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Rezension: Grice Scott – Die schönen Blödmacher

HanfBlatt Nr. 109

Schön ist, wenn bereits der Titel eines Buches so viel über dessen Inhalt aussagt, dass ein unsinniger Kauf vermieden werden kann. Im englischen Original heißt das Buch von Trevor Grice und Tom Scott „The Great Brain Robbery“, die deutsche Übersetzung „Die schönen Blödmacher“. Beide Titel weisen auf die einseitige und vereinfachte Darstellung eines an sich komplexen Sachverhalts hin. Tom Scott behauptet schon in der Einleitung: „Tatsächlich konnte man bis vor Kurzem Cannabis verteidigen – weil das endgültige Urteil noch ausstand. Aber das hat sich geändert. Wissenschaftler aus aller Welt sind in den Gerichtssaal zurückgekehrt, und das Urteil lautet: schuldig!“.

Dieser Tenor durchzieht das gesamte Werk, welches sich als „Lese- und Arbeitsbuch für Jugendliche und Erwachsene“ bezeichnet: Cannabis und die anderen Drogen sitzen auf der Anklagebank, aber von einem fairen Prozess kann nicht die Rede sein. Längst überholte Behauptungen aus der Mottenkiste der Reefer-Madness-Ära (verminderter Sexualtrieb durch Kiffen), veraltete Informationslage (Marihuana sei „in keiner Weise ein wirksames, sicheres Medikament“) oder schlicht falsche Beschreibungen der Wirkung einer Droge (LSD führe zu „starker Müdigkeit“). Dazu kommt noch simple Angstschürung („die Methoden der Drogendealer sind raffinierter geworden“) und fadenscheinige Bilder („Marihuana ist ein Einbrecher. Er arbeitet heimlich und hinterlässt keine Spur. Am Morgen danach sieht es so aus, als ob alles in Ordnung wäre, doch nichts funktioniert mehr richtig.“). Und ausgerechnet im Kapitel „Die harten Fakten“ werden wissenschaftliche Scheingenauigkeit und christliches Weltbild vermengt („Die Synapse, der Treffpunkt von Elektrizität und Chemie, ist der Ort, wo stimmungsverändernde Substanzen (…) ihre schwarze Magie entfalten.“).

Im Kapitel über Marihuana wollen Scott und Grice den „schlagendsten Beweis für die anhaltende Negativwirkung von Marihuana auf das Gedächtnis“ an einem Versuch festmachen, den Forscher um V.O. Leirer mit Piloten im Jahre 1991 durchführten. Diese sollten 24 Stunden nach einem Joint im Flugsimulator brillieren, schnitten dabei aber schlechter ab als die nüchterne Kontrollgruppe. Hätten Scott und Grice den Bericht wirklich gelesen, hätten sie bemerken müssen, dass Leirer und seine Kollegen von „sehr feinen“ und „sehr marginalen“ Unterschieden in der Performance sprachen, die weniger ausgeprägt waren, als die durch das Alter der Piloten verursachten Unterschiede.

So spielt das Buch mit den Ängsten von Eltern, Lehrern und Kindern und ist zu keiner Zeit in der Lage den Zeigefinger runter zu nehmen. Das im Kern für jede Droge eine Dosis-Wirkungsbeziehung herrscht scheint die Autoren nicht klar zu sein. Es stellt sich zudem die Frage, ob sie tatsächlich daran glauben, dass sie auf Basis ihres Abstinenzparadigmas einen Zugang zur Zielgruppe der Kinder und Jugendlichen erhalten.

Harsch gesagt: Es ist nahezu unvorstellbar, dass irgendeinem, der deutschen Sprache mächtigen Jugendliche oder Erwachsenen männlichen oder weiblichen Geschlechts, dieses Buch eine Hilfestellung sein könnte.

Tom Scott, Trevor Grice:
Die schönen Blödmacher – Was man über Drogen wissen muss
Verlag An der Ruhr
Mülheim an der Ruhr 2007
Broschiert: 179 Seiten
ISBN-10: 3834602302
EUR 16,50