wahr, wie unser Miraculix von einem Kunden erzählt, der mit Hilfe des Psycho-Bieres seinen lange vermissten Vater wieder gefunden hat. „Klingt gut“, murmel ich.
Jetzt nur keine Blöße geben. Der Wermuth-Terror auf der Zunge schmirgelt die Erinnerung an mein Marmeladen-Brötchen weg und übrig bleibt der Geschmack einer Motorwäsche. Haben mir zehn Tauben vor dem Standesamt in den Mund geschissen? Meine Zunge hängt schlaff wie ein ledriger Lappen im Gaumen und will sich noch weiter Richtung Magen verdrücken. Irgendwie muss der Hexenmeister den bitteren Beigeschmack der Verkostung spüren und er führt uns Richtung Schaumweinabteilung. Wir torkeln durch den Laden und aus einem Fass sprudelt perliger Sekt. Ultralecker das, was nun die Zähne umspült. Ich bin begeistert und höre kaum noch hin, ob dieses Duftwässerchen irgendwelche psychoaktive Nebenwirkungen hat. Egal, inzwischen vertrauen ich dem Mann, der schneller als Dieter-Thomas Heck die Vor- und Nachteile diverser Mittelchen preist.
Leichte Albernheit kommt auf: Weshalb sind wir überhaupt hier? AZ gargelt was von Mischungsverhältnissen oder „Mission Impossible“ und ich bin kurz vorm Lachkrampf. Wir reißen uns am Riemen und die Frage nach den Rezepten für die Elixiere lässt Schaaf ausholen: „Es gibt keine Rezepte. Es gibt zwar Beschreibungen für die Ingredienzien, aber genau Messeinheiten sind schwer, weil sich der Wirkstoffgehalt der Pflanzen jede Jahr ändert. Die Gehälter unterscheiden sich von Pflanze zu Pflanze, von Standort zu Standort. Man muss also probieren, immer wieder ganz vorsichtig probieren. Dazu kommt noch, dass die Elixiere bei jedem verschieden wirken, und das selbst bei gleichem Körpergewicht und gleicher Ernährungsvoraussetzung. Und deswegen muss sich jeder selbst vorsichtig rantasten. Dabei bin ich behilflich, weil ich Übung habe.“
Übung macht den Meister, denke ich blödsinnig. Die Chose hier gerät langsam aus den Fugen und ich nage an einem süßen Quittenbrot. Auch das soll irgendwie horny machen, wie Schaaf versichert. In diesem Laden scheint alles zu wirken. Mittlerweile promenieren wir zwischen Laden und angrenzender Schankraum -man könnten auch Kneipe sagen- herum, als ob wir seit Jahren in dem Shop angestellt wären. Der nächste Drink, ein wirklich köstlicher Honigwein mit Hanfsamen, bringt mich endgültig schräg drauf. Über mir hängen Batterien von Stechäpfeln zum Trocknen, auf den Regalen lungern rote und gelbe Tollkirschen herum, um einem Opfer eingeflößt zu werden. In mir bodelt meine urchristliche Prägung und die Angst macht sich mit ergiebigen Flatulenzen Luft. So ähnlich muss sich ein Behördenmitarbeiter beim Kontrollgang fühlen – ungeheuerlich. Ich trinke eine zweiten Schluck von dem köstlichen,zwei Jahre lang gelagerten Met. Süsse Schwere, umwalle mich. Ich kaufe eine Flasche und will sie am liebsten in einem Zug lehren.
Näheres unter www.zaubertrank.de oder Telefon: 040 – 220 06 04
Marihuana rauchen bringt auch in Vietnam mächtig Spaß – selbst wenn das Kraut nicht wirkt
Die Propellermaschine durchstößt brummelnd den grauen, vietnamesischen Himmel. Unter uns liegt Saigon, vor uns der Urlaub an der Küste von Vietnam. Seit Tagen ist Whiskey fester Bestandteil unserer Ernährung – natürlich nur, um den Magen resistent gegen die ungewohnte Schmarotzer zu machen. So sitzen mein Freund und ich genauso duhn wie degeneriert im wackelnden Flieger der Vietnam Airlines. Liegt es daran, dass sich bei mir alles dreht? Auf alle Fälle wundert mich mal wieder diese merkwürdige Erfindung des rechten Winkels: Häuser, Felder, Strassen – von oben sehen Landschaft und Leben so wohlgeordnet aus. Wo die Natur unbeackert ihrem Dasein nachgeht, wird es runder. Am Boden mäandernde Flüsse, an Bord rosa Damen, die hier Stewardessen von Beruf werden. In den Reihen vor mir nur schwarze Pilze, die wie die asiatischen Beatles auf Tour aus den Kopfstützen wachsen. Ein Fallschirmsprung wäre jetzt geil: Unsere Jungs da unten vor den Schlitzaugen in Sicherheit bringen. Missing in Action VI. Raushauen aus ihren Wasserkäfigen und dann Richtung Kambodscha durchschlagen. Ich beruhige mich wieder von meinem Military-TV-Overdrive. Lieber mal an Jasmin-Blüten denken. Aber neben mir saust der Propeller, zerschneidet Blüte um Blüte. Was ist mit dem Wiskey an Bord? Die Nachschubroute scheint vermint. Egal, O-Saft von rosa Plüschhasen bringt es auch. Ich hoffe sehr, dass diese Gewänder keine Erotikneurosen symbolisieren. Schade, die Wirkung des Alkohols lässt nach. Landung.
Flugabwehrgeschütze am Rollfeld und eine Stadt fast ohne Langnasen, wie die Vietnamesen die hellhäutigen Erdbewohner nennen. An der Strandpromenade wird der Tourismus geprobt: Coca Cola, Langnese, Kioske, Massagen, Maniküre, aber Marihuana? Kein Stress, wir sind ja im Urlaub. Wir ziehen in eine kleine Herberge an der Promenade. Leicht verfallen, die Zimmer muffeln. Ist das der Geruch des asiatischen Sozialismus? Wie auch immer, die Menschen sind neugierig und freundlich. „Where do you come from?“, „How old are you?“ und „What is your Name?“, werden für die nächsten Tage die Einführungssätze in Gespräche, die sich 10 bis 15 mal am Tag wiederholen.
Es wird Abend und damit leider kühl. Am Strand hat es sich eine Gruppe von fünf Typen trotzdem im Kreis gemütlich gemacht. Mein kontaktfreudiger Freund steuert auf die Männer zu und es beginnt ein Austausch von englischen Brocken. Ich sitze etwas schüchtern daneben. Der Koch aus unserem Etablissement gesellt sich dazu und nach ein paar Schlücken eines vietnamesischen Extremalkohols wird die Runde lockerer. Zeichensprache hilft, ein Typ mit Baseballmütze führt Taschenspielertricks vor. Irgendwie biegen wir das Gespräch in Richtung Rauschhanf. „Marihuana, you know, for smoking“, sagt mein Freund, spitzt die Lippen und deutet tiefe Inhalationszüge an. Die Jungs lachen, was in Asien bekanntlich gar nix heisst. „Heroin?“, fragt einer und wir schütteln entgeistert den Kopf. „No, Marihuana!“, antworten wir. Einem der Männer geht ein Licht auf, „Ahh, Malihuana…“, ruft er und redet auf seine Freunde ein. Plötzlich grinsen alle wissend. „No have“, sagt der Eine, bietet sich aber an welches zu besorgen. Wir sind kurz unsicher, denn das geht ja fast zu glatt. Gleich am ersten Abend sollten wir auf die sprudelnde Quelle der lokalen Psychoköstlichkeiten gestoßen sein? Und was ist, wenn der Typ nicht mit Hanf, sondern Haftbefehl zurück kommt? Egal, wir sind heiß.
Ohne ein gewisses Vertrauen in die Menschen lebt es sich verkehrt und unsere Männer vom Strand wirken einfach sympathisch. Der freundliche Vietnamese dampft mit seinem Moped los, während wir fröhlich weiterquatschen. Geld wollte er nicht haben, er verspricht uns beste Ware für umgerechnet 15 Mark. Zwei Stunden später schlurfen wir zurück ins Hotel. Der Koch schließt hinter uns das Tor zu – von dem Gras keine Spur. Das ist uns mittlerweile auch egal, wir haben uns trotzdem mit den Jungs zum Fußball verabredet. Von riesigen Joints träumend reisst mich das Telefon auf dem Nachttisch aus dem Nickerchen. „Your Cigarettes are here“, sagt eine Stimme zu mir. Schlaftrunken stolpere ich ans Hoteltor, vor dem der Vietnamese mit seinen Freunden lächelnd steht. Etwas spät für einen gemeinsamen Joint vertrösten wir uns auf den nächsten Tag. Ich bedanke mich für die Aktion bei ihm und falle zurück in die Heia.
Das Tageslicht enthüllt das ganze Desaster: Das Kraut, welches sich in dem Beutel befindet, überhaupt mit dem wohlklingenden Namen „Marihuana“ zu beschönigen, wäre eine Beleidigung für jeden berauschenden Hanf in der Welt. Zwar handelt es sich um weibliche Blütenstände, diese hängen aber traurig und in ihrer Mickrigkeit völlig vertrocknet an dünnen Stengelchen. Der Haufen verblüfft durch einen dezenten Braunton, von Harz keine Spur. Die Geruchsprobe lässt auf eine unabsichtliche Fermentierung schließen. Aus den Hüllkapseln rieseln immerhin Samen. Um gar nicht erst in postkoloniale Pöbeleien zu verfallen machen wir die Probe aufs Exempel. Die mitgelieferten Blättchen sind so dick wie Zeitungspapier und natürlich ohne Klebefläche. Die daraus gebastelte Tüte gleicht einem männlichen Geschlechtsorgan nach drei Tagen Daueraufenthalt in der Badewanne. Der Geschmack ist ohne Charakter und erinnert schwer an „Deutsche Hecke“ Jahre vor 1994. Eine erheiternde Stimmung setzt nach dem Genuss des Joints ein, aber das hat definitiv nichts mit dem Gras zu tun. Wir amüsieren uns vielmehr über uns selbst und das Knistern der unzähligen Samen. Und komischerweise ist uns klar, dass wir hier nicht übers Ohr gehauen wurden, sondern das dies die normale vietnamesische Qualität darstellt.
Über den Genuss und die medizinische Anwendung von Marihuana in Vietnam ist wenig bekannt. Es wird aber vermutet, dass im Zuge der chinesischen Herrschaft über das Land auch der Hanf Einzug in die Kultur und die Medizin des Landes gehalten hat. Die chinesische Han-Dynastie eroberte schon rund 100 Jahre vor Christus weite Teile Asiens und auch das heutige Vietnam. Kaum ein Volk war so vielseitig in der Nutzung der Hanfpflanze wie die Chinesen: Hanf diente schon vor der Einverleibung Vietnams seit mindestens zwei Jahrtausenden (sic!) als Nahrung, zur Produktion von Seilen, Kleidung und Fischernetzen und zur Gesundung des Körpergeistes. Im heutigen Vietnam ist der Cannabis-Konsum unter Jugendlichen durchaus verbreitet. Ein Bericht im Auftrag der Europäischen Union spricht (eher anekdotisch) von „jungen Menschen, die in den öffentlichen Parks von Hanoi Cannabis rauchen und Mahjong spielen“. Das klingt doch nett! Der Report spricht weiter von „kleinen Läden“, in denen eine Zigarettenschachtel voll Cannabis für einen halben Dollar zu kaufen ist. Wir haben jedenfalls einen recht unkomplizierten und unglorifizierenden Umgang der Jugend mit Marihuana erlebt. Was nicht heißen, soll, dass die Polizei dem Treiben arglos zusieht. Wer mit Cannabis erwischt wird, sieht zumindest einer saftigen Geldstrafe entgegen, vom durchaus möglichen Aufenthalt im Gefängnis mal ganz abgesehen.
Glaubt man den spärlichen Informationen ist Vietnam in erster Linie Transit-Land für einen regen Verkehr mit Drogen aller Art. Im benachbarten Kambodscha wird Hanf in großer Menge angebaut – allein 1996 wurden weltweit 56 Tonnen Cannabis konfisziert, die aus Kambodscha stammten. Tatsächlich stammt das zweite Beutelchen Gras, welches wir erstehen, aus Kambodscha, aber dazu später mehr. Die Probleme mit Cannabis konsumierenden Jugendlichen werden von der vietnamesischen Regierung selbst als gering eingestuft. Kein Wunder, konzentriert man sich doch im „Kampf gegen die Drogen“ in erster Linie auf Opium und Heroin. Vietnam fungiert auch hier als Transitstrecke: Die lange Küste des Landes, das verwirrenden Mekong-Delta mit seinen rund 25 Tausend Fischerbooten und die grüne Grenze zu Kambodscha machen eine Kontrolle des Warenaustausches nahezu unmöglich. Über die seit 1991 offene Grenze zu China soll sich ebenfalls ein bunter Handel mit Produkten aller Art etabliert haben. Anfang der 90er Jahre kam zudem ans Licht, dass hohe Polizeibeamte und Militärs am Geschäft mit Heroin kräftig mitverdient hatten. Bis Ende der 80er Jahre hatte die Regierung (in guter sozialistische Tradition) bestritten, überhaupt drogennutzende Einwohner zu haben. Heute sieht das anders aus: 1996 sollen schon 240 Tausend Menschen heroinabhängig gewesen sein. Das Problem ist virulent: Über der Eingangstür zur örtlichen Diskothek hängt ein großes Schild mit dem Aufdruck „No Heroin please“ und in den Stadt stehen Schilder, die mit an die Volksgesundheit appellieren.
Nach dem dem Frühstück schwingen wir uns aufs Moped und fahren aus der Stadt heraus. Kurz darauf landen wir auf der N1, der Nationalstrasse des Landes. Hier fließt der gesamte Verkehr des Landes von Norden nach Süden und zurück. Alte sowjetische LKWs, Hühnertransporte, Busse, Mopeds, Fahrräder und Fußgänger teilen sich die schmale Straße. Armut herrscht abseits der Vorzeigestrassen der Stadt. Wellblechhütten, die Kinder spielen und leben fröhlich im Dreck. Ein zähes Volk tut sich auf, zum Teil noch körperlich durch den Krieg mit den USA und den Agent Orange-Einsatz gezeichnet. Verkrüppelte Beine, Arme, ein deformiertes Rückgrat bei einem vielleicht achtjährigen Kind, ein Kropf am Hals eines alten Mannes. Um den Irrsinn des Krieges zu ertragen, rauchten sich die US-Soldaten reichlich mit Marihuana dicht, kaum ein Amerikaner, der den Vietnam-Krieg ohne „Dope“ überstand. Der Heroinkonsum soll allerdings auch beträchtlich gewesen sein und hat amßgeblich zu seiner späteren Ausbreitung beigetragen. Offiziell starben zwischen 1964 und 1975 58.183 amerikanische Krieger. Süd-Vietnam hatte 223.748 Tote zu beklagen, für Nord-Vietnam wird die Zahl auf über eine Million geschätzt. 10 Prozent der Zivilbevölkerung (rund vier Millionen Menschen) starben, die meisten bei den Bombardements der US-Truppen im Norden des Landes.
Angesichts dieses, erst 25 Jahre zurückliegenden Krieges, verwundert es schon, dass die Jugend die westlichen Konsumgüter ohne Vorbehalte in ihre Lebenswelt integriert hat. Ob Nike-Baseballmützen und Turnschuhe, Levis-Jeans oder Fast-Food-Ketten. Fernseher und Touristenstrom bringen die heilsversprechende Nachricht von Coca Cola und MTV in das entfernteste Bergdorf. Und ob die sich gerne im Dreck wälzende Traveller-Kultur eine besseren Eindruck der westlichen Kulturerrungenschaften hinterlässt, wird selbst von den Einheimischen bestritten. Aber ob Traveller oder Tourist – jeder Reisende ist Medium dieser Nachricht und damit Teil eines Problems, welches mit den soziologischen Begriffen vom „gravierenden Wertewandel in traditionellen Gesellschaften“ nur unzureichend beschrieben ist.
Unsere Freunde vom Strand haben uns als verträgliche Menschen und wohl auch gute Einnahmequelle schätzen gelernt. Ein paar Tage später besorgen sie uns ein Beutelchen Gras, welches aus Kambodscha stammen soll. Um es kurz zu machen: Auch dieses Killergras lässt uns höchstens müde werden, die Wirkung von Tabak und Marihuana sind nicht eindeutig aus einander zu halten. Zwar sieht es etwas besser aus als die erste Ladung, Geruch und Geschmack sind aber wieder vollkommen indifferent. Aber irgendwie bringt es trotzdem Spaß kiffend auf dem Balkon zu sitzen und durch Palmen aufs südchinesische Meer zu schauen. Im Urlaub in fernen Ländern ist das Bewusstsein eh schon so sensibilisiert und von taufrischen Eindrücken umschmeichelt, dass schon der Qualm einer Sportzigarette den letzten Schubser ins Reich der Wohlfühligkeit gibt.
Kurz vor Ende unseres Aufenthalts in der Stadt finden wir eher zufällig heraus, aus welcher Quelle die Beutelchen mit dem Gras stammten. Ich will der Information kaum trauen, versuche es aber trotzdem: Am Straßenrand steht einer kleiner Stand auf Rädern, Zigaretten und Tabak werden verkauft. Hinter dem Wägelchen liegt eine Oma und schläft. Ich warte bis sie die Augen aufschlägt, dann frage ich nach Marihuana. Sie lacht, greift unter ihren Stand und zieht eine Plastiktüte hervor. In dieser warten viele Beutelchen auf Kundschaft. Nachdem ich ihr das Geld überreicht habe, legt sie sich wieder schlafen.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Facebook. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Instagram. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von X. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.